Abfindung für Pfusch-Arzt:Zum Abschied zwei Millionen

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Er vergaß einen Bohrer im Körper eines Patienten und beging schwere Kunstfehler. Trotzdem soll ein Arzt eine hohe Entschädigung erhalten. Die Stuttgarter Opposition will das verhindern.

B. Dörries

Die Mitteilung kam am selben Tag, an dem ein Gericht urteilte, dass eine Kassiererin wegen der Unterschlagung von 1,30 Euro entlassen werden kann. An jenem Tag bestätigte der Wissenschaftsminister Peter Frankenberg (CDU), dass dem ehemaligen Leiter der Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Freiburg eine Entschädigung von 1,98 Millionen Euro gezahlt werde.

Hans Peter Friedl wurde wegen zahlreicher Kunstfehler verurteilt - trotzdem wird er mit fast zwei Millionen Euro abgefunden. (Foto: Foto: dpa)

Fast zwei Millionen Euro für Hans Peter Friedl, rechtlich verurteilt wegen zahlreicher Kunstfehler - einmal hatte er einen Bohrer im Körper eines Patienten vergessen. Es gebe keine andere Möglichkeit, Friedl aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen, sagte Frankenberg; die Entschädigung sei für das Land und die Klinik die beste Lösung.

Mit dieser Ansicht steht Minister Frankenberg dieser Tage ziemlich allein da. Für die Öffentlichkeit zeigt der Fall wieder einmal, dass die Großen davonkommen, während die Kleinen geschnappt werden. Grüne und SPD wollen nun mit Eilanträgen im Landtag verhindern, dass das Geld ausgezahlt wird.

Und auch rechtlich scheint der Fall nicht so eindeutig zu sein, wie Frankenberg ihn schilderte: Fast 200 Rechtsanwälte haben Strafanzeige wegen des Verdachts der Haushalts- beziehungsweise Amtsuntreue gestellt; die Anzeige richtet sich gegen das Ministerium und die Klinikleitung, die den Vergleich ausgehandelt haben.

"Wir halten eine derart hohe Abfindung für unbegründet", sagt Detlev Heyder, einer der Initiatoren der Anzeige. Die Staatsanwaltschaft Freiburg hat mittlerweile ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. "Es haben Menschen schon wegen weit weniger ihren Beamtenstatus verloren", sagt Heyden.

Einem Briefträger beispielsweise sei gekündigt worden, weil er 800 Euro unterschlagen hatte. "Friedl hat Körperverletzung begangen und seine Taten vertuscht, sogar Mitarbeiter gezwungen, ihm dabei zu helfen."

Schlampige Operationen

Das Disziplinarverfahren im Fall Friedl wurde hingegen eingestellt, obwohl auch das Landgericht Freiburg in seinem Urteil vom Jahr 2003 davon ausging, "dass der Verlust seiner Stellung endgültig sein wird".

Für eine automatische Entfernung aus dem Dienst war das Urteil jedoch zu milde. Wer zu mindestens einem Jahr auf Bewährung verurteilt wird, verliert seinen Beamtenstatuts automatisch. Das jedoch blieb Friedl erspart - er bekam wegen fahrlässiger Körperverletzung in drei Fällen und einem Fall der vorsätzlichen Körperverletzung eine Strafe von 24.300 Euro.

Sieht man sich die Liste seiner Vergehen an, dann ist das ein erstaunlich mildes Urteil: Nachdem Friedl die Bohrerspitze im Körper eines Patienten vergessen hatte, operierte er ihn unter einem Vorwand erneut.

Bei einem Rumänen schraubte der Chirurg eine Metallplatte so dilettantisch an, dass der Mann heute kein Gefühl mehr im linken Bein hat. Friedl machte damals nicht nur Fehler, er versuchte auch, sie zu vertuschen. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre Haft auf Bewährung gefordert.

Das Landgericht blieb in seinem Strafmaß weit darunter. Der öffentliche Gesichtsverlust sei auch eine Form der Strafe, urteilte das Gericht damals. Der öffentliche Gesichtsverlust ist Friedl wahrscheinlich ziemlich egal, er lebt seit dem Jahr 2000 in Kanada, wohin nun auch die Millionen fließen sollen.

Ministerium hält Gutachten unter Verschluss

Die Opposition im baden-württembergischen Landtag will das verhindern. "Wir möchten wissen, weshalb die Landesregierung dem Mediziner tatsächlich weit entgegenkam und sogar eine Abfindung zahlen will", sagt Rainer Stickelberger, der rechtspolitische Sprecher der SPD-Fraktion.

Fast sechs Jahre lang hatte ein Richter geprüft, ob ein Disziplinarverfahren gegen Friedl erfolgreich sein könnte und ist offenbar zu dem Schluss gekommen, dass die Aussichten sehr schlecht sind.

Es ist nicht ganz klar, was der Richter fast sechs Jahre lang machte. Die Anwälte von Geschädigten berichten, dass sie nicht gehört wurden. Das Gutachten selbst hält das Wissenschaftsministerium unter Verschluss.

"Man hätte die Zahlungen an Friedl schon vor Jahren einstellen müssen", sagt der klagende Anwalt Heyder. "Das Land und die Klinik haben nie versucht, die Entfernung von Friedl massiv zu betreiben."

© SZ vom 27.03.2009/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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