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Abhörskandal in Großbritannien:Cameron und die Pharisäer

Die Verquickung des Premiers mit den Anliegen des Medienunternehmers steht im Zentrum des Interesses: Hat Cameron Einfluss genommen auf Murdochs Übernahmepläne im Privatfernsehgeschäft? Ist er beteiligt an der Kampagne gegen die konkurrierende BBC? Das ließ sich in einer kurzen Parlamentsdebatte nicht klären - auch weil die Opposition genauso intime Beziehungen zu Murdoch pflegt.

Stefan Kornelius

Auch nach der Debattenschlacht im Unterhaus bleiben Vorwürfe an den Premierminister, die David Cameron gar nicht beantworten kann. Diese Vorwürfe lassen sich nur in den Ermittlungen klären. Oder es kommt eben der Zufall zu Hilfe, der bei Skandalen dieser Größenordnung oft um die nächste Ecke lauert.

Im Zentrum des Interesses steht die Verquickung des Premiers mit den Geschäftsinteressen des Medienunternehmers Murdoch. Hat Cameron also Einfluss genommen auf die Übernahmepläne Murdochs im britischen Privatfernsehgeschäft? Ist er beteiligt an der Kampagne gegen die öffentlich-rechtliche BBC, den größten Konkurrenten des Medienmagnaten? Cameron bestreitet eine unlautere Verbindung. Es bleibt also zunächst bei der Unterstellung.

Keine Unterstellung ist es, dem Premier mangelnde Sensibilität bei der Einstellung seines Medienberaters Andy Coulson zu attestieren, der zu diesem Zeitpunkt schon skandalbelastet war. Cameron windet sich und sagt, Coulson habe ihm seine Unschuld beim Abhörskandal beteuert, daran glaube er noch immer. Das ist natürlich ein albernes Argument, denn gegen Coulson lagen schon lange ausreichend viele Verdachtsmomente vor, die ihn für eine Position in der Downing Street diskreditierten.

Für die meisten im britischen Parlament gilt die alte Pharisäer-Mahnung: Wer ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein. Deswegen verlässt Cameron das Unterhaus relativ unbeschadet. Denn auch die Opposition hat mit den Murdochs ihr Geschäft gemacht. Ja, in allen Lagern herrschte viel zu große Intimität zwischen Politik und Medien. Das ist der Kern des Problems, das sich nicht in einer Unterhausdebatte klären lässt.

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SZ vom 21.07.2011/olkl
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