Mit der Abschiebung von 28 Straftätern nach Afghanistan versucht die Bundesregierung nach schwierigen Wochen, ein Signal der Entschlossenheit in der Migrationspolitik zu setzen. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nannte den ersten Abschiebeflug nach Afghanistan seit der Machtergreifung der radikalislamischen Taliban ein „klares Zeichen“ an Straftäter ausländischer Herkunft. „Wer Straftaten begeht, kann nicht darauf rechnen, dass wir ihn nicht abgeschoben kriegen“, sagte er bei einer Wahlkampfveranstaltung der SPD in der Nähe von Leipzig.
In Sachsen und Thüringen werden an diesem Sonntag die Landtage neu gewählt. Umfragen sagen der AfD, die in beiden Bundesländern als gesichert rechtsextremistisch gilt, ein starkes Ergebnis voraus. Die Parteien der im Bund regierenden Ampelkoalition müssen hingegen mit schweren Verlusten rechnen. Ein wichtiges Thema der Wahlkämpfe ist die Migration. Deshalb dürfte es der Regierung zupass kommen, dass die Abschiebung nach Afghanistan in diese Woche fällt.
Mit dem Flug der katarischen Fluggesellschaft Qatar Airways, über den zuerst der Spiegel berichtet hatte, wurden 28 wegen schwerer Straftaten verurteilte Afghanen nach Kabul abgeschoben. Dies war seit Juni von der Bundesregierung vorbereitet und mit den Bundesländern abgestimmt worden. Nach der Präsentation eines Sicherheitspakets, mit dem die Bundesregierung das Aufenthalts- und Waffenrecht verschärfen und der Polizei neue Befugnisse geben will, ist die Abschiebung nach Afghanistan der nächste Anlauf der Ampel, Handlungsfähigkeit zu demonstrieren.
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Sie tritt damit auch der scharfen Kritik von Oppositionsführer und CDU-Chef Friedrich Merz entgegen. Nach dem Messeranschlag von Solingen mit drei Todesopfern hatte er eine grundlegende Wende in der Migrationspolitik gefordert mit Zurückweisungen von Flüchtlingen an den deutschen Grenzen sowie einem Einreisestopp für Asylbewerber aus Syrien und Afghanistan und Abschiebungen in diese beiden Länder.
Auch Kanzler Scholz und Innenministerin Faeser hatten immer wieder betont, nach Syrien und Afghanistan abschieben zu wollen. Es gebe aber erhebliche praktische Schwierigkeiten, auch weil man mit den islamistischen Taliban nicht verhandeln werde. Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte am Freitag, die Bundesregierung habe die Rückführung über „regionale Schlüsselländer“ erreicht – der Name Katar fiel hier nicht.
Deutschland hatte laut Faeser keinen direkten Kontakt mit Afghanistan
Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung hatte der Sicherheitsberater des Kanzlers, Jens Plötner, Kontakt zur Regierung des Golfemirats aufgenommen, das sich als diskreter Vermittler in Krisengebieten eine wichtige außenpolitische Rolle erarbeitet hat. Katar unterhält Kontakte zu den radikalislamischen Taliban, die im Sommer 2021 nach dem überstürzten Abzug der westlichen Truppen in Afghanistan wieder die Macht übernommen hatten. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) übernahm die Koordinierung mit den Bundesländern, die in Deutschland für Abschiebungen zuständig sind.
Faeser zeigte sich am Freitag nach einer Sondersitzung des Innenausschusses im Bundestag zufrieden mit dem Erreichten. Die Koalition habe nicht nur ein umfassendes Sicherheitspaket vorgelegt. Mit der Abschiebung von 28 Straftätern nach Afghanistan werde auch das Vertrauen von Bürgerinnen und Bürgern in den Rechtsstaat gestärkt. „Ich bin froh, dass wir das mit Partnern vollziehen konnten. Es gab keine direkten Kontakte Deutschlands mit Afghanistan oder den Taliban“, betonte Faeser. Die Bundesregierung plane, solche Rückführungen fortzusetzen.
Faeser wies Kritik zurück, dass den abgeschobenen Afghanen ein Handgeld von 1000 Euro mit auf die Reise gegeben wurde. Dies sei üblich, um zu verhindern, dass Gerichte Abschiebungen kurz vor dem Abflug untersagen, weil die betroffenen Personen im Herkunftsland ohne Existenzgrundlage sind, erläuterte Faeser.
Die Union zeigte sich zufrieden mit der Rückführung. Allerdings dürfe sie kein Einzelfall bleiben. Das Sicherheitspaket der Bundesregierung nannte der innenpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Alexander Throm (CDU), unzureichend. „Uns fehlt die Begrenzung“, sagte er. Deutschland brauche Kontrollen an allen Grenzen, um Asylbewerber zurückweisen zu können. Nötig sei eine „Zuzugsbegrenzung“. Die CSU-Abgeordnete Andrea Lindholz kritisierte die „Trippelschritte“ der Regierung in der Asylpolitik.
Lamya Kaddor, innenpolitische Sprecherin der Grünen, äußerte sich vorsichtig positiv zur Abschiebung nach Afghanistan. Immerhin sei wie von den Grünen gefordert nicht direkt mit den Taliban gesprochen worden. Allerdings habe ihre Partei „schon Bauchschmerzen hinsichtlich der Rechtsstaatlichkeit dieses ganzen Verfahrens“.