Es sollen weniger Flüchtlinge in Boote steigen, um an den südlichen Küsten der EU anzulanden. So wollen es zahlreiche europäischer Politiker, vor allem aber die Staaten im Süden der EU: Spanien, Italien, Malta oder auch Griechenland. Eines der Hauptinstrumente, um dies zu erreichen, sind Abkommen mit Herkunfts- und Transitländern, in denen die Menschen in die Gummiboote oder maroden Fischkutter steigen, in denen sie über Zäune zu klettern versuchen. Ihr bekommt Geld, Ausrüstung oder andere Vergünstigungen, dafür haltet ihr Flüchtlinge auf, versorgt sie oder nehmt sie zurück - das ist die Logik der Abkommen. Es sind umstrittene Verträge mit Regierungen, die europäischen Anforderungen an Menschenrechte meist nicht gerecht werden. Und doch gibt es mittlerweile zahlreiche dieser Deals.
Für die jüngst sprunghaft gewachsene Zahl von Flüchtlingen, die über die westliche Mittelmeerroute nach Spanien kommen, ist Marokko das Schlüsselland, an der Straße von Gibraltar liegt es nur 14 Kilometer entfernt. Madrid hat nicht weniger als 16 bilaterale Verträge über die Rückübernahme von Migranten geschlossen. Als eines der ersten EU-Länder vereinbarte es bereits 1992 mit einem Nicht-EU-Land ein Abkommen, um illegale Migration zu begrenzen. Marokko lehnte allerdings trotzdem lange die Übernahme von Flüchtlingen aus Drittländern ab, denn es sei nicht sicher, wie sie nach Spanien gelangt seien. Das Abkommen trat erst 2012 in Kraft.
Allerdings kooperieren Marokkos und Spaniens Grenzschützer nun seit Jahren eng, gerade an den Grenzen der Exklaven Ceuta und Melilla, die auf dem afrikanischen Festland liegen. Lange schickte Marokko Migranten an der algerischen Grenze zurück, zudem hält es auf Wunsch der EU Zuwanderer schon im Landesinneren auf. Europa finanziert dafür Sonderkräfte samt Ausrüstung und hat 2013 mit Rabat eine "Mobilitäts-Partnerschaft" vereinbart. Diese vereinfacht die Visavergabe, dafür verpflichtet sich Marokko zur Rücknahme ausgewiesener Migranten auch aus Drittländern. Für Maßnahmen zur Grenzsicherung und Vermeidung von Migration hat das Land in zehn Jahren rund 100 Millionen Euro von der EU erhalten.
Um den Zustrom über die zentrale Mittelmeerroute einzudämmen, setzen europäische Politiker in erster Linie auf Libyen. Doch mit wem soll man dort Verträge schließen? Das Land ist fragil, mit undurchsichtigen Machtverhältnissen, Milizen mischen in der Politik und im Schleusergeschäft mit. Dennoch setzt vor allem Italien auf eine Zusammenarbeit mit Tripolis.
Italien hatte bereits mit Libyens damaligem Diktator Muammar al-Gaddafi 2008 einen Freundschaftspakt besiegelt - Wirtschaftshilfe gegen das Fernhalten von Migranten. Doch Gaddafi stürzte 2011. Anfang Februar 2017 unterschrieben Rom und Tripolis dann ein Memorandum auf Basis der alten Abmachung und zwar noch unter der sozialdemokratisch geführten Regierung in Rom. Darin sind Kooperationen vereinbart, um Migration einzuschränken. Italien trägt vielfältige Hilfe bei, etwa technische Unterstützung und Ausbildung für Beamte, die in Auffanglagern arbeiten, die die Menschen identifizieren und registrieren, die Schleuser und illegale Migration bekämpfen sollen. Ausdrücklich genannt sind Küstenwache und Grenzpolizei, die auch die Südgrenzen Libyens besser sichern sollen. Italien versprach zudem medizinische Versorgung für Flüchtlinge.
Das Abkommen mit der Türkei wirkte sofort und nachhaltig
Immer wieder erheben Flüchtlingsorganisationen schwere Vorwürfe gegen die libysche Küstenwache, sie misshandelten Flüchtlinge oder ließen sie ertrinken. Zudem fehlt es der Truppe Berichten zufolge auch an Grundlegendem wie Booten, Rettungswesten und Treibstoff. Auch hier hat Rom weitere Unterstützung zugesagt.
Als Vorbild der Vereinbarungen mit Drittstaaten gilt vielen das Abkommen der EU mit der Türkei vom März 2016, das die Flüchtlingszuwanderung auf der östlichen Mittelmeerroute stark reduziert hat. Zu den zentralen Punkten gehört, dass nach dem 20. März 2016 irregulär nach Griechenland gelangte Migranten auf Kosten der EU zurück in die Türkei abgeschoben werden, wenn sie nicht Asyl beantragen. Des Weiteren wurde ein Tauschsystem vereinbart: Für jeden Syrer, der wieder in die Türkei gebracht wird, übernimmt die EU einen Syrer aus der Türkei. Diese sagte zu, alles zu tun, um an ihren Grenzen illegale Einwanderung in die EU zu verhindern. Dafür wurden der Türkei drei Milliarden Euro versprochen, inzwischen sind weitere drei Milliarden dazugekommen. Das Geld geht in die Flüchtlingshilfe, nicht in Ankaras Haushalt. Andere Gegenleistungen betrafen eine Liberalisierung der Visumpflicht für Türken, die Modernisierung der Zollunion und den Beitrittsprozess in die EU - was allerdings stockt. Das Abkommen wirkte sofort und nachhaltig. Zählte man 2015 auf der Route noch 885 000 Flüchtlinge, so kamen im ersten Halbjahr 2018 lediglich etwa 24 300 Menschen.