Abhörskandal in Großbritannien:Risiko: Regierungssprecher

Camerons Entscheidung, den vormaligen Murdoch-Mann Andy Coulson zum Kommunikationschef zu machen, könnte den britischen Regierungschef weiter in Bedrängnis bringen: Laut Guardian soll Coulson bei seiner Anstellung in Camerons Büro weniger streng als üblich auf seinen persönlichen Hintergrund überprüft worden sein. Liberalen-Chef Nick Clegg geht öffentlich auf Distanz zum Premier.

Christian Zaschke, London

Der Mittwoch hatte Premier David Cameron und zum Teil dem Oppositionsführer Ed Miliband gehört, am Donnerstag schuf sich Nick Clegg eine Bühne. Der Chef der Liberaldemokraten, die mit den Tories eine Koalitionsregierung bilden, gab eine ausführliche Pressekonferenz, die er mit den Worten eröffnete: Er wolle den größten Teil seiner Zeit dem "wichtigsten Thema von allen" widmen. Da er schon so plakativ begann, war klar, dass er nicht den Abhörskandal meinte. Clegg präsentierte seine Pointe dennoch engagiert: "der Wirtschaft". Anschließend sprach er erst einmal über den Abhörskandal.

Andy Coulson

Camerons früherer Kommunikationschef Andy Coulson: Es ist fraglich, ob der ehemalige News-of-the-World-Chefredakteur einen rigorosen Sicherheitstest bestanden hätte.

(Foto: AP)

Die LibDems sind bei dem Thema früh auf Distanz zu David Cameron gegangen, Clegg hegte von Beginn an Vorbehalte gegen Andy Coulson, den früheren Chef der Zeitung News of the World, der 2007 Sprecher der Konservativen wurde und 2010 Regierungssprecher. Im Januar trat Coulson zurück, derzeit ermittelt die Polizei gegen ihn; es geht darum, ob er als Zeitungschef von den illegalen Abhöraktionen seiner Mitarbeiter wusste. Die New York Times hatte das bereits im September 2010 nahegelegt und sich auf mehrere Zeugen berufen, darunter der Anfang der Woche verstorbenen, ehemalige News-of-the-World-Reporter Sean Hoare.

Clegg, der über Wirtschaft sprechen wollte, sprach bestens vorbereitet über die Affäre: "Wir haben jetzt eine Gelegenheit, wie sie nur einmal in einer Generation kommt: Wir können wirklich aufräumen mit den dunklen Praktiken, mit den zwielichtigen Beziehungen, die sich im Herzen der britischen Gesellschaft zwischen Presse, Politikern und Polizei entwickelt haben." Das könnte seiner Ansicht nach sogar eine veränderte Gesetzgebung bedeuten, denn er führte aus: "Diese Gelegenheit gibt uns die unabhängige, von einem Richter geleitete Untersuchungskommission. Wir müssen auf Vorschläge der Kommission schnell reagieren, und wenn nötig, mit Gesetzen." Cameron hatte die Kommission eingesetzt.

Auch im Anschluss kam Clegg nicht dazu, über sein wichtigstes Thema zu reden, was allerdings an den Fragen lag, die ihm gestellt wurden. Wie er denn des Premierministers Beziehung zu Andy Coulson beurteile? Clegg ist das bereits hundert Mal gefragt worden, vielleicht öfter. Wie so oft sagte er, die LibDems übten sich ganz allgemein in "Zweifel und Zurückhaltung" bezüglich der Nähe von Politik und mächtigen Medien.

Das klingt etwas verschwurbelt, bedeutet aber einfach: Clegg hatte schon immer etwas dagegen, dass Cameron den vormaligen Rupert-Murdoch-Mann Andy Coulson zum Regierungssprecher gemacht hat, aber er wird seinen Koalitionspartner nicht öffentlich kritisieren. Immerhin fügte er später noch an: "Es war David Camerons Entscheidung, und er sagte sehr offen, dass er die Verantwortung dafür übernehmen würde."

Der Guardian, das führende Enthüllungsblatt in der Affäre, veröffentlichte am Donnerstag neue Informationen über Coulson. Demnach hatte dieser nur eine mittlere Sicherheitsfreigabe. Das ist für einen Mann, der in Downing Street Number 10 arbeitete, mindestens bemerkenswert. Mit mittlerer Sicherheitsfreigabe hätte Coulson streng genommen nur an wichtigen Sitzungen teilnehmen können, wenn die anderen Teilnehmer darauf hingewiesen worden wären, dass hier einer sitze, der nicht voll überprüft ist - oder er hätte sonst fernbleiben müssen. Angemessen für einen Regierungssprecher wäre die "fortgeschrittene Überprüfung" (developed vetting). Das hätte bedeutet, dass Coulson sich ausführlichen Befragungen durch Ermittler der Regierung hätte unterziehen müssen, die zudem sein komplettes Leben durchleuchtet hätten auf der Suche nach etwas, das ihn belasten oder kompromittieren könnte.

Es ist fraglich, ob ein ehemaliger Chefredakteur einer Boulevardzeitung, der gehen musste, weil seine Mitarbeiter Handys hackten, diesen rigorosen Test bestanden hätte. Interessant in diesem Zusammenhang erscheint, dass Cameron am Mittwoch im Unterhaus sagte, Coulson sei von einer Firma überprüft worden. Er weigerte sich jedoch, auch bei mehrmaligem Nachfragen, den Namen der Firma zu nennen. Stattdessen wiederholte er mehrmals, er habe Coulson "eine zweite Chance" gegeben. Laut mehreren Quellen hat dazu ein nicht namentlich genanntes Mitglied des Oberhauses gesagt: "Er ist der Premierminister und nicht ein verdammter Bewährungshelfer."

Da das Parlament jetzt im Urlaub ist, hat Cameron die Hoffnung, dass es etwas ruhiger wird um ihn und seine Nähe zu den Murdoch-Menschen. Er hat bereits am Mittwoch den gleichen Hinweis wie Clegg versucht: Andere Themen seien wichtig, Jobs, die Wirtschaft. Da ist durchaus etwas Wahres dran, und immerhin haben beide, Cameron und Clegg, nicht so ein dreistes und plumpes Manöver versucht wie das Murdoch-Blatt The Sun, das am Donnerstag über einen Text zur Dürre in Somalia die Zeile setzte: "UN: Vergesst das Hacken. Kinder hungern!"

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