Abkommen zwischen Russland und den USA:Woran die Waffenruhe in Syrien scheitern kann

Abkommen zwischen Russland und den USA: Abkommen in Genf: Mehr als elf Stunden hatte US-Außenminister John Kerry (links) mit seinem russischen Kollegen Sergeij Lawrow verhandelt.

Abkommen in Genf: Mehr als elf Stunden hatte US-Außenminister John Kerry (links) mit seinem russischen Kollegen Sergeij Lawrow verhandelt.

(Foto: AFP)
  • In Genf haben die Außenminister Russlands und der USA am Freitagabend eine Einigung verkündet: Von Montag an sollen in Syrien die Waffen ruhen..
  • Den Syrern würde dies eine Verschnaufpause bringen, humanitäre Hilfe könnte wieder geleistet werden.
  • Umgesetzt wird das Abkommen aber nur, wenn alle Konflitkparteien sieben Tage auf Angriffe verzichten. Die Nusra-Front hat aber ein großes Interesse, es zu torpedieren.

Analyse von Paul-Anton Krüger

Mehr als elf Stunden hatten John Kerry und Sergeij Lawrow in Genf verhandelt, in der Nacht dann kam die Einigung zwischen den Außenministern der USA und Russlands. Die Waffenruhe in Syrien soll wieder hergestellt, der Zugang für humanitäre Hilfe gewährleistet werden.

Die beiden auf unterschiedlichen Seiten des Bürgerkriegs stehenden Mächte wollen dann gemeinsam die Terroristen des Islamischen Staates und der mit al-Qaida verbundenen Nusra-Front (die sich in Fateh al-Sham umbenannt hat) bekämpfen; die Luftwaffe des Regimes von Baschar al-Assad würde nur noch in bestimmten Gebieten fliegen dürfen. Das soll den wahllosen, meist Zivilisten treffenden Bombardements von Gebieten, die von Rebellen gehalten werden, ein Ende setzen.

Den Syrern würde der Plan eine Verschnaufpause während des Eid-Festes bringen, der höchsten muslimischen Feiertage, die am Sonntag beginnen. Das Vorhaben ist angesichts der Lage in Syrien einigermaßen ambitioniert - und greift zugleich doch in entscheidenden Fragen zu kurz.

US-Außenminister Kerry vermeidet das Wort "Waffenruhe"

Nach wochenlangen Verhandlungen (und einem ergebnislosen Treffen der Präsidenten Barack Obama und Wladimir Putin) liegen nun laut Lawrow erstmals fünf Dokumente vor, in denen Amerikaner und Russen ihre Verständigung zu verschiedenen Fragen schriftlich festgehalten haben. Dennoch bemühte John Kerry während der gemeinsamen Pressekonferenz mit Lawrow immer wieder den Konjunktiv; sprach nicht einmal von einer Waffenruhe, sondern nur von einem "Plan zur Reduzierung der Gewalt" oder der "Einstellung der Feindseligkeiten".

Umgesetzt werden wird er nur, wenn alle Konfliktparteien, die von der im Februar in München ausgehandelten Waffenruhe umfasst waren, sieben Tage die Waffen schweigen lassen und auf Angriffe verzichten. Skepsis ist angebracht, denn immer wieder haben vor allem das Regime, aber auch verschiedene Rebellengruppierungen, in der Vergangenheit Feuerpausen gebrochen und dazu benutzt, die nächste Offensive vorzubereiten.

Assads Regime steht militärisch wesentlich stabiler da

Auch dieses Mal wird die Versuchung groß sein: Das Regime steht dank der Intervention Russlands und von Iran gestellten schiitischen Milizen militärisch wesentlich stabiler da als noch vor einem Jahr; gerade haben regierungstreue Einheiten wieder den Belagerungsring um Aleppo geschlossen. Wenn der von Rebellen gehaltene Ostteil der Stadt fällt, wäre Assad seinem Ziel einen großen Schritt näher, die Kontrolle über das Land militärisch zurückzugewinnen.

Die Rebellen hatten - teils Hand in Hand mit Nusra-Kämpfern - in verlustreichen Gefechten die Blockade durchbrochen. Das wiederum hat der Nusra-Front viel Zuspruch von anderen Gruppen gebracht. Sie aber hat - wie auch der Islamische Staat - ein ganz eigenes Interesse, die Waffenruhe zu torpedieren. Sie kann sich dann als syrische Kraft gerieren, die erfolgreich gegen Assad kämpft.

Zugleich bleiben viele entscheidende Fragen offen - technische Details, an denen das Abkommen scheitern kann, aber auch jene nach einer Zukunft in Syrien und einem politischen Übergang.

Problematisch an der Einigung ist vieles

So werden Amerikaner und Russen etwa erst nach den sieben Tagen ein gemeinsames Zentrum einrichten, das festlegen soll, in welchen Gebieten sich Nusra-Kämpfer aufhalten, die dann gemeinsam bombardiert werden sollen. Die geografische Demarkierung dieser Gebiete war immer einer der Hauptstreitpunkte zwischen Russen und Amerikanern.

Auch ist fraglich, wie sich die anderen Rebellen-Gruppen von der Nusra-Front "distanzieren" sollen - militärisch sind sie ihnen meist unterlegen. Kerry hatte in der Vergangenheit selbst zugestanden, dass es äußerst kompliziert sei, die verschiedenen Gruppen am Boden zu unterscheiden. Werden aber weiterhin Rebellen-Gruppen bombardiert, die eigentlich von der Waffenruhe umfasst sind, dürfte sie sehr schnell wieder zu Ende sein, die USA ihren ohnehin schwindenden Einfluss vollends verlieren.

Nicht weniger problematisch ist, dass die Einigung nur die militärische Ebene des Konflikts umfasst. Sie enthält nicht einen neuen Schritt auf dem Weg zu einer politischen Lösung, den die USA und Russland vor bald einem Jahr in Wien vorgezeichnet haben. Mit ihr ist lediglich die Hoffnung verbunden, dass die von den UN vermittelten Friedensgespräche in Genf wieder in Gang kommen könnten. Die dort vertretene Opposition hat sich inzwischen von der Forderung verabschiedet, Assad müsse als Vorbedingung für einen Übergang sofort gehen.

Der letzte Versuch des scheidenden US-Außenministers

Auch die Türkei hält daran nicht mehr fest, seit Präsident Recep Tayyip Erdoğan die Aussöhnung mit dem Kreml sucht. Bei der Frage, wie ein politischer Übergang in Syrien aussehen könnte, haben sich die Parteien aber kaum angenähert. Wie Vermittler Staffan de Mistura weiterkommen soll, ohne dass die USA und Russland sich auf eine gemeinsame Perspektive verständigen, bleibt deren Geheimnis.

Alle Seiten wissen, dass dies der letzte Versuch des scheidenden US-Außenministers war, eine Waffenruhe und eine politische Lösung in Syrien voranzubringen. Alle wissen, dass die Karten neu gemischt werden, wenn dieser Versuch scheitert.

Russland hat sich mit seiner Intervention in eine starke Position gebracht, und Kerry blieb nicht viel, als auf zentrale Forderungen seines Kollegen einzugehen. Die Gefahr ist groß, dass sowohl das Regime als auch Rebellen-Gruppen bereits darauf setzen, in der Zeit nach der US-Präsidentenwahl im November ihre Position entscheidend verbessern zu können oder gar den Konflikt militärisch gewinnen zu können. Dann wird der Krieg in einen weiteren, bitteren Winter gehen.

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