Als Caesar den Fluss Rubikon in Richtung Süden, also in Richtung Rom, überschritt, sagte er den berühmten Satz: Die Würfel sind gefallen. So einen Satz sagte am Freitag in Brüssel niemand; aber die Unterzeichnung des Vertrags über die Fiskalunion ist trotzdem ein historischer Schritt - einer, dessen Auswirkungen auf die deutsche Politik gewaltig sind.
Mit dem Vertrag überschreitet Angela Merkel womöglich die Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Europa-Urteil vom 7. September 2011 gesetzt hat. In diesem Urteil zogen die Richter eine deutsche Souveränitäts-Linie, die unter der Geltung des bisherigen Grundgesetzes nicht überschritten werden darf.
Der Fiskalvertrag greift in die Haushaltsautonomie des Bundestags ein. Der Bundestag darf, solange das Grundgesetz in der heutigen Fassung gilt, seine Budgethoheit nicht an Brüssel abgeben oder substantiell einschränken lassen.
Der Kanzlerin ist dies sehr wohl bewusst. Deshalb will sie den Fiskalvertrag mit Zweidrittel-, mit grundgesetzändernder Mehrheit abstimmen lassen. Das klingt großzügig, wie ein Werben um viel Zustimmung. Es ist aber wohl auch der Versuch, eine Volksabstimmung über den Fiskalvertrag abzuwenden. Das Grundgesetz fordert Volksabstimmung, wenn der Rubikon überschritten wird.
Der deutsche Rubikon fließt in Karlsruhe. Aber das Verfassungsgericht hat ihn immer wieder verlegt, ihm ein neues Bett gegraben. Das macht die Beurteilung der Sache schwierig. Früher oder später wird der EU-Artikel 23 und die "Ewigkeitsgarantie" des Grundgesetzes geändert und dem Volk zur Entscheidung vorgelegt werden müssen. Das wäre dann nicht schlimm - sondern Verfassungsrecht.