USA:Verteidigungsminister kassiert Deal mit Hintermännern der Anschläge von 9/11

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Die Türme des World Trade Centers brennen am 11. September 2001 in New York. (Foto: ---/dpa)

Der Prozess sollte mit einem Geständnis der Angeklagten enden, dafür sollten sie die Todesstrafe umgehen. Nun dürfte die Verhandlung weitergehen – und den Angeklagten droht wieder die Todesstrafe.

Von Leopold Zaak, Portland

Der Deal, den das Kriegsgericht in Guantánamo Bay mit den Hintermännern der Anschläge vom 11. September 2001 ausgehandelt hatte, sollte eigentlich eine Wunde schließen. Denn fast 23 Jahre nach den Angriffen auf das World Trade Center in New York und das Pentagon in Washington sind die Drahtzieher zwar in amerikanischer Gefangenschaft – ein Urteil aber gibt es nach all den Jahren immer noch nicht. Am Mittwoch kam dann die Nachricht: Der Architekt der Anschläge Chalid Scheich Mohammed und zwei weitere Angeklagte, Walid bin Attash und Mustafa al-Hawsawi wollten offenbar gestehen, so stand es in einem Schreiben an die Angehörigen der Opfer – dafür sollten sie der Todesstrafe entgehen.

Nun, keine zwei Tage später, kassiert Lloyd Austin, der Verteidigungsminister der USA, diesen Deal wieder ein. In einem Erlass teilte Austin mit, er widerrufe die Einigung. Susan Escallier, die beim Kriegsgericht für den Fall zuständig war, wird von ihren Aufgaben entbunden. „Die Verantwortung für eine solche Entscheidung sollte bei mir liegen“ schreibt Austin in dem Memorandum.

Nach seinem Bekanntwerden hat der Deal für viel Kritik gesorgt, vor allem bei den Republikanern. Der ehemalige Minderheitsführer im Senat, Mitch McConnell, bezeichnete den Deal als ungerecht, Senator Tom Cotton aus Arkansas sah darin eine „Beleidigung der Opfer“. Aber auch einige Angehörige meldeten sich enttäuscht zu Wort. Die Gewerkschaft der New Yorker Feuerwehr teilte mit, sie fühle sich „betrogen und angewidert“. Mit der Entscheidung des Verteidigungsministers droht den Angeklagten wieder die Todesstrafe. Ob diese aber auch wirklich vollstreckt wird, ist völlig offen. Denn das Verfahren gegen die Planer der Anschläge hat in den vergangenen Jahren schon viele Wendungen genommen.

Chalid Scheich Mohammed gilt als Ideengeber für die Anschläge vom 11. September, bei denen in New York, Washington und Pennsylvania 2977 Menschen getötet wurden. Er soll außerdem für die Finanzierung und für die Kommunikation zuständig gewesen sein. Sein Mitangeklagter Bin Attash soll ebenfalls in die Planung involviert gewesen sein, zudem soll er die Attentäter mit Geld unterstützt haben. Auch Al-Hawsawi soll bei der Finanzierung geholfen haben.

Der Prozess stockt seit vielen Jahren, weil die Angeklagten gefoltert wurden

2003 wurde Chalid Scheich Mohammed in Pakistan gefangen genommen und jahrelang in einem geheimen Gefängnis der CIA in Polen festgehalten. 2006 kam er nach Guantánamo Bay, wo er bis heute sitzt. Dass es nach all den Jahren noch immer kein Urteil gegen Mohammed gibt, liegt vor allem an den Verhörmethoden der Ermittler. Die ist in internen Papieren der CIA gut dokumentiert – Mohammed soll 183 Mal einem Waterboarding unterzogen worden sein, also dem simulierten Ertrinken. Auch die anderen Angeklagten berichten von Folter.

Als Barack Obama 2009 als Präsident ins Weiße Haus einzog, machte er die Folter öffentlich, die unter seinem Vorgänger George W. Bush stattgefunden hatte. Und er versuchte vergeblich, den Prozess weg von der kubanischen Halbinsel vor ein Zivilgericht auf amerikanisches Festland zu holen. Er scheiterte am Widerstand der Republikaner, auch bei dem Versuch, das Gefangenenlager in Guantánamo zu schließen.

Seit 2012 läuft der Prozess in der Militärbasis, immer wieder gibt es Verzögerungen, zuletzt auch wegen der Corona-Pandemie. Die Anwälte drängen darauf, die Folter öffentlich zu machen, die ihre Angeklagten erfahren haben, auch mit dem Ziel, einen Deal auszuhandeln und die Todesstrafe zu umgehen. Und auch im Gericht wuchsen die Zweifel, ob ein Urteil überhaupt möglich wäre, wenn es auf Aussagen beruht, die unter Folter getroffen wurden.

Die Verhandlungen für diesen Deal liefen etwa zwei Jahre lang zwischen den Anwälten und Susan Escallier. Verteidigungsminister Austin soll der New York Times zufolge so einen Deal nie befürwortet haben, anders als wohl US-Präsident Joe Biden. Dass der Deal nun einkassiert wird, überrascht viele. Im Weißen Haus heißt es, das sei allein die Entscheidung des Verteidigungsministers gewesen. Und der Anwalt von Chalid Scheich Mohammed sagte, er sei „enttäuscht, dass die Regierung nach all diesen Jahren immer noch nicht aus diesem Fall gelernt hat und weiß, welch großen Schaden“ sie angerichtet habe.

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