Abschlussbericht zur Kundus-Affäre:SPD nennt Angriff "schweren Fehler"

Die SPD greift in der Kundus-Affäre Kommandeur Klein und Kanzlerin Merkel an. In ihrem Abschlussbericht wirft sie dem Oberst bei der fatalen Bombardierung zweier Tanklaster "schwere militärische Fehler vor" - und nennt die Aufklärungsarbeit der Regierung "erschreckend unangemessen".

Peter Blechschmidt

Die Bombardierung zweier Tanklaster im Kundus-Fluss am 4. September 2009 war nach Ansicht der SPD ohne jeden Zweifel ein "schwerer militärischer Fehler". Bei Einhaltung aller Regeln hätte der verantwortliche Bundeswehr-Oberst Georg Klein den Befehl zum Bombenabwurf nicht geben dürfen. Diese zumindest fahrlässig begangenen Dienstpflichtverletzungen hätten zur Einleitung eines förmlichen disziplinarischen Ermittlungsverfahrens "führen müssen". Zu diesem Ergebnis kommt die SPD in ihrer Bewertung des Kundus-Untersuchungsausschusses, die sie an diesem Donnerstag veröffentlichen will.

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Afghanische Polizisten stehen neben einem von der Bundeswehr in Nordafghanistan zerstörten Tanklastzug. Die SPD nennt die Aktion in ihrem Abschlussbericht zur Kundus-Affäre "einen schweren militärischen Fehler".

(Foto: ddp)

Mit dieser wie auch mit Feststellungen zu anderen Punkten widerspricht die SPD erwartungsgemäß dem Urteil von Union und FDP, das seit Anfang Juli bekannt ist. Anders als die Koalition macht die SPD den damaligen Verteidigungsminister Franz Josef Jung und seinen Pressesprecher Thomas Raabe für die "desaströse Kommunikation" des Verteidigungsministeriums nach der Bombennacht verantwortlich. Ihnen sei es nicht um Aufklärung, sondern um "Verschleiern und Abwimmeln" gegangen. Den von Jungs Nachfolger Karl-Theodor zu Guttenberg entlassenen Spitzenleuten Peter Wichert und Wolfgang Schneiderhan sei in diesem Zusammenhang kein Vorwurf zu machen. Dem inzwischen zurückgetretenen Guttenberg selbst wirft die SPD "Illusionspolitik" vor.

Die SPD kritisiert auch Bundeskanzlerin Angela Merkel. Die von ihr versprochene rückhaltlose Aufklärung sei bisher ausgeblieben. Angesichts der Dramatik und der Schwere des Vorfalls erscheine das Verhalten der Bundeskanzlerin insgesamt als "erschreckend unangemessen" - eine Anspielung darauf, dass der Bombardierungsbefehl Kleins wechselweise als angemessen oder unangemessen bezeichnet worden war.

Eindeutig unverhältnismäßig

Bei der Bombardierung der beiden von Taliban entführten und im Flussbett in Nordafghanistan gestrandeten Tanklastwagen handele es sich um den "folgenschwersten militärischen Waffeneinsatz in der Geschichte der Bundeswehr", heißt es in der SPD-Bewertung. Erstmals habe "ein deutscher Kommandeur einen offensiven Waffeneinsatz mit dem Ziel der Tötung einer Vielzahl von Personen außerhalb einer unmittelbaren Selbstverteidigungs- oder Nothilfesituation befohlen, um die regionalen Talibanstrukturen zu schwächen." Bei dem Angriff waren mehr als 100 Menschen, unter ihnen mindestens 22 Kinder unter 15 Jahren, getötet worden.

Die Bombardierung war nach Ansicht der SPD eindeutig unverhältnismäßig und möglicherweise auch völkerrechtswidrig. Auch die Koalition räumt ein, dass Klein Einsatzregeln verletzt habe und dass sein Befehl aus heutiger Sicht besser unterblieben wäre. Da Klein aber nach bestem Wissen und Gewissen zum Schutz seiner Soldaten gehandelt habe, sei seine Entscheidung "nachvollziehbar", argumentiert die Koalition. Dagegen kommt die SPD zu dem Schluss, "dass gerade die Vernichtung der Personen vor Ort das vordringliche, wenn nicht sogar das einzige Ziel des Bombenabwurfs gewesen sein muss". Deshalb kritisiert die SPD auch die Entscheidung der Bundesanwaltschaft und der militärischen Führung, Vorermittlungen gegen Klein einzustellen.

Auf fast 100 Seiten erörtert die SPD die Frage, was letztlich Klein zu seinem Befehl veranlasst hat. Ausführlich beschäftigt sie sich mit der Rolle eines Hauptmanns der sogenannten Task Force 47, von deren Gefechtsstand aus Oberst Klein in jener Nacht die Operation geleitet hat.

Klein war Kommandeur des Provinz-Aufbauteams (PRT). Die Task Force ist eine Sondereinheit, die nicht dem PRT-Kommandeur untersteht. Sie soll Taliban-Führer aufspüren und gefangen nehmen. Die SPD hat eine Reihe von Details zusammengetragen, die den Eindruck erwecken, besagter Hauptmann habe Klein bei dessen Entscheidung über Gebühr beeinflusst. Ausdrücklich aber stellt auch die SPD fest, dass die Bombardierung keine Operation der geheimnisumwitterten Task Force war, wie zeitweise vermutet worden war.

Relativ kurz, aber stellenweise sehr polemisch setzt sich die SPD mit Guttenberg auseinander. Der ehemalige Minister hatte die Bombardierung zunächst als angemessen, ja unvermeidlich bezeichnet, dieses Urteil aber später revidiert. Das habe er allein zu verantworten, meint die SPD. Dass Guttenberg seine Bewertungen mit angeblich mangelhafter Information durch den damaligen Staatssekretär Wichert und den Generalinspekteur Schneiderhan begründet hatte, nennt die SPD eine "unanständige Verleumdung". Guttenberg habe die Öffentlichkeit "für dumm verkauft".

Grüne und Linke haben jeweils eigene Voten erarbeitet. Auch die Grünen wollen sich am Donnerstag äußern.

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