Süddeutsche Zeitung

Abschuss von türkischem Kampfjet durch Syrien:Türkei ruft Nato-Partner zusammen

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Der Abschuss eines türkischen Kampfflugzeuges durch Syrien beschäftigt nun auch den Nato-Rat. Das Gremium der Botschafter aller 28 Nato-Staaten tritt zusammen, wenn sich ein Mitgliedsstaat in seiner territorialen Integrität, politischen Unabhängigkeit oder Sicherheit bedroht sieht. Inzwischen soll das Wrack des Jets geortet worden sein.

Nach dem Abschuss eines türkischen Kampfflugzeuges durch Syrien befasst sich am Dienstag der Nato-Rat mit der Lage. Das Gremium der Botschafter aller 28 Nato-Staaten tritt zusammen, nachdem Ankara unter Berufung auf Artikel 4 des Nato-Vertrages eine Sitzung über den Zwischenfall beantragt hat. Dies teilte Nato-Sprecherin Oana Lungescu am Sonntag in Brüssel mit.

Artikel 4 des Nato Vertrages sieht vor, dass die Verbündeten beraten, wenn einer von ihnen der Auffassung ist, dass seine territoriale Integrität, politische Unabhängigkeit oder Sicherheit bedroht ist. Lungescu sagte, die Türkei werde im Kreis der Nato-Mitglieder über die Lage berichten. Der Nato-Vertrag sieht in Artikel 5 eine Beistandsverpflichtung für den Fall eines bewaffneten Angriffs auf eines der Mitglieder vor. Auf diesen Artikel beruft sich die Türkei jedoch nicht.

Nach Ansicht von Diplomaten wäre auch höchst strittig, ob tatsächlich von einem bewaffneten Angriff gesprochen werden kann. Die Nato hatte nach den Angriffen auf die USA vom 11. September 2001 erklärt, die Beistandsverpflichtung gemäß Artikel 5 sei gegeben.

"Unseren Erkenntnissen zufolge wurde unser Flugzeug in internationalem Luftraum abgeschossen", sagte der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu. Der unbewaffnete Jet sei auf einer Übungsmission und zur Überprüfung eines Radarsystems unterwegs gewesen. "Es gab keine Operation gegen Syrien. Das Flugzeug war nicht bewaffnet", versicherte Davutoglu.

Zuvor hatte der Sprecher des syrischen Außenministeriums, Dschihad Makdissi, erklärt, dass der Jet einen Kilometer weit in den syrischen Luftraum eingedrungen sei. Allerdings sei der Abschuss des türkischen Kampfflugzeuges "kein Angriff" gewesen. Angeblich habe Syrien zunächst nicht erkannt, dass es sich um ein türkisches Militärflugzeug handele und habe mit seiner Reaktion seine Souveränität verteidigen wollen. Die Truppen hätten in der Nacht zum Samstag ein unidentifizierbares Objekt geortet, das in geringer Höhe und mit großer Geschwindigkeit geflogen sei. Nach Abschuss des Objekts habe sich herausgestellt, dass es sich um ein türkisches Militärflugzeug handelt.

Die türkische Regierung schloss nicht aus, dass sich der Jet vor dem Abschuss möglicherweise versehentlich in syrischem Luftraum befand. Bei Hochgeschwindigkeitsflügen sei es allerdings Routine, dass der Luftraum von Nachbarstaaten für kurze Zeit verletzt werden könne, sagte der türkische Staatspräsident, Abdullah Gül. "Diese Zwischenfälle geschehen nicht in böser Absicht, sie passieren wegen der Geschwindigkeit." Nach türkischen Angaben wurde die F-4 13 Seemeilen vor der syrischen Küstenstadt Latakia abgeschossen und stürzte ins Mittelmeer.

Der türkische Arbeitsminister Faruk Celik sagte, der Zwischenfall sei inakzeptabel und die Türkei könne ihn nicht schweigend hinnehmen. Die Türkei werde "entweder auf dem diplomatischen Feld reagieren oder andere Arten einer Antwort geben".

Ban Ki Moon fordert diplomatische Lösung

Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) lobte zunächst die besonnene Reaktion der Türkei, äußerte aber zugleich Besorgnis. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki Moon lobte die Zurückhaltung der Türkei und forderte nach Angaben eines UN-Sprechers beide Seiten auf, die Angelegenheit auf diplomatischem, nicht militärischem Weg zu klären.

Der irakische Außenminister Hoschjar Sebari warnte unterdessen vor einer Ausweitung der Krise auf die Nachbarländer. Die Desertion eines syrischen Luftwaffenpiloten nach Jordanien am Donnerstag und der Abschuss des türkischen Jets zeigten, dass der Syrien-Konflikt weitreichende Auswirkungen haben könnte, sagte Sebari am Samstag in Bagdad.

Türkische Zeitungen reagierten mit aggressiven Schlagzeilen. Syrien spiele mit dem Feuer, titelte Hürriyet. In der türkischen Tageszeitung Vatan hieß es, Damaskus werde den Preis für den Abschuss bezahlen.

Währenddessen beraten Militärvertreter über mögliche Schritte und einen Rettungseinsatz für die beiden vermissten Piloten erörtert wurden, wie sein. Am Sonntag wurde das Wrack geortet. Der abgeschossene Jet befinde sich im Mittelmeer in einer Tiefe von rund 1000 Metern, berichtete das türkische Staatsfernsehen.

USA wollen Assad zur Rechenschaft ziehen

International stieß der Abschuss auf harsche Kritik. Die US-Regierung verurteilte den Abschuss "auf das Schärfste". Clinton sprach in einer am Sonntag veröffentlichten Mitteilung von einer schamlosen und inakzeptablen Handlung. "Wir werden mit der Türkei und anderen Partnern zusammenarbeiten, um das Assad-Regime zur Rechenschaft zu ziehen", erklärte sie. "Wir werden unsere enge Zusammenarbeit mit der Türkei als Teil unserer weitergefassten Bemühungen fortsetzen, einen demokratischen Übergang in Syrien zu fördern." Die USA würden sich mit dem UN-Sicherheitsrat, der Nato, der EU und dem Sonderbeauftragten Kofi Annan über die nächsten Schritte kurzschließen.

Ihre italienischen und britischen Amtskollegen äußerten sich ähnlich. Dieser ungeheuerliche Vorfall beunruhige ihn sehr, erklärte William Hague am Sonntag. Seine Regierung stehe für eine robuste Reaktion im UN-Sicherheitsrat bereit.

Vor Beginn des Aufstands in Syrien im März des letzten Jahres galten Ankara und Damaskus als Verbündete. Mittlerweile gilt die Türkei als einer der schärfsten Kritiker des Regimes von Präsident Baschar al-Assad. Angesichts der anhaltenden Gewalt in Syrien hat auch die Türkei den Rücktritt des syrischen Regierungschefs gefordert.

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