Abschiebungen:Wien droht Herkunftsländern von Flüchtlingen mit Sanktionen

Austian Federal Interior Minister, Sebastian Kurz, speaks

Österreichs Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP)

(Foto: dpa)
  • Österreichs Außenminister Kurz will Herkunftsstaaten, die abgelehnte Asylbewerber aus Europa nicht zurücknehmen, die Entwicklungshilfe kürzen.
  • Der mutmaßliche Berliner Attentäter Amri hätte im Sommer dieses Jahres nach Tunesien abgeschoben werden sollen, es lagen dafür allerdings noch nicht die notwendigen Papiere vor.

Knapp zwei Wochen nach dem Anschlag auf einen Berliner Weihnachtsmarkt meldet sich der österreichische Außenminister Sebastian Kurz zu Wort. Der mutmaßliche Berliner Attentäter Anis Amri war als Flüchtling nach Deutschland gekommen, sein Asylantrag wurde allerdings abgelehnt. Abgeschoben werden konnte er dennoch nicht, weil noch keine Passersatzpapiere aus seinem Heimatland Tunesien vorlagen.

Um solche Fälle künftig zu verhindern, will der Wiener Chefdiplomat den Druck auf Staaten erhöhen, abgelehnte Asylbewerber aufzunehmen. Kurz fordert im Spiegel, solchen Ländern die Entwicklungshilfe zu kürzen.

Wörtlich sagte Kurz: "Viele der Länder haben kein Interesse, dass wir ihre Staatsbürger zurückschicken." Die Geldtransfers der Flüchtlinge aus Europa in die Heimat seien dort ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, so Kurz. Die EU müsse deshalb nach dem "Less-for-less-Prinzip" handeln. "Ländern, die nicht bereit sind, ihre Staatsbürger zurückzunehmen, müssen die Gelder für die Entwicklungszusammenarbeit gekürzt werden", sagte Kurz. Schon die Androhung würde zu einem massiven Umdenken führen.

Zugleich forderte er eine bessere Sicherung der europäischen Außengrenzen: "Wenn wir nicht kontrollieren können, wer überhaupt in die EU einwandert und wer hier lebt, dann ist das ein Sicherheitsrisiko." Es wäre allerdings fatal, Flüchtlinge mit Terror gleichzusetzen.

Auf der anderen Seite sei es ein Fehler zu glauben, aus Flüchtlingen könnten niemals Straftäter oder Terroristen werden. "Ich habe schon vor anderthalb Jahren gewarnt, dass die Flüchtlingsrouten auch von Terroristen genutzt werden können. Das hat sich leider als richtig herausgestellt", sagte Kurz, der der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) angehört und immer wieder den deutschen Kurs in der Flüchtlingspolitik kritisiert hat (hier mehr dazu).

Berlin will Abschiebungen beschleunigen

Nach dem Terroranschlag in Berlin dringt auch die deutsche Bundesregierung auf schnellere Abschiebungen nach Tunesien. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte, dass die Zusammenarbeit zwar schon intensiviert wurde, der Rückführungsprozess allerdings deutlich beschleunigt und die Zahl der Abgeschobenen erhöht werden müsse.

In Tunesien selbst gab es nach dieser Ankündigung Proteste gegen die Rückkehr einheimischer Dschihadisten, die sich oft erst im Ausland radikalisieren. Bei einer Demonstration in Tunis hielten Einheimische Plakate mit Aufschriften wie "Verschließt dem Terrorismus die Türen" und "Keine Toleranz, keine Rückkehr".

Nach UN-Schätzungen kämpfen mehr als 5000 Tunesier für dschihadistische Organisationen im Ausland, zumeist im Irak, Syrien oder Libyen. Viele von ihnen wollten freiwillig zurückkehren, hatte der Präsident Anfang Dezember gesagt. Für ihre Verhaftung fehlten Plätze im Gefängnis, sie würden aber überwacht. Nach Angaben der tunesischen Behörden stehen mindestens 800 Extremisten bereits unter Beobachtung.

Seit dem Arabischen Frühling 2011, der in Tunesien begonnen hatte, wurden in dem nordafrikanischen Land mehr als hundert Soldaten und Polizisten bei Anschlägen getötet - außerdem rund 20 Zivilisten und 59 ausländische Touristen.

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