Für US-Präsident Donald Trump war der Mittwoch der Höhepunkt seiner kurzen Amtszeit. Am Vorabend hatte er zu beiden Kammern des US-Kongresses gesprochen und liberale wie konservative Kommentatoren sprachen von seiner "besten Rede" und attestierten dem Republikaner, dass er "im Amt des Präsidenten angekommen" sei.
Diese Mischung aus Euphorie (konservative Hälfte des Landes) und etwas Respekt (progressive Hälfte des Landes) hatte Trump ausgelöst, indem er - für seine Verhältnisse - wenige falsche Fakten verbreitet hatte und etwa Medien nicht als "Volksfeinde" bezeichnet hatte. Er rief die Demokraten zur Zusammenarbeit auf und sagte: "Die Zeit der trivialen Kämpfe liegt hinter uns."
Drei Tage später ist die Überparteilichkeit verschwunden, und auch um Sachpolitik geht es nicht. Trump zettelt von seinem Mar-A-Lago-Privatklub in Florida via Twitter in bewährter Manier viele Kämpfe an. In die Kategorie "Triviales" fällt, dass er über Arnold Schwarzenegger spottet, der als Moderator von Trumps einstiger Reality-TV-Show "Celebrity Apprentice" abtreten wird ( "armselige Einschaltquoten"). Solche Kommentare mögen viele als unwürdig für einen Präsidenten ansehen, doch um diese Privatfehde geht es nicht an diesem Wochenende.
Viel schockierender ist, dass Trump am Samstagmorgen in vier Tweets Barack Obama vorwirft, dieser habe angeordnet, die Telefone im "Trump Tower"-Hochhaus abzuhören. Trump nennt keine Belege für seine Anschuldigungen und den Vergleich zwischen Obama und Richard Nixon, der wegen der Watergate-Abhöraffäre zurücktreten musste. Im Laufe des Samstags weist ein Obama-Sprecher die Aussagen kategorisch zurück - und es werden neue Details bekannt.
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Demnach sind weder Stabschef Reince Priebus noch Chefberater Steve Bannon mit Trump nach Florida gereist - die Tweets am frühen Morgen tippte der mächtigste Mann der Welt also offenbar ohne Rücksprache. Wie so oft ermöglicht @realDonaldTrump den besten Einblick in Trumps Seelenleben. Die Tweets machen deutlich, dass der 45. US-Präsident weiter weder Konzepte noch Selbstdisziplin hat.
Trump will ablenken - und attackiert wieder Obama
Dass Trump Twitter liebt und gezielt einsetzt, ist bekannt. Um von unangenehmen Themen abzulenken, hat er im Wahlkampf oft provoziert und attackiert. Dies könnte hinter den Obama-Watergate-Tweets stecken. Aus Trumps Sicht scheint alles besser zu sein, als Fragen nach Kontakten zwischen ihm, seiner Familie und seinen Ministern zur Regierung Russlands beantworten zu müssen. Die Nachricht, dass Justizminister Sessions über Treffen mit Moskaus Botschafter gelogen hat, beendete am Mittwochabend Trumps Kurzzeit-Hoch.
Ebenso wenig verwundert, dass Trump nun Obama attackiert. Seine Polit-Karriere begann damit, dass der Geschäftsmann als oberster "Birther" anzweifelte, dass Obama in den USA geboren wurde und somit rechtmäßiger Präsident sei. Trump setzt Verschwörungstheorien ebenso gerne ein wie falsche Zahlen - und er weiß, wie verhasst der Demokrat bei der republikanischen Basis ist (hier wird Trumps Twitter-Sturm gut ankommen, nach dem Motto "Er verteidigt sich nur").
Zuletzt meldete die New York Times (NYT), dass Mitarbeiter Obamas im Januar dafür sorgten, dass möglichst viele Informationen über russische Einflussnahme auf die Wahl und Kontakte zwischen Trump-Mitarbeitern und Moskau publik wurden. Ob Obama darüber informiert wurde, ist fraglich - aber Trump setzt stets auf Personalisierung und ein Artikel bei Breitbart News reicht ihm als Quelle aus.
Die Journalisten Maggie Haberman und Robert Costa haben die besten Kontakte ins Trump-Lager und berichten übereinstimmend, wie unzufrieden der neue Präsident ist. Haberman schreibt in der NYT, dass Trump das Gefühl habe, das Weiße Haus befinde sich "im Belagerungszustand".
Es habe ihn zwar irritiert, dass Sessions so schlecht auf seine Aussage unter Eid vorbereitet war, doch Trumps Frust hat vor allem andere Gründe: In seinen Augen tut sein Team zu wenig, um die "Hexenjagd" gegen ihn und sein Team zu beenden. Bevor er nach Florida flog, habe sich der US-Präsident wütend bei Mitarbeitern des Weißen Hauses beschwert, dass die Vorwürfe gegen Sessions "Bullshit" seien und der Justizminister einen Fehler gemacht habe, indem er versprach, sich von Ermittlungen zum russischen Einfluss auf die US-Wahl fernzuhalten.
Der Russland-Komplex verschwindet nicht
Nichts spricht dafür, dass Trumps Ärger weniger wird: Nahezu täglich weitet sich der Russland-Komplex aus und es kommt zu neuen Fragen über die Kontakte und Gespräche des Trump-Teams mit russischen Diplomaten. Es ist gerade das permanente Abstreiten und Ausweichen, dass viele Demokraten und unabhängige Beobachter skeptisch macht: Trumps erster Sicherheitsberater Michael Flynn ( mehr zu seinem Rücktritt) kam ebenso wie Sessions in Schwierigkeiten, weil er nicht von Beginn an transparent und ehrlich war.
US-Medien wie die Washington Post dokumentieren viele Widersprüche: Während Trump-Sprecherin Hope Hicks im Wahlkampf sowohl Russlands Einmischung auf die Wahl als auch jegliche Gespräche mit russischen Offiziellen leugnete, hatte Moskaus Vize-Außenminister Sergej Rjabkow nach Trumps Sieg erklärt: "Es gab Kontakte, wir kennen die meisten Leute aus seinem Umfeld." Dass das Weiße Haus nun bestätigen musste, dass auch Jared Kushner, Trumps Schwiegersohn und Top-Berater, im Dezember den russischen Botschafter traf, wird die oppositionellen Demokraten nur ermuntern, Trump weiter vorzuwerfen, etwas zu verbergen.
Trump versteht das politische System nicht
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Schon am Freitag hatte sich angedeutet, dass Trumps Ruf nach überparteilicher Zusammenarbeit und einem Ende der "trivialen Kämpfe" nicht wirklich ernst gemeint war. Seine mangelnde Selbstdisziplin zeigte sich da in Attacken auf die beiden mächtigsten Demokraten im Kongress: Trump forderte in Tweets Ermittlungen gegen die Abgeordnete Nancy Pelosi und Senator Chuck Schumer, weil diese auch "angeblich" enge Beziehungen zu Russland und Präsident Putin hätten.
Als Beleg postete er alte Fotos, die seit Tagen auf rechten Websites kursieren, um die Demokraten als verlogen darzustellen - dabei haben weder Schumer noch Pelosi das FBI belogen (wie Flynn) oder wie Sessions unter Eid eine Falschaussage gemacht. Diese Angriffe offenbaren aber, dass Trump noch immer nicht versteht, wie das politische System der USA funktioniert: Die Demokraten sind zwar in der Minderheit, doch sie können im Kongress viel verschleppen - und gerade im Senat brauchen Trump und die Republikaner mindestens acht Demokraten. Indem er Schumer und Pelosi auf diese Weise angreift, macht sich der neue Präsident das Leben unnötig schwer.
Am Samstag sollte Trump noch ein Briefing seines Nationalen Sicherheitsrats erhalten; anschließend war ein Abendessen mit Chefberater Bannon, Jeff Sessions und anderen Ministern geplant. Es ist also nicht ausgeschlossen, dass sich der US-Präsident am Wochenende nochmals zu seinen jüngsten Attacken auf Obama äußert.
Dann wird sich zeigen, ob der US-Präsident zwischenzeitlich etwas Selbstdisziplin gefunden hat - oder ob ihn seine Berater dazu bringen konnten, sich wieder staatsmännischer zu geben. Der halbwegs gute Eindruck nach seiner Kongress-Rede ist auf alle Fälle wieder dahin.