Abgeordnete im Europaparlament:Was machen die eigentlich?

Vom 4. bis 7. Juni wird das Europaparlament gewählt: In welchen Bereichen die Abgeordneten mitreden - und wie groß ihr Einfluss ist. Ein Überblick in Bildern.

Irene Helmes

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Parlament in Straßburg, ddp

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Was MACHT Straßburg?

Zwischen dem 4. und 7. Juni sind etwa 375 Millionen Wahlberechtigte in der Europäischen Union dazu aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Mit Kampagnen wollen die EU und einzelne Parteien die Bürger zur Stimmabgabe motivieren - denn die Beteiligung ist traditionell gering. Obwohl die Abgeordneten auf viele Bereiche der Politik in Europa großen Einfluss haben - ein Überblick in Bildern.

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Texte: Irene Helmes/plin/cmat

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Was tun mit 116 Milliarden Euro?

Wer verwaltet die vielzitierten "Milliarden, die nach Brüssel fließen"? Der Ministerrat und das Europäische Parlament legen jährlich einen Haushaltsplan fest. Eigene Steuern erhebt die EU nicht, stattdessen finanziert sie sich aus Zöllen, Abschöpfungen aus Agrarimporten und Geld aus den einzelnen Mitgliedsstaaten.

Das Europäische Parlament und der Rat der Finanzminister diskutieren den Haushaltsentwurf der Kommission und nehmen Änderungen vor. Bei obligatorischen Ausgaben wie im Agrarsektor ist der Einfluss der Abgeordneten begrenzt - insgesamt jedoch stellt das Budgetrecht eine der wichtigsten Aufgaben des Parlaments dar.

Der EU-Haushalt sieht für das Jahr 2009 Ausgaben von rund 116 Milliarden Euro vor. Ob das Geld eher in Europas Infrastruktur, in den Umweltschutz oder die Stärkung der Forschung, eher in die Agrarwirtschaft oder in Entwicklungshilfe investiert wird, darauf können die Bürger mit der Wahl der Parlamentarier Einfluss nehmen.

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Profit machen oder die Welt retten?

Dass Nationalstaaten alleine wenig gegen den Klimawandel und die Verknappung natürlicher Ressourcen ausrichten können, ist längst eine Binsenweisheit. Die EU hat sich der Umsetzung des Kyoto-Protokolls verpflichtet. 2005 wurde das System des Emissionszertifikatehandels ETS eingeführt, zudem wird auf die Förderung neuer Technologien gesetzt.

Seit 2007 tagt im Straßburger Parlament ein nichtständiger Ausschuss zum Klimawandel. Die Finanz- und Wirtschaftskrise bringt jedoch Nationalstaaten und die EU in ein Dilemma - Maßnahmen gegen den Klimawandel werden verstärkt gegen ihre Konsequenzen für die Industrie abgewogen.

Im Dezember 2008 stimmte das Parlament mit überwältigender Mehrheit für den Kompromiss des Europäischen Rats. Das Ziel einer Verminderung der Treibhausgas-Emissionen um 20 Prozent bis 2020 wird aufrechterhalten, für die Industrie wurden aber erhebliche Erleichterungen beschlossen. Tendenziell hat sich das Parlament in den letzten Jahren meist für strengere Regeln zum Klimaschutz ausgesprochen als Rat oder Kommission.

Greenpeace-Protest gegen Kohlekraftwerke/ Foto: dpa

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Wer darf rein, wer muss raus?

Die EU schätzt, dass aktuell zwischen vier und acht Millionen Einwanderer ohne Genehmigung innerhalb ihrer Grenzen leben und arbeiten. Die Staatengemeinschaft sieht sich in einem Dilemma: Während viele Mitgliedsländer immer stärker unter Überalterung und Fachkräftemangel leiden, schüren gerade rechte Parteien bei Wählern Angst vor Einwanderern. Diese wiederum haben keinen Zugang zum Gesundheitssystem, sind nicht rentenversichert und geraten leicht in Ausbeutungsverhältnisse.

Die EU arbeitet vor diesem Hintergrund an einer gemeinsamen Einwanderungspolitik. So sieht eine vom Parlament verabschiedete Richtlinie Strafen für Arbeitgeber von Personen ohne Papiere vor. Für die Beschäftigten sollen rückwirkend Sozialbeiträge, Steuern und finanzieller Ausgleich von Dumpinglöhnen fällig werden. 2011 wird eine Rückführungsrichtlinie in Kraft treten, die unter anderem die Abschiebehaft auf höchstens sechs Monate begrenzt und fünfjährige Wiedereinreise-Verbote ermöglicht.

Umgekehrt hat das Parlament der Einführung einer "Blue Card" zugestimmt. Diese soll als europaweite Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis Fachkräfte mit Universitätsabschluss oder fünfjähriger Berufserfahrung in die EU locken.

Die Frage, wie die Einwanderungspolitik der Zukunft aussehen soll, wird die Parlamentarier in der nächsten Legislaturperiode maßgeblich beschäftigen.

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Wie gesund können wir leben?

Gesundheitsvorsorge und Arzneimittelinformation, Lebensmittelsicherheit und Biotechnologien - die EU nimmt auf viele Themen Einfluss. Das Parlament ist in den Bereichen Umweltpolitik und Gesundheit zusammen mit dem Rat gleichberechtigter Gesetzgeber.

Das Straßburger Parlament hat unter anderem eine deutliche Kennzeichnung gentechnisch veränderter Erzeugnisse durchgesetzt, damit die Verbraucher selbst entscheiden können, ob sie genetisch veränderte Lebensmittel kaufen und essen möchten.

Außerdem haben die Abgeordneten im Mitentscheidungsverfahren die weltweit strengste Pestizid-Verordnung sowie eine weitreichende Verordnung gegen toxische Chemikalien in Gebrauchsgegenständen durchgesetzt. Zudem wird Kinderspielzeug künftig sicherer - dank strengerer Regeln für die Inhaltstoffe. Und eine neue Richtlinie soll die Feinstaubbelastung in Ballungsräumen binnen zehn Jahren um etwa 20 Prozent senken - Schätzungen zufolge kostet verschmutzte Luft aktuell jährlich 350.000 EU-Bürgern das Leben.

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Wie teuer darf Telefonieren sein?

Auch über Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit hinaus haben sich die Parlamentarier in Straßburg in den vergangenen Jahren für die Verbraucher eingesetzt.

Ein konkretes Resultat sind die günstigeren Preise für grenzüberschreitende Handy-Gespräche und Kurznachrichten - das sogenannte Roaming. Vom 1. Juli 2009 an müssen deutsche Kunden höchstens noch 13 Cent pro SMS bezahlen, für ankommende Anrufe höchstens 22,6 Cent pro Minute, für selbstgetätigte Anrufe maximal noch 51,2 Cent. Ab Sommer kommenden Jahres werden die Gebühren nochmals sinken. Ein deutlicher Schlag gegen die Mobilfunkanbieter - die Initiative kam direkt aus dem Europaparlament.

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Gleiches Recht für alle?

Oft ist die Rede vom Modell des europäischen Sozialstaats - doch noch fällt Arbeits- und Beschäftigungspolitik im Wesentlichen in den Einflussbereich der nationalen Regierungen.

Die bislang konkreteste Folge der EU-Politik in diesem Bereich ist das Recht der Bürger, frei zu entscheiden, wo sie leben und arbeiten wollen. Die Arbeitsämter der Mitgliedsstaaten sowie Islands, Norwegens und der Schweiz sind vernetzt. Wer in einem anderen Land der EU arbeitet, hat dort - mit seinen Angehörigen - Anspruch auf die meisten Sozialleistungen.

Insgesamt verfolgt die EU eine Politik der Nichtdiskriminierung und hat eine Reihe von Mindeststandards und sozialen Rechten für Arbeitnehmer formuliert. Die Kompetenzen des Parlaments in diesem Politikfeld sind relativ begrenzt. Jedoch können die Abgeordneten - etwa über ihr Budgetrecht - Einfluss nehmen.

In der kommenden Legislaturperiode stehen unter anderem Entscheidungen zu EU-weiten Arbeitszeitregelungen sowie Schwangerschafts- und Mutterschutz auf dem Programm. So wird im Parlament derzeit über das Für und Wider eines verpflichtenden Vaterschaftsurlaubs diskutiert.

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Wie viel sind die Bauern wert?

Vor fünf Jahrzehnten nahm die Gemeinsame Agrarpolitik der EU-Staaten ihren Anfang. Das Ziel: Die Preise zu stabilisieren und die Landwirte zu unterstützen. Die Subventionierung europäischer Bauern ist bis heute eines der umstrittendsten Politikfelder der Gemeinschaft.

Seit der letzten Reform 2003 hat sich das Instrument der Direktzahlungen an Betriebe durchgesetzt, die weitgehend von der Produktion entkoppelt werden. Betrieben werden dabei Auflagen - zum Beispiel zur Nahrungsmittelsicherheit sowie zum Tier- und Pflanzenschutz - auferlegt.

In der Haushaltsperiode 2007-2013 liegt der Anteil der Ausgaben für den Agrarsektor bei 34,9 Prozent (in den neunziger Jahren noch etwa 70 Prozent). Auf internationaler Ebene hat sich die EU zur Liberalisierung und zum Abbau von Handelsverzerrungen verpflichtet.

Generell hat das Parlament in diesem Bereich ein Anhörungsrecht, die Entscheidungen treffen Kommission und Rat. Allerdings berührt die EU-Agrarpolitik immer mehr die Themen Umwelt oder Entwicklung des ländlichen Raums - Politikfelder, in denen das Parlaments direkt an der Gesetzgebung beteiligt ist.

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Wer mit wem - und wie?

Die EU ist der größte Exporteur und zweitgrößte Importeur der Welt - ganz abgesehen vom Binnenhandel zwischen den Mitgliedern. Die einzelnen EU-Staaten betreiben ihren Handel nach Bedingungen, die von der EU festgelegt werden.

So bestimmt die Europäische Union die Höhe von Zöllen für Importe aus Drittstaaten, schließt bi- und multilaterale Abkommen und legt Straf- und Schutzmaßnahmen im Rahmen der Regeln der Welthandelsorganisation WTO fest.

Verantwortlich dafür ist die Kommission. Das Parlament kann über Empfehlungen an die Kommission, Initiativberichte und Anhörungen von Experten Einfluss nehmen. Bei Assoziierungs- und Partnerschaftsabkommen mit Drittstaaten ist die Zustimmung des Parlaments erforderlich.

Foto: ddp

Texte: Irene Helmes/plin/cmat

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