Süddeutsche Zeitung

Abstimmung über Gesetzentwurf:Ausgetrickst bei der Frauenquote

Eigentlich wollte die schwarz-gelbe Koalition den unbequemen Gesetzentwurf zur Frauenquote im Ausschuss begraben. Doch einige CDU-Abgeordnete tricksten und brachten das Thema ins Plenum. Das wird jetzt Ärger geben - unter anderem für Arbeitsministerin von der Leyen.

Von Robert Roßmann, Berlin

Wer dachte, die Unionsfraktion habe ihren Streit um die Frauenquote beigelegt, dürfte diese Woche eines besseren belehrt werden. Am Dienstag kommen die Abgeordneten zum ersten Mal seit der Quoten-Abstimmung wieder zusammen - für einige von ihnen könnte das Treffen ziemlich ungemütlich werden.

Die Mehrheit der Fraktion fühlt sich von einigen Kollegen hinters Licht geführt. Dabei geht es vor allem um Arbeitsministerin Ursula von der Leyen, den Rechtsausschuss-Vorsitzenden Siegfried Kauder sowie die Abgeordneten Elisabeth Winkelmeier-Becker, Marco Wanderwitz und Jan-Marco Luczak. Aber auch die Fraktionsführung wird sich rechtfertigen müssen. Schließlich ist sie im turbulenten Streit um die Quote nicht gerade durch professionelles Management aufgefallen.

Um den neuen Streit zu verstehen, bedarf es eines Blicks auf die Regeln des Parlamentsbetriebs. Der Gesetzentwurf für Frauenquoten, um den es jetzt ging, war bereits am 21. September 2012 vom Bundesrat beschlossen worden. Nun bedarf ein Entwurf der Länderkammer aber immer auch der Zustimmung des Bundestags, damit er Gesetz wird. Dort haben Union und FDP jedoch eine stabile Mehrheit, mit der sie unangenehme Gesetzentwürfe des Bundesrates sogar ohne Abstimmung versanden lassen können.

Das geht so: Nach der ersten Lesung im Plenum des Bundestags werden die Entwürfe an die Ausschüsse überwiesen. Dort machen die Koalitionsabgeordneten dann mit ihrer Mehrheit so lange neuen Beratungsbedarf geltend, bis die Legislaturperiode vorbei ist. Der Gesetzentwurf kommt also nie mehr ins Plenum, und damit auch nie zur Abstimmung. So sollte es auch mit dem Quoten-Gesetzentwurf laufen. Die Koalition hätte keine Angst vor Abweichlerinnen in den eigenen Reihen haben müssen. Sie hätten ja gar keine Chance gehabt, für die Quote zu stimmen.

Sechs lange Monate passiert deshalb nichts - bis die Geschichte am 15. März eine überraschende Wendung nimmt: Statt den Gesetzentwurf weiter durch Nichtstun zu blockieren, lehnt ihn die Koalitionsmehrheit im zuständigen Rechtsausschuss auf einmal ab - und macht damit den Weg zurück in den Bundestag frei.

Plötzlich haben die Quoten-Befürworter in der Union wieder die Möglichkeit, dem Bundesratsentwurf zur Mehrheit zu verhelfen - mit den bekannten Folgen: Die Frauen bauen so viel Druck auf, dass sich Angela Merkel genötigt sieht, den Kurs der CDU zu ändern. Ins Wahlprogramm der Union soll nun die Forderung nach einer festen Quote geschrieben werden.

Wegen dieses Ablaufs ranken sich jetzt viele Spekulationen um den Tag im Rechtsausschuss. Wie konnte es zu dieser folgenreichen Entscheidung kommen?

Einige Quoten-Befürworter sagen, es habe sich um einen geplanten Coup gehandelt. Dabei sei man sogar vom Ausschuss-Vorsitzenden unterstützt worden. Das ist delikat, schließlich heißt der Siegfried Kauder und ist Bruder des Fraktionschefs. Kauder habe Kraft seiner Macht als Vorsitzender den Quoten-Gesetzentwurf auf die Tagesordnung gesetzt, heißt es.

Die große Mehrheit der Koalitionsabgeordneten habe dann nicht kapiert, dass sie mit einer Ablehnung des Entwurfs automatisch seinen Weg zurück ins Plenum freimacht. Die Minderheit der Quoten-Befürworter unter den Unionsabgeordneten wäre sich dieser Folge dagegen sehr bewusst gewesen, hätte deshalb aber absichtlich geschwiegen. Der Vorwurf trifft neben Kauder die CDU-Abgeordneten und Quoten-Befürworter Winkelmeier-Becker, Wanderwitz und Luczak.

Wer mit mehreren Beteiligten spricht, bekommt schnell den Eindruck, dass diese Darstellung der Geschehnisse vermutlich wahr ist. Um die Quote im Bundestag durchsetzen zu können, haben einige Unionsabgeordnete ihre Kollegen ausgetrickst. Ein Affront, der in der Fraktionssitzung am Dienstag ein Nachspiel haben dürfte.

Vor allem Siegfried Kauder gilt schon länger als Quertreiber. Seit er nicht mehr für den Bundestag aufgestellt wurde, hat sich sein Verhältnis zur CDU weiter verschlechtert. Zuletzt präsentierte er ohne Absprache einen Gesetzentwurf zur Abgeordnetenbestechung, der gegen die Fraktionslinie verstößt. Bei der Abstimmung über die Frauenquote stimmte er als einziger Unionsabgeordneter nicht mit Nein.

Die Geschichte im Rechtsausschuss bringt aber auch die Fraktionsführung in Nöte. Schließlich hat sie sich austricksen lassen. Weder Fraktionschef Volker Kauder, noch der parlamentarische Geschäftsführer Michael Grosse-Brömer oder der Unionsobmann im Ausschuss, Thomas Silberhorn, haben das Fiasko verhindert. Dabei wäre es doch ihre Aufgabe gewesen.

Interessant ist aber auch die Rolle von der Leyens. Sie hat in den vergangenen Wochen nicht nur mit Unionsfrauen darüber gesprochen, wie man der Quote zur Mehrheit verhelfen kann, sondern auch mit Renate Künast. Eine Ministerin, die mit einer führenden Oppositionspolitikern berät, wie man die Koalitionsmehrheit knacken kann - auch das hat es noch nicht gegeben.

Bei den Gesprächen ging es um die Frage, wie ein fraktionsübergreifender Antrag für die Quote aussehen könnte. Ziel sei es dabei gewesen, die Vorgaben der "Berliner Erklärung" zum Gesetz zu machen: 30 Prozent weibliche Aufsichtsräte bis zum Jahr 2018. Dies sollte über einen gemeinsamen Änderungsantrag zum Gesetzentwurf des Bundesrats erreicht werden. Aber dazu kam es dann nach der Wende Merkels nicht mehr.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.1655246
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 22.04.2013/fran
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.