Süddeutsche Zeitung

Taktische Nuklearwaffen:Mahnung an Moskau

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Die USA halten einen Atomschlag Russlands in der Ukraine für möglich. Sie setzen allerdings darauf, dass die Abschreckung noch funktioniert.

Von Fabian Fellmann, Washington

Das Weiße Haus nimmt die Drohungen von Wladimir Putin sehr ernst, er könnte in der Ukraine Atomwaffen einsetzen. Daran jedenfalls ließ der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan keinerlei Zweifel. "Direkt, privat und auf sehr hohen Stufen" habe das Weiße Haus dem Kreml mitgeteilt, "dass jeder Einsatz von Atomwaffen mit katastrophalen Folgen für Russland beantwortet wird". So formulierte Sullivan schon am vergangenen Freitag so unmissverständlich wie vage. Es war eine Antwort darauf, dass Russland die Annexion von Teilen der Südostukraine vorantreibt und der russische Präsident Wladimir Putin zur gleichen Zeit mit seinem nuklearen Arsenal gedroht hat.

Welche "katastrophalen Folgen" die USA Russland angedroht haben, wollte Sullivan nicht ausführen. Dem Kreml gegenüber habe man sich "klar und spezifisch" darüber ausgedrückt, sagte er lediglich. Öffentlich macht das Weiße Haus seine Pläne nicht. Die Amerikaner wollen unter keinen Umständen weiter an der Eskalationsschraube drehen.

Während die Regierung betont, Putins Drohung ernst zu nehmen, hat sie Experten im Hintergrund die Einschätzung verbreiten lassen, dass ein unmittelbarer Atomschlag durch Russland nicht bevorstehe. Die USA würden die nuklearen Waffen Russlands genau beobachten, und bisher seien keine Vorbereitungen erkennbar, Sprengköpfe für einen Abschuss bereit zu machen. Damit versuchte das Weiße Haus auch, die Gerüchteküche zu beruhigen. In den sozialen Medien hatten Bilder die Runde gemacht, die angeblich einen russischen Spezialzug beim Transport von nuklearen Gefechtsköpfe zeigten.

US-Präsident Joe Biden hat seit Beginn des Kriegs stets betont, eine direkte Konfrontation mit Russland vermeiden zu wollen. Allerdings ist davon auszugehen, dass er Putin sehr schwerwiegende Konsequenzen angedroht hat - ganz im Sinne der alten Abschreckungspolitik, die beide Seiten vom Einsatz von Nuklearwaffen abhalten soll. Soeben haben die USA auch ihre Unterstützung für die Ukraine um weitere zwölf Milliarden Dollar erhöht.

Ein Ex-General drohte gar mit der Versenkung der russischen Schwarzmeerflotte

Gleichzeitig entsteht allerdings eine Diskussion darüber, wie die USA denn nun konkret reagieren würden, falls Russland in der Ukraine Atomwaffen einsetzen sollte. Der prominente Ex-General David Petraeus etwa sagte, die USA könnten die russischen Truppen in der Ukraine sowie die Schwarzmeerflotte ausschalten. Petraeus deklarierte das ausdrücklich als private Einschätzungen, um in Russland nicht als Schattendiplomat verstanden zu werden.

Im Vordergrund stehen derartige sehr rasche Eskalationsspiralen allerdings nicht. Das Weiße Haus bereitet sich darum offenbar auf eine ganze Reihe abgestufter Antworten auf verschiedene Szenarien vor. Wie etwa ist zu reagieren, falls Putin eine taktische Nuklearwaffe, eine mit geringer Sprengkraft, in der Luft über der Ukraine explodieren lässt? Öffentlich bleibt man allerdings bei der Mahnung von vergangenem Freitag, dass jeder Einsatz von Atomwaffen katastrophale Folgen haben werde für Russland. Womit man darauf setzt, dass die alte Abschreckungspolitik ihre volle Wirkung entfaltet - und Putin auf das Testen solcher Zwischenszenarien verzichtet.

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