Die Palästinenser wollen sich nicht mehr an den 1993 in Oslo vereinbarten Nahost-Friedensprozess halten. Solange Israel die Einigung ständig verletze, wollten die Palästinenser nicht die einzigen sein, die sich an das Abkommen hielten, sagte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas am Mittwoch in der UN-Vollversammlung in New York. Das Osloer Abkommen, das den Palästinensern einen eigenen Staat und Israel Frieden bringen sollte, gilt allerdings schon lange als gescheitert.
"Wir können nicht länger durch diese Abkommen gebunden sein, und Israel muss seiner Verantwortung als Besatzungsmacht gerecht werden", sagte er mit Blick auf die Vereinbarungen, die den Palästinensern begrenzte Autonomie einräumen. Israel weigere sich entgegen der Verinbarungen, die Besiedlung der besetzten Gebiete zu stoppen und palästinensische Gefangene freizulassen.
Die Nachrichtenagentur AP zitiert Abbas mit den Worten, die Verletzung der Vereinbarungen durch Israel mache die Palästinenser zu einer "Autorität ohne echte Macht".
Palästinensische Fahne vor dem UN-Gebäude
Abbas forderte zugleich die vollständige staatliche Anerkennung Palästinas. "Palästina, der ein Beobachterstaat der Vereinten Nationen ist, verdient, vollständig als Staat und als Mitglied anerkannt zu werden", sagte Abbas. Er erinnerte an die "enormen Opfer" des palästinensischen Volkes und seine "Geduld während all dieser Jahre des Leidens und des Exils". Abbas appellierte an alle Staaten, die dies bisher nicht getan haben, Palästina anzuerkennen.
Nach der Rede sollte bei einer Zeremonie erstmals die palästinensische Fahne neben den Flaggen der 193 UN-Mitgliedsstaaten gehisst werden. Die UN-Vollversammlung hatte am 10. September mit 119 Ja-Stimmen, acht Nein-Stimmen und 45 Enthaltungen dafür votiert, die Flaggen der palästinensischen Gebiete und des Vatikans, die beide Beobachterstatus haben, künftig neben den Flaggen der Mitgliedsstaaten zu akzeptieren.
In einem Essay fordert Abbas einen neuen Ansatz zur Lösung des Konflikts
Vor seiner Rede hatte Abbas bereits in einem Essay weitere bilaterale Verhandlungen mit Israel mit Skepsis beschrieben. Diese seien immer wieder gescheitert, schrieb er. Nötig sei ein neuer, multilateraler Ansatz zur Lösung des israelisch-palästinensischen Konflikts. Modell dafür könnten die Verhandlungen zur Lösung der Krisen auf dem Balkan, in Libyen und im Iran sein.
Die Osloer Verträge galten als Meilenstein im Nahost-Friedensprozess. Am 13. September 1993 unterzeichneten Israel und die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO in Washington eine Prinzipienerklärung. Es wurde vereinbart, eine palästinensische Selbstverwaltung zu bilden, die in Wirtschafts- und Sicherheitsfragen mit Israel kooperiert. Die PLO verpflichtete sich im Gegenzug, aus ihrer Charta alle Passagen zu streichen, die die Vernichtung Israels als Ziel enthielten. Beide Seiten erkannten sich damit erstmals offiziell an. Der erwartete Durchbruch zu einer Friedensregelung durch den "Oslo-Prozess" blieb jedoch aus.