Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban vor drei Jahren schiebt Deutschland wieder Menschen nach Afghanistan ab. Weil dort schwere Menschenrechtsverletzungen drohen, sind Vertreter von deutschen Nichtregierungsorganisationen aufgebracht. Die Bundesregierung hingegen verteidigt die Rückführung von 28 afghanischen Straftätern.
„Niemand ist in Afghanistan sicher“, erklärte die Generalsekretärin von Amnesty International Deutschland, Julia Duchrow. Schiebe Deutschland nach Afghanistan ab, bestehe das Risiko, zum Komplizen der Taliban zu werden. Sie verwies auf Hinrichtungen, das Verschwindenlassen von Menschen und Folter in dem Land. Von einer „Bankrotterklärung für den Rechtsstaat“ sprach dabei der flüchtlingspolitische Sprecher von Pro Asyl, Tareq Alaows. „Eine Zusammenarbeit mit den Taliban – auch über Bande – fördert Terrorismus und Islamismus“, sagte er.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hingegen nennt die Abschiebungen „ein klares Zeichen“. Bei einem Wahlkampftermin sagte er: „Wer Straftaten begeht, kann nicht darauf rechnen, dass wir ihn nicht abgeschoben kriegen.“ Der Kanzler zeigte sich zufrieden: „Wir haben angekündigt, dass wir auch Straftäter nach Afghanistan wieder abschieben werden. Das haben wir sorgfältig vorbereitet, ohne groß darüber zu reden.“

Migration:Was über die abgeschobenen Straftäter bekannt ist
Erstmals seit der Machtübernahme der Taliban schiebt Deutschland wieder Afghanen in ihr Heimatland ab. Zu den meisten Männern gibt es nun Details.
Regierungssprecher Steffen Hebestreit teilte mit: „Das Sicherheitsinteresse Deutschlands überwiegt klar das Schutzinteresse von Straftätern und Gefährdern.“ Die Bundesregierung halte deshalb an solchen Rückführungen fest. Bei sämtlichen nun abgeschobenen Afghanen handele es sich um verurteilte Straftäter, „die kein Bleiberecht in Deutschland hatten und gegen die Ausweisungsverfügungen vorlagen“. Auf der Plattform X gab sich Innenministerin Nancy Faeser (SPD) entschlossen: „Unsere Sicherheit zählt, unser Rechtsstaat handelt.“
Vizekanzler Robert Habeck begrüßte die Abschiebung: „Mörder, Islamisten, Vergewaltiger, Schwerkriminelle, die unseren Schutz missbrauchen, müssen das Land verlassen.“ Auch sein Parteifreund Omid Nouripour, Co-Vorsitzender der Grünen, die sich mit Abschiebungen nach Afghanistan eigentlich schwertun, begrüßte die Aktion: Gegenüber Abschiebungen nach Afghanistan „im großen Stil“ zeigte er sich jedoch skeptisch. „Dafür bräuchte es eine direkte staatliche Zusammenarbeit, die mit den Steinzeit-Islamisten der Taliban nicht möglich ist“, teilte er mit. „Dieser Flug darf nicht zu einer Legitimation der Taliban führen.“
Union fordert mehr Abschiebungen
Gleichzeitig sei stets klar gewesen, „dass es technische Möglichkeiten geben kann, in wenigen Fällen Menschen nach Afghanistan zu fliegen“, sagte Nouripour. Regierungssprecher Hebestreit teilte mit, bei der Vorbereitung der Abschiebungen habe die Bundesregierung „regionale Schlüsselpartner um Unterstützung gebeten“. Dabei handelte es sich nach Informationen des Spiegel um das Emirat Katar.
„Wir haben stets gesagt, dass wir Schwerkriminelle in unserem Land nicht wollen und diese keinen Schutz genießen“, sagte Nouripour. Er betonte gleichwohl, dass „unbescholtene Menschen, insbesondere Familien und Kinder, die vor den Radikalislamisten geflohen sind“, in Deutschland Schutz im Rang eines Grundrechts genießen.
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) forderte weitergehende politische Konsequenzen nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag in Solingen. Es müsse offen über noch mehr Rückführungen auch nach Syrien und Afghanistan gesprochen werden.
Herrmann: Hoffentlich nicht nur ein Strohfeuer der Bundesregierung
„Es wurde auch höchste Zeit, dass die Bundesregierung endlich in die Gänge kommt“, sagte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Er sprach von einem ersten wichtigen Schritt und machte Druck: Es müssten nun zügig weitere Rückführungen sowohl nach Afghanistan als auch nach Syrien folgen, erläuterte Herrmann. „Ich hoffe, dass es sich hierbei nicht um ein reines Strohfeuer der Bundesregierung handelt.“
Herrmann stellte sogar den generellen Schutz von Flüchtlingen aus Syrien infrage. Es gebe „keinen vernünftigen Grund mehr, jedem aus Syrien automatisch Schutz zu gewähren“, sagte er und forderte, „dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge neu ankommenden Syrern keinen subsidiären Schutz mehr gewährt“. Außerdem müsse dieser Schutz auch bei Syrern, die sich bereits in Deutschland befinden, infrage gestellt werden, wenn sie „schwere Straftaten begangen haben oder als Gefährder gelten“.