Abstimmung über Berlusconis Senatssitz:Noch ein letzter Angriff

Berlusconi Ausschluss Senat

Berlusconi droht der Ausschluss aus dem Senat.

(Foto: AFP)

Sein Ausschluss aus dem Senat scheint so gut wie beschlossen zu sein, doch Italiens Politik-Urgestein Silvio Berlusconi gibt selbst kurz vor der Abstimmung nicht auf: Er vermutet einen "Staatsstreich" und warnt von einer "tödlichen Verletzung der Demokratie".

Von Andrea Bachstein, Rom

Die neu gegründete Partei Forza Italia (FI) des früheren italienischen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi will aus der Regierungskoalition des Landes aussteigen. Das kündigten die Fraktionschefs der Partei im Abgeordnetenhaus und im Senat am Abend vor der für diesen Mittwoch geplanten Abstimmung über Berlusconis Ausschluss aus dem Senat an. Für die Stabilität der Regierung von Ministerpräsident Enrico Letta hat der Schritt zunächst keine Folgen, solange ihn die ebenfalls neu gegründete Partei von Vize-Regierungschef Angelino Alfano unterstützt.

Berlusconi selbst zieht noch einmal alle Register vor der Abstimmung. "Denkt nach, ehe ihr die Verantwortung übernehmt für etwas, wofür ihr euch vor euren Kindern und den Italienern werdet schämen müssen", appellierte er an die Senatoren. Der frühere Ministerpräsident Italiens nannte seinen bevorstehenden Ausschluss eine "tödliche Verletzung der Demokratie" und hat seine Anhänger aufgefordert, sich zu einer Kundgebung vor seiner Wohnung in Rom zu versammeln.

Diese Demonstration werde aber "erst der Anfang" sein: Die Teilnehmer würden nicht nur Berlusconi verteidigen, "sondern auch die demokratische Zukunft Italiens". Die regierende Partei PD von Premierminister Enrico Letta sprach angesichts dieser Drohgebärden von "einer gegen den Staat gerichteten Spannungsstrategie".

Talkshow-Auftritt

Berlusconis neue Partei Forza Italia (FI) hat bereits am Dienstag begonnen, im Namen ihres Anführers Zeichen zu setzen. Am Abend stand im Senat die Entscheidung über das mit der Vertrauensfrage belegte Haushaltsstabilitätsgesetz an. Es wurde erwartet, dass sich Berlusconis Gefolgsleute in der FI dagegen aussprechen würden. Dass eine Mehrheit für Berlusconis Ausschluss aus dem Senat stimmen wird, erscheint so gut wie sicher zu sein. Dass der Ex-Premier zuvor noch die Möglichkeit nutzen könnte, selbst sein Mandat zurückzugeben, hat Berlusconi ausdrücklich ausgeschlossen.

Eine Szene, in der ihn Parlamentsdiener auf Anweisung des Senatspräsidenten aus dem Saal führen, wird es aber nicht geben: Denn er selbst wird an diesem Mittwoch nicht ins Plenum kommen, das hat der 77-Jährige bereits angekündigt, er will stattdessen in einer Talkshow auftreten. Die Abstimmung über den Verlust seines Senatorenamtes ist eine der Konsequenzen aus der Verurteilung Berlusconis wegen Steuerbetrugs. Dabei ging es um Geschäfte mit Fernsehrechten in den Neunzigerjahren. Eine Folge seines Ausschlusses aus dem Senat wäre auch ein Verbot, in den kommenden sechs Jahren erneut für ein öffentliches Amt zu kandidieren. Berlusconi hat nun gefordert, dass sein Fall ein weiteres Mal vor Gericht kommt, um so die vorläufige Aussetzung des Votums über seinen Senatsausschluss zu erreichen. Er will neue Beweise für seine Unschuld haben.

"Amerikanische Karte"

Am Montagabend verkündete er am Parteisitz in Rom, "die amerikanische Karte" zücken zu wollen: Es geht um Zeugen, die Berlusconi entlasten könnten, um ehemalige Geschäftspartner aus den USA. Er sprach von zwölf Personen, sieben von ihnen seien neu. 15.000 Seiten Dokumente aus der Schweiz, Irland und Hongkong könnten ebenso zu seinen Gunsten sprechen.

Dass neue Zeugen ins Spiel gebracht werden, müsse automatisch ein Revisionsverfahren auslösen. Zumindest teilweise sind diese Zeugen jedoch den Gerichten bereits seit Langem bekannt, auch schon lange bevor am 1. August in dritter und letzter Instanz nach sieben Jahren der endgültige Schuldspruch gegen Berlusconi bestätigt wurde. Seine Anwälte Niccolò Gheddini und Franco Coppi nannten am Dienstagnachmittag die Vorwürfe gegen ihren Mandanten ohne Grundlage und "irreal".

Vor diesem Vorstoß mit angeblich neuen Beweisen hatte Berlusconi den Staatspräsidenten aufgefordert, ihn zu begnadigen und andernfalls Konsequenzen für die Politik des Landes angekündigt. Den bevorstehenden Ausschluss aus dem Senat nannte er "einen Staatsstreich". Präsident Giorgio Napolitano erklärte daraufhin in einer offiziellen Note, es fehlten die juristischen Voraussetzungen. Er habe keinerlei Möglichkeit einzugreifen. Napolitano wies auch den Stil und Ton Berlusconis zurück, der habe "sehr schwerwiegende" Äußerungen gemacht.

Zu wilden Spekulationen rund um die Entscheidung im Senat hat in italienischen Medien noch ein Besuch von Russlands Präsident Wladimir Putin bei Berlusconi am Montag geführt, der zu offiziellen Treffen mit dem Papst und Premier Letta nach Italien gekommen war. Putin und Berlusconi sind seit Jahren privat befreundet. Der Russe habe für seinen bedrängten Freund, dessen Pass eingezogen wurde, einen Diplomatenpass mitgebracht oder ihm gar den Posten des russischen Botschafters am Heiligen Stuhl angeboten, hieß es.

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