Abgeordnetenhaus - Berlin:Corona-Maßnahmen-Kritik: Müller bleibt bei Einschränkungen

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Michael Müller, der Regierende Bürgermeister von Berlin. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa (Foto: dpa)

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Berlin (dpa/bb) - Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hat mit Blick auf die angelaufenen Impfungen gegen das Coronavirus vor zu großen Hoffnungen auf eine schnelle Rückkehr zur Normalität gewarnt. "Es wird Monate dauern, bis wir den Impfstoff verimpfen können", sagte der SPD-Politiker am Donnerstag in einer Regierungserklärung im Abgeordnetenhaus. "So gut es ist, dass wir jetzt den Impfstoff haben, so viel Hoffnung wir zurecht daran knüpfen, so klar muss uns doch noch sein, was vor uns liegt."

Es werde eine Zeit nach der Pandemie geben, und die sei jetzt "in greifbarer Nähe", sagte Müller. "Wir haben eine Perspektive, dass sich die Situation in den nächsten Monaten normalisieren wird." Umso mehr gelte jetzt: "Wir können und dürfen jetzt nicht aufgeben. Stay at home bleibt auch in den nächsten Wochen oberste Maßgabe." Es sei weiter wichtig, sich an die Regeln und Beschränkungen im Lockdown zu halten. "In den nächsten Wochen und Monaten wird das leider nach wie vor eine Rolle spielen", erklärte Müller.

Die Opposition übte in der Sondersitzung des Parlaments derweil harsche Kritik an der beschlossenen Verlängerung des Lockdowns bis zum 31. Januar. "Wer keine echten Konzepte gegen das Virus hat, ruft Lockdown", sagte AfD-Fraktionschef Georg Pazderski. "Immer lauter, immer heftiger und wahrscheinlich wirkungslos wie immer." Statt auf Faktenbasis zu entscheiden, werde Angst geschürt und mit immer neuen Verboten experimentiert. Auch FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja meinte, der Senat habe keine langfristige Strategie gegen die Corona-Pandemie und hangele sich von Lockdown zu Lockdown. Die Einschränkung von Freiheitsrechten sei unverhältnismäßig.

CDU-Fraktionschef Burkard Dregger warf dem Senat mangelnde Unterstützung der Wirtschaft und erhebliche Versäumnisse in der Schulpolitik vor. "Die Bildungssenatorin hatte versprochen, unsere Schulen seien gut vorbereitet." Tatsächlich sei das aber im Hinblick auf das Homeschooling während der Schulschließungen nicht der Fall. Dregger kritisierte auch die vom Senat beschlossene schrittweise Rückkehr zum Präsenzunterricht in den Schulen ab 11. Januar. Dies geschehe "im Unwissen über die Virusmutationen und in Unkenntnis des Infektionsgeschehens während der Feiertage."

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Silke Gebel hält das hingegen für richtig. "Jeder Tag Schulschließung ist ein Tag mehr, an dem wir riskieren, dass Kinder und Jugendliche zurückbleiben", sagte sie. "Jeder Tag Lockdown bedeutet ein weiterer Tag, an dem die Schere zwischen denen, die lernen können, und denen, die nicht lernen können, größer wird." Begleitet werden müsse die Schulöffnung durch kostenlose Schnelltests für Lehrer sowie kostenlose FFP2-Masken und Luftfilteranlagen in allen Bildungseinrichtungen.

Linke-Fraktionschef Carsten Schatz nannte die Kombination aus Schulöffnung und Verschärfung der Kontaktbeschränkungen für private Treffen widersprüchlich. Es sei "wenig überzeugend", bis 31. Januar faktisch zu untersagen, dass sich Kinder treffen dürfen, aber gleichzeitig wieder den Präsenzunterricht zu starten. Auch Gebel nannte die ab Sonntag geltende Regel für private Treffen - eigener Hausstand plus maximal eine Person - falsch. Konkret wünscht sie sich, dass Kinder dabei wie bisher generell nicht mitgezählt werden, also noch dazukommen dürfen. Hier müsse nachgesteuert werden. Nach der neuen Regel dürfen nur Alleinerziehende ihre Kinder mitbringen.

In Zukunft will das Abgeordnetenhaus bei Entscheidungen des Senats im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie stärker mitreden. Alle Fraktionen mit Ausnahme der AfD verständigten sich auf einen gemeinsamen Entwurf für ein "Covid-19-Parlamentsbeteiligungsgesetz". Der Gesetzentwurf, der zunächst im zuständigen Ausschuss weiterberaten werden soll, sieht unter anderem vor, dass bestimmte Maßnahmen zum Infektionsschutz künftig nur nach Zustimmung des Parlaments in Kraft treten.

In einem weiteren Antrag der Koalitionsfraktionen wird gefordert, die Menschen so schnell wie möglich gegen das Coronavirus zu impfen. Ein Weg, um schneller Impfstoffe zu produzieren, könne eine Lizenzvergabe auch an Firmen sein, die die Vakzine nicht entwickelt haben. Linke- Fraktionschef Schatz sprach in dem Zusammenhang von einer "Vergesellschaftung der Produktion der zu einem großen Teil mit öffentlichen Mitteln entwickelten Impfstoffe".

Müller verlangte mehr Solidarität der Wirtschaft, vor allem mehr Home-Office-Angebote. "Ich glaube, dass die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ihre Verantwortung und Verpflichtung im Zusammenhang mit der Pandemiebekämpfung deutlich stärker wahrnehmen müssen als bisher", sagte er. Überall, wo es nicht direkt um Dienstleistungen für Bürger oder direkte Produktionsabläufe gehe, müsse es möglich sein, Mitarbeiter zu Hause arbeiten zu lassen. Wer hier jetzt nicht reagiere, gefährde Menschen und verlängere den Lockdown, sagte Müller. "Und er ist schlichtweg unsolidarisch."

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