Lupenrein rechtsstaatlich ist es nicht, wenn der Staat Steuerbetrüger-CDs ankauft. Bei den Daten auf diesen CDs, den Daten von steuerflüchtigen Bankkunden, handelt es sich nun einmal um gestohlene Daten. Und der rechtsstaatliche Kernsatz, dass der Zweck und der Erfolg nicht die Mittel heiligen, gilt auch dann, wenn der Erfolg so grandios ist wie bei diesen Steuerhinterzieher-CDs. Der Staat stützt sich hier auf kriminelle kleine Geschäftemacher, um kriminellen großen Geschäftemachern auf die Spur zu kommen. Aber so richtig empören kann man sich darüber nicht, weil es noch viel empörender ist, wenn sich Steuerhinterzieher hinter ausländischen Banken verstecken können; da murrt das Gerechtigkeitsgefühl nicht nur, es rebelliert.
Der Ankauf der Steuerhinterzieher-CDs mit den strafrechtlichen Folgen, die sich für Zumwinkel & Co. daraus ergeben haben, hat mehr zur Gerechtigkeit im Strafrecht beigetragen als die Reden aller Justizministerinnen und Justizminister in den letzten vier Legislaturperioden zusammengenommen. Seit dem Ankauf dieser CDs ist der alte Vorwurf verstummt, die Justiz sei eine Klassenjustiz.
Natürlich hat sich kaum etwas daran geändert, dass in den Gefängnissen zwar Ladendiebe, Handtaschenräuber, Betrüger und Bankräuber sitzen, aber kaum Steuerräuber - obwohl das Steuergeld, das sie dem Staat vorenthalten haben, das x-Tausendfache der Vermögensschäden ausmacht, deretwegen die Diebe und Betrüger eingesperrt sind. Aber das Grundgefühl, dass das Strafrecht immer nur nach einer Seite hängt, hat sich gelegt. Es stimmt nicht mehr, dass die Staatsanwälte nach unten treten und nach oben buckeln; ein Symbol dafür war und ist der Ankauf der CDs.
Umso ärgerlicher ist der Vertrag, den Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mit der Schweiz geschlossen hat. Dieser Vertrag ist ein goldener Teppich für Steuerhinterzieher. Er macht es ihnen leicht, sehr leicht. Dieser Vertrag ermöglicht es, dass sich Steuerhinterzieher billig freikaufen können; eine Selbstanzeige, bisher der probateste Weg zur Straflosigkeit, wäre sehr viel teurer. Und der Vertrag lässt diejenigen am günstigsten wegkommen, die am hemmungslosesten hinterzogen haben. Nach diesem Vertrag bleiben die Steuerhinterzieher nicht nur straffrei, sondern auch noch anonym; sie zahlen inkognito: Ihre Schweizer Bank wickelt rückwirkend die pauschale und gnädige Nachversteuerung des Schwarzgeldes für sie ab. Zugleich sieht der schäfchenweiche Vertrag vor, dass der Staat künftig keine Steuerhinterzieher-CDs mehr ankauft; sie werden aus dem Rechtsverkehr gezogen.
Dieser Vertrag schmeckt irgendwie nach Strafvereitelung im Amt. Er unterläuft im Übrigen die Bestrebungen der EU, die Besteuerung von Spareinlagen im Ausland zu verschärfen; die geplante neue EU-Zinssteuerrichtlinie wird sabotiert. Und der Vertrag beleidigt das allgemeine Gerechtigkeitsgefühl. Es handelt sich um eine verkappte Amnestie.