Skandal bei "News of the World":Medien mauscheln, Politik pariert

Es ist ein böses Bündnis: Viele britische Politiker blicken mit Abscheu auf die Medien des Rupert Murdoch, doch sie suchen auch deren Nähe. Denn der verachtete Medienmogul nutzt seine Marktmacht zur Stimmungsmache, er lehrt die Politik das Fürchten. Der Abhörskandal um die "News of the World" könnte diese korrupte Allianz entlarven. Auch die Politik wird einen Preis zu zahlen haben.

Stefan Kornelius

Der britische Telefon-Abhörskandal gärt seit fünfeinhalb Jahren, hat aber erst jetzt eine Dimension erreicht, die politisch gefährlich ist. Allein diese lange Reifezeit deutet darauf hin, dass es sich nicht um isolierte Abhöraktionen einzelner Journalisten und Privatermittler handelt, sondern dass in dieser Affäre auch vertuscht, verschleiert und bestochen wurde.

File photo of News Corporation CEO Murdoch attending the eG8 forum in Paris

Alle Regierungen funktionierten nach dem gleichen Reflex: Es geht der britischen Politik um die Gunst von Verleger Rupert Murdoch und seiner Blätter.

(Foto: Reuters)

Jetzt stellt sich heraus, dass Boulevard-Journalisten, ihre Vorgesetzten, Polizisten und Politiker in einem stinkenden Sumpf sitzen, in dem abgehört und erpresst wird. Die Radikalentscheidung zur Einstellung der Profitablen News of the World nährt diesen Verdacht nur.

Politisch wird die Angelegenheit nicht nur deshalb, weil Premierminister David Cameron zwei Schlüsselfiguren der Affäre, dem früheren Chefredakteur des Boulevardblattes und dessen Nachfolgerin, vertraut und deren Nähe sucht. Das allein zeugt nur von schlechtem Urteilsvermögen.

Die Verbindung ist Beleg für mehr: Viele britische Politiker und Teile des britischen Medienbetriebs pflegen eine unselige Allianz, die das einst vorbildliche demokratische Gemeinwesen ausgehöhlt und die politische Auseinandersetzung auf tiefstes Niveau gedrückt hat.

Begonnen hat diese Mesalliance 1968, als der australische Zeitungsverleger Rupert Murdoch die Wochenzeitung News of the World kaufte und binnen weniger Jahre den Zeitungsmarkt aufrollte. Murdochs Marktmacht und seine politische Kampagnenbereitschaft haben die britische Politik nachhaltig verändert. Selbst wenn britische Politiker heute öffentlich mit Abscheu auf die Medien des Landes schauen, so suchen sie im Stillen doch die Nähe und das Geschäft gerade mit den Murdoch-Blättern.

Der Abhörskandal könnte diese verlogene und korrupte Allianz entlarven. Dabei hat Premier Cameron lediglich Pech, dass die Straftaten in seiner Amtszeit enthüllt werden. Wenn Ermittlungen behindert, Opfer geschmiert und Nachfragen vermieden wurden, dann auch schon während der Labour-Regentschaft von Gordon Brown und wohl auch von Tony Blair. Alle Regierungen funktionierten nämlich nach dem gleichen Reflex: Es geht der britischen Politik um die Gunst von Murdoch und seiner Blätter. Wenn der Tycoon seine Unterstützung dem anderen Lager schenkt, dann darf dies in Großbritannien als Aufforderung zum Machtwechsel interpretiert werden.

Murdoch, seine Marktmacht und seine plumpe Lust an der politischen Teilhabe entspringen einem trivialen Motiv: Der verachtete und ungewollte Eindringling in den britischen Markt heischt nach Respekt und lehrt das Fürchten. Murdoch verlangt nach einer mächtigeren Rolle im Staatsgefüge, als sie einem Verleger zusteht. Und im Gefühl der Unangreifbarkeit gedieh in seinem Konzern ein Klima der Gesetzlosigkeit, in dem Mitarbeiter nicht davor zurückschreckten, etwa mit dem Schicksal entführter Kinder zu spielen. Die britische Politik deckte diese Zustände - und wird nun einen Preis dafür zu zahlen haben.

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