Abgasskandal:VW beurlaubt Cheflobbyisten wegen Tierversuchen

Laut Konzernchef Matthias Müller übernimmt Thomas Steg die "volle Verantwortung". Die EU droht Berlin nun mit einer Klage wegen dreckiger Luft in Städten.

Von Thomas Kirchner und Klaus Ott, Brüssel/München

Die Abgasaffäre bei Volkswagen kostet einen Manager aus der Konzernspitze vorläufig sein Amt. Der Autokonzern beurlaubte am Dienstag seinen Cheflobbyisten Thomas Steg. Dieser hatte von dem jetzt bekannt gewordenen Tierversuch in den USA gewusst, den Abgastest mit Affen aber nicht verhindert. In Deutschland hat das Experiment große Empörung hervorgerufen.

Mit dem Test an Affen hatte ein von VW, Daimler und BMW betriebener Forschungsverein beweisen wollen, dass Dieselabgase ungefährlich seien. Volkswagen-Chef Matthias Müller bezeichnete dieses Vorgehen bei einem Empfang des Konzerns am Montagabend in Brüssel als falsch, unethisch und abstoßend. Am Dienstag teilte Müller nach einer Sitzung des Vorstands mit, Steg habe erklärt, "die volle Verantwortung zu übernehmen".

Steg war Vize-Regierungssprecher bei Bundeskanzler Gerhard Schröder und dessen Nachfolgerin Angela Merkel, 2012 übernahm er den Posten des Cheflobbyisten bei VW. Er gehörte zu den engsten Mitarbeitern Müllers, der nach Beginn der Abgasaffäre im Herbst 2015 Vorstandschef geworden war. VW hat seitdem wiederholt umfassende Aufklärung versprochen. Im Falle des Tierversuchs wollte der Konzern laut US-Justizakten aber verhindern, dass dieses Experiment vor Gericht zur Sprache kommt und so an die Öffentlichkeit gelangt. Volkswagen erklärte dazu auf Anfrage, diese Studie habe nichts mit der juristischen Aufarbeitung der Abgasaffäre in den USA zu tun.

Die schlechten Abgaswerte der Diesel-Motoren tragen viel zur dreckigen Luft in deutschen Städten bei. Weil EU-Grenzwerte seit Jahren überschritten werden, wird die EU-Kommission die Bundesrepublik nun vermutlich vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen. Das zeichnete sich am Dienstag bei einem Gespräch von EU-Umweltkommissar Karmenu Vella mit Bundesumweltministerin Barbara Hendricks (SPD) und Kollegen aus acht anderen EU-Staaten ab, in denen die Luft-Grenzwerte ebenfalls nicht eingehalten werden.

Gegen all diese Länder hat die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Für Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien und Großbritannien stellte das Treffen laut der Behörde die letzte Gelegenheit dar, durch Vorlage neuer Maßnahmen um eine Klage herumzukommen, die in hohe Geldstrafen münden könnte. Die Frist laufe Ende kommender Woche ab.

Da Hendricks bis dahin keine substantiell neuen Maßnahmen vorlegen kann, die eine rasche Einhaltung der Grenzwerte gewährleisten, hält die Ministerin eine Klage für "durchaus möglich". Sicher sei das nicht. Die Luft in deutschen Städten sei besser geworden, man brauche aber mehr Zeit. Vella kritisierte, die Mitgliedstaaten hätten das Problem noch nicht voll erkannt. Er wolle weiter mit den Regierungen reden, man werde die Verfahren aber nicht hinausschieben, denn ohne "neue und wirksame Maßnahmen" würden die Grenzwerte für Schadstoffe noch "weit über 2020 hinaus" verletzt.

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