Flüchtlingspolitik:Die Länder sehen Probleme, die Seehofer nicht zu sehen scheint

  • Zum Geordnete-Rückkehr-Gesetz von Inneminister Seehofer gibt es Kritik aus den Bundesländern.
  • Bundesweit gebe es etwa nicht genug Plätze in Abschiebungshafteinrichtungen.
  • Abgelehnte Asylbewerber gemeinsam mit Straftätern unterzubringen, scheint keine sinnvolle Lösung zu sein.

Von Thomas Hahn, Hamburg

Wenn es nach Lorenz Caffier ginge, gäbe es keinen Streit um das Geordnete-Rückkehr-Gesetz des Bundesinnenministers Horst Seehofer (CSU). Caffier, CDU-Innenminister in Mecklenburg-Vorpommern, steht hinter Seehofers Vorschlag, Menschen in Abschiebegewahrsam auch in normalen Justizvollzugsanstalten unterzubringen. Schon im März hat er das zum Ausdruck gebracht, als die CDU-Justizminister eine einhellige Erklärung gegen Seehofers Vorhaben vorbrachten. "Ich bedaure die Haltung der CDU-Innenminister", sagte Caffier. Er bedauerte damit auch die Haltung seiner Schweriner Kabinettskollegin und Parteifreundin Katy Hoffmeister. Und wenn man sein Haus jetzt fragt, ob dieser Vollzug von Abschiebehaft im Gefängnis für Straftäter wirklich nötig sei, fällt die Antwort knapp und klar aus: "Ja."

Caffier gilt als Hardliner. Seine Ansicht ist unter den zuständigen Ressortchefinnen und -chefs der 16 Bundesländer eine Minderheitenmeinung. Aber aus seinem Streit mit den eigenen Leuten kann man nicht nur etwas über Caffiers Gesinnung lernen: Er zeigt, wie fließend die Zuständigkeiten zwischen Justiz- und Innenministerien beim Thema Abschiebehaft sind. Und er zeigt, dass manche Länder durchaus Bedarf sehen an zusätzlichen Haftplätzen für Personen, die nicht in Deutschland bleiben dürfen, weil zum Beispiel ihr Asylantrag abgelehnt wurde.

"Es gibt bundesweit nicht genug Abschiebungshaftplätze in Abschiebungshafteinrichtungen", lässt auch das Innenministerium Schleswig-Holsteins mit Ressortchef Hans-Joachim Grote (CDU) wissen. Das Land bringt seine Abschiebehäftlinge deshalb in anderen Ländern unter. Es plant eine eigene Einrichtung in Glückstadt für bis zu 60 Abschiebungsgefangene. Und zwar nicht allein. Hamburg ist beteiligt. Mecklenburg-Vorpommern auch.

Das ändert nichts daran, dass die meisten Bundesländer von Seehofers Idee wenig halten. Voraussetzungen und Dauer der Abschiebungshaft sind im Aufenthaltsgesetz des Bundes geregelt. Der Vollzug liegt bei den Ländern, sie sehen deshalb Probleme, die Seehofer nicht zu sehen scheint.

Erstens rechtliche: Abschiebehaft ist keine Strafe. Sie trifft meistens Menschen, denen nicht mehr vorgeworfen wird, als dass sie sich nicht abschieben lassen wollen. Es ist nach der EU-Rückführungsrichtlinie deshalb grundsätzlich verboten, Abschiebehäftlinge mit verurteilten Betrügern, Dieben oder Mördern unterzubringen. Zweitens gibt es praktische Probleme: "Eine getrennte Unterbringung ist im Haftalltag einer normalen Justizvollzugsanstalt kaum zu realisieren. Sie würde viele Haftanstalten an ihre Kapazitätsgrenzen bringen und wäre auch hochgradig ineffizient", sagt Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza, ebenfalls CDU. Was sie damit meint, wird deutlich, wenn man sich erklären lässt, wie Abschiebehaft in Niedersachsen aussieht.

Abschiebehäftlinge und Straftäter gemeinsam unterzubringen, ist kaum möglich

Wenn eine Person nicht ausreist, obwohl sie es müsste, beantragen die örtlichen Ausländerbehörden Abschiebehaft beim Amtsgericht. Gibt dieses dem begründeten Antrag statt, wird die betreffende Person in Gewahrsam genommen und nach Langenhagen gebracht. Dort hat das Land Niedersachsen eine eigene Abschiebehafteinrichtung mit 42 Plätzen für Männer und sechs Plätzen für Frauen.

Der Abschiebehäftling verschwindet dort hinter Mauern und verschlossenen Toren, aber anders als bei einem normalen Gefängnis sind die Zellentüren offen. Innerhalb der Einrichtung kann sich der Häftling tagsüber frei bewegen. Es gibt Zugänge zum Internet. Sein eigenes Smartphone darf er nicht mitnehmen in die Einrichtung, aber das Land stellt Handys für den Aufenthalt, der in der Regel von 24 Stunden bis zu sechs Wochen dauert.

Straftäter haben deutlich strengere Haftbedingungen, und man kann sich vorstellen, wie kompliziert es wäre für das Personal der Justizvollzugsanstalten, unbescholtene Abschiebehäftlinge so unterzubringen, dass sie sich nicht auf einmal wie Strafgefangene vorkommen. Seehofer will das Trennungsgebot bis 2022 aufheben. Aber kann man das einem Flüchtling zumuten, dessen einziges Vergehen es ist, seine Zukunft in Deutschland zu sehen?

Es gibt ohnehin schon viel Kritik an der Abschiebehaft. Das Portal anwalt.org führt sie auf. Wenn sich die Abschiebehaft nachträglich als rechtswidrig erweist, was in den vergangenen Jahren oft der Fall war, gibt es keinen Anspruch auf Haftentschädigung; das bringt der Umstand mit sich, dass Abschiebehaft nicht als Strafe gilt. Außerdem gebe es zu wenig soziale Unterstützung und Rechtsberatung. Teilweise verstehen die Menschen nicht, warum sie plötzlich Gefangene sind.

Die Behörden halten dagegen, dass die Abschiebehaft die letzte Etappe vor der Ausreise sei und einem langen Verfahren folge. Mecklenburg-Vorpommerns Innenministerium teilt außerdem mit: "Betroffene Ausländer werden hinreichend über ihre Situation aufgeklärt. Es besteht kein Anlass anzunehmen, dass Personen in Unklarheit darüber sind, aus welchem Grund sie sich in Haft befinden."

Manche Ministerien wirken etwas sehr weit entfernt von den menschlichen Schicksalen, die hinter vielen Aktenzeichen stehen. Abschiebungen sind ein kompliziertes Geschäft. Sie sind ein ernstzunehmendes Werkzeug der inneren Sicherheit, aber reißen immer wieder integrierte Menschen aus ihrem bescheidenen Glück. Zahlen erzählen davon nichts, sie bilden allenfalls ab, wie sehr sie die Aufgabe fordert. Laut niedersächsischem Justizministerium waren 2018 526 Abschiebungsgefangene in Langenhagen, 162 davon habe die Einrichtung dort für andere Bundesländer im Rahmen der Amtshilfe übernommen.

Zur SZ-Startseite
SPD-Kritik an Seehofers Abschiebe-Plänen

Leserdiskussion
:Was halten Sie vom Geordnete-Rückkehr-Gesetz?

Innenminister Seehofers Gesetz soll die Durchsetzung von Ausweisungen erleichtern. Wer nicht an der Identitätsfeststellung mitwirkt, dem droht Bußgeld oder Abschiebehaft.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: