Keine 30 Tage ist es her, dass Koalition und Opposition die Erweiterung des Rettungsschirms mit breiter Mehrheit abgesegnet haben. Doch der Kampf geht weiter, die Euro-Rettung hält die Bundestagsfraktionen weiter in Atem. Jetzt geht es darum, dem EFSF noch mehr Schlagkraft zu verleihen.
Und anders als bei der Erweiterung der Garantiesumme auf 780 Milliarden Euro vor vier Wochen könnte es diesmal wirklich auf die Kanzlermehrheit von Schwarz-Gelb ankommen. Grünes Licht aus dem rot-grünen Lager gibt es bislang nicht. Außerdem kündigen die Koalitionsabweichler von Ende September an, auch am Mittwoch gegen den Rettungsschirm stimmen zu wollen.
Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Bosbach will ebenso bei seinem Nein bleiben wie sein Fraktionskollege Klaus-Peter Willsch. "Die Bedenken der Kritiker sind nicht ausgeräumt, sondern haben sich eher bestätigt", sagte Bosbach.
Willsch fürchtet, dass durch den geplanten EFSF-Hebelmechanismus das Risiko von Zahlungsausfällen gewaltig steigen werde. Damit würde sich die Wahrscheinlichkeit erhöhen, dass Deutschland mit seiner Haftungssumme von 211 Milliarden Euro tatsächlich einspringen müsste.
"Dem Hebel werde ich nicht zustimmen"
Über diese Summe hinaus werde Deutschland aber in keinem Fall haften, stellte die CSU-Landesgruppenchefin im Bundestag, Gerda Hasselfeldt, klar. "Das werden wir nicht überschreiten", sagte sie der Passauer Neue Presse. Sie bekräftigte die Forderung nach schärferen Sanktionen für Euro-Schuldensünder: "Es muss in Zukunft möglich sein, beim Europäischen Gerichtshof gegen Staaten zu klagen, die gegen die Stabilitätskriterien in der Euro-Zone verstoßen."
Der CSU-Abgeordnete Herbert Frankenhauser wartet vor der Abstimmung zunächst auf eine angemessene Entscheidungsgrundlage. Bislang habe er noch keine Unterlagen über die möglichen Mechanismen des EFSF erhalten, sagte Frankenhauser. Er gehe davon aus, dass die am Dienstagnachmittag bei der Unions-Fraktionssitzung verteilt und am frühen Abend im Haushaltsausschuss diskutiert werden. Erst dann wolle er seine endgültige Entscheidung treffen. Klar sei für ihn aber: "Dem Hebel werde ich nicht zustimmen."
Der Bundestag soll am Mittwoch nach der für den Mittag geplanten Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über den Ausbau des Rettungsschirms abstimmen. Danach treffen die EU-Staats- und Regierungschefs in Brüssel zum zweiten Euro-Rettungsgipfel innerhalb von vier Tagen zusammen.
Eine Gefahr für die schwarz-gelbe Koalition oder gar ein mögliches Zerbrechen an der EFSF-Frage sehe er nicht, sagte Bosbach. Auch Willsch und Frankenhauser wollen die symbolische Bedeutung der Kanzlermehrheit nicht zu hoch hängen. "Das ist eine Abstimmung in der Sache. Ich sehe keinen Zusammenhang mit der Kanzlermehrheit", sagte Frankenhauser.
Der finanzpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Klaus-Peter Flosbach, geht davon aus, dass Schwarz-Gelb die Abstimmung mit einer eigenen Mehrheit für sich entscheidet. "Ich habe keinen Zweifel, dass die Kanzlermehrheit zustande kommen wird", sagte Flosbach Handelsblatt Online.
CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt relativierte jedoch vorsorglich die Bedeutung der Kanzlermehrheit. "Wir brauchen eine Mehrheit in Bundestag, die werden wir mit Sicherheit erhalten", sagte die CSU-Politikerin in Berlin. "Die Kanzlerin braucht die Rückendeckung ihres Parlament."
Auf die Frage, was es bedeute, wenn es bei der Abstimmung keine Kanzlermehrheit gebe, sagte sie: "Das heißt für den EU-Gipfel gar nichts, sicher keine Schwächung der Kanzlerin."
Hasselfeldt betonte, dass der Bundestag nun über die Modelle für einen effektiveren Einsatz des EFSF abstimme. Der Haushaltsausschuss werde aber noch einmal abstimmen müssen, wenn auf EU-Ebene die genauen EFSF-Leitlinien in einigen Tagen ausformuliert vorlägen.
Vor vier Wochen hatten 523 Abgeordnete für den EFSF gestimmt - davon 315 aus dem Koalitionslager, in dem es 15 Abweichler gab. Für die absolute Mehrheit sind 311 Stimmen notwendig. Dabei könnte ein Abweichler wegfallen: Der CDU-Abgeordnete Thomas Dörflinger ist nach Auskunft seines Büros auf Auslandsreise und dürfte es zur Abstimmung am Mittwoch nicht rechtzeitig zurückschaffen. Er hatte gegen den EFSF gestimmt und würde nun als nicht abgegebene Stimme zählen.
Der Wortführer der "Euro-Rebellen" in der FDP, Frank Schäffler, forderte indes erneut einen Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone. "Griechenland kann im Euro nicht mehr wettbewerbsfähig werden", sagte Schäffler. Der Gipfel in Brüssel solle einen harten Schuldenschnitt für griechische Gläubiger beschließen. Um einen Nachahmereffekt in anderen verschuldeten Euro-Länden zu verhindern, solle Athen dann als abschreckendes Beispiel aus der Euro-Gruppe ausscheiden.
Außerdem äußerte er den Verdacht, dass die neu geplanten Maßnahmen vor allem mit wachsendem Druck auf das hochverschuldete Italien zu tun hätten. "Man will Italien helfen, seine Anleihen-Preise zu senken. Das führt am Ende aber dazu, dass Italien nie mehr aus diesem Dilemma herauskommt. Italien wird dauerhaft am Tropf hängen", warnte Schäffler, der in der FDP einen Mitgliederentscheid veranlasst hat, um der Ausweitung bestehender Rettungsschirme und auch dem dauerhaften Stabilisierungsmechanismus ESM eine Absage zu erteilen.