Abschlussbericht zur Tragödie von Smolensk:Polen räumt Teilschuld an Flugzeugabsturz ein

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Es war ein Bericht, der Polen zutiefst empörte: Russische Experten hatten festgestellt, dass die alleinige Schuld an dem Flugzeugabsturz von Smolensk im April 2010 auf polnischer Seite zu suchen ist. Nun legt Warschau den eigenen Abschlussbericht vor - und muss gleich mehrere Fehler eingestehen.

Im Streit um die Ursachen des Flugzeugunglücks im westrussischen Smolensk hat die polnische Regierung eigene Fehler zugegeben. "Das Niveau der Ausbildung der Belegschaft stellte eine Gefahr für die Flugsicherheit dar", sagte ein Vertreter der Regierungskommission in Warschau bei der Vorstellung des Untersuchungsberichts. So habe der Pilot nicht die nötige Ausbildung für eine Landung unter widrigen Sichtbedingungen gehabt.

Auf dem Archivbild vom 11. April 2010 ist das Wrack der Tupolew Tu-154 zu sehen. Mehr als ein Jahr nach der Katastrophe hat Polen den eigenen Abschlussbericht vorgelegt. (Foto: REUTERS)

Bei dem Flugzeugabsturz am 10. April 2010 waren Präsident Lech Kaczynski, seine Frau Maria sowie 94 weitere Prominente aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Armee ums Leben gekommen. Die Maschine war beim Landeanflug zerschellt. Die Delegation aus Warschau war auf dem Weg nach Katyn, wo sie der Ermordung mehrerer tausend polnischer Offiziere durch den sowjetischen Geheimdienst im April 1940 gedenken wollte.

Die Erschütterung über das Unglück führte zu einer kurzzeitigen Annäherung zwischen Russland und Polen. Allerdings hatte zur Verärgerung der Führung in Warschau Russland in dem im Januar vorgelegten Bericht der polnischen Seite die alleinige Schuld an dem Unglück gegeben. Und zwar insbesondere dem Piloten und dem Navigationsoffizier, die trotz des dichten Nebels einen Landeversuch unternahmen. Demnach hatte der Navigator eine Bodensenke wenige hundert Meter vor der Landebahn übersehen. Die Maschine war in ein Waldstück gerast.

Als Mitverantwortlichen benennt der russische Bericht den Oberkommandierenden der polnischen Luftstreitkräfte, General Andrzej Blasik. Dieser habe sich vorschriftswidrig im Cockpit befunden und den Piloten Anweisungen gegeben. In Blasiks Blut ist dem Bericht zufolge 0,6 Promille Alkohol festgestellt worden. Diese Meldung hatte zu großer Empörung bei den Anhängern des verstorbenen Präsidenten und bei dessen Zwillingsbruder, des national-konservativen Oppositionsführers Jaroslaw Kaczynski, geführt.

Keinerlei Analyse aber fand sich in dem russischen Bericht zur Tätigkeit der Fluglotsen; auch ging der Bericht nicht auf die veraltete und teilweise schadhafte technische Ausrüstung des Flughafens von Smolensk ein.

Mitschuld der russischen Fluglotsen

Das holt der polnische Bericht nun nach: Die Kommission unter der Leitung von Innenminister Jerzy Miller gibt den russischen Fluglotsen eine Mitschuld. Demnach hätte das russische Bodenpersonal dem polnischen Piloten beim Landeanflug im dichten Nebel falsche Anweisungen erteilt. Allerdings gab es auch im Flugzeug Schwierigkeiten: So sei einzig der Pilot des Russischen mächtig gewesen. Er musste also während des Fluges zusätzlich mit dem Bodenpersonal kommunizieren. Außerdem habe sich die Befeuerung der Landebahn auf dem Flughafen im russischen Smolensk in einem schlechten Zustand befunden, heißt es in dem Bericht weiter.

Darüber hinaus geht aus dem Gutachten hervor, dass es bei der Vorbereitung der Flugreise "zahlreiche Verfehlungen" gegeben habe. Ruhezeiten für Piloten seien nicht eingehalten, Trainingsflüge nicht ausgeführt worden. Auch die Dienstaufsicht für die Luftwaffeneinheit, die für die Beförderung von Politikern zuständig ist, habe nicht funktioniert, hieß es im Bericht. Zudem sei das Gerät an Bord der Tupolew Tu-154 schlecht gewartet gewesen.

Nach dem Unglück hatten einige Politiker und Medien den Verdacht geäußert, wonach Kaczynski und andere Fluggäste den Piloten gegen seinen Willen zur Landung in Smolensk gezwungen hätten. Dies konnte die Untersuchungskommission nicht bestätigen.

Die Schuldfrage spielt eine wichtige Rolle im Wahlkampf vor der Parlamentswahl im Oktober. Die national-konservative Opposition hetzt seit längerem gegen die liberale Bürgerplattform von Ministerpräsident Donald Tusk und dessen Parteifreund Bronislaw Komorowski. Er ist der Nachfolger von Lech Kaczynski und konnte sich bei der Neuwahl nach der Flugzeugkatastrophe knapp gegen Jaroslaw Kaczynski durchsetzen - was die Feindschaft zwischen den beiden Lagern noch vertieft hatte.

Der polnische Verteidigungsminister Bogdan Klich muss nach Vorwürfen im Zusammenhang mit dem Flugzeugunglück seinen Hut nehmen. Klich habe am Vortag seinen Rücktritt erklärt, sagte Regierungschef Tusk am Freitag in Warschau. "Ich nehme den Rücktritt an", erklärte Tusk vor Journalisten. Eine Regierungskommission hatte "zahlreiche Verfehlungen" in der Luftwaffeneinheit Geschwader 36 festgestellt, die für die Flugreisen der Politiker zuständig ist.

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