75-Prozent-Steuer für Reiche:Spitzensteuer-Debatte schwappt aus Paris nach Deutschland

Lesezeit: 2 min

Mit Robin-Hood-Steuer auf Stimmenfang: Zwei Monate vor der französischen Präsidentschaftswahl will Sozialistenkandidat François Hollande Millionäre massiv schröpfen - und ruft bei den deutschen Nachbarn unterschiedliche Reaktionen hervor. Die Linke frohlockt, die FDP haut freudig drauf. Und Hollandes parteinahe Genossen von der SPD?

Oliver Das Gupta und Friederike Grasshoff

Bekommt Frankreich nach der Präsidentenwahl den höchsten Spitzensteuersatz Europas? Geht es nach dem sozialistischen Kandidaten François Hollande, sollen Superreiche angesichts der Finanzkrise gehörig zur Kasse gebeten werden: Hollande will Millionäre zu einem Steuersatz von satten 75 Prozent verdonnern.

"Pure Solidarität" mit Sozialisten-Kandidat Francois Hollande: SPD-Linker Ottmar Schreiner (Foto: dpa)

Inzwischen ist die Debatte um die Supersteuer für Superreiche aus Paris auch in die deutsche Politik geschwappt: FDP und Linke frohlocken, wenn auch aus unterschiedlichen Gründen, aber dazu später.

Zuerst zur SPD: Die Schwesterpartei von Hollandes Sozialisten reagiert vorsichtig - oder auch gar nicht. Hannelore Kraft etwa, die stellvertretende Parteivorsitzende, versprach noch vor knapp drei Wochen vollmundig, Hollande nach Kräften zu unterstützen. Nun will sich die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen auf Anfrage von Süddeutsche.de zur geplanten Reichensteuer ebensowenig äußern wie es andere Sozialdemokraten aus dem Führungszirkel tun.

Vage gehaltene Zustimmung für Hollandes geplante Robin-Hood-Steuer kommt allerdings aus dem linken Parteiflügel der SPD: Ottmar Schreiner, Mitglied im SPD-Parteivorstand, sagte zur SZ, dass die "ganze Grundorientierung von Hollande" seinen eigenen politischen Überzeugungen weitaus eher entspreche "als die Sprunghaftigkeit des Herrn Sarkozy". Auch von "purer Solidarität" mit Hollande war die Rede.

Stoßrichtung ja, Übernahme nein

Schreiners Parteifreundin und Bundestagsabgeordnete Mechthild Rawert unterstützt Hollandes "Stoßrichtung, starke Schultern mehr zu belasten." Allerdings müsse jeder Vorschlag die Eigenheiten des jeweiligen Steuersystems berücksichtigen, sagte sie zur SZ. Hilde Mattheis, Sprecherin der SPD-Linken, sieht das ebenso: Höhere Steuern für Vermögende ja, Übernahme des Hollande-Modells nein: Das könne man nicht "einfach eins zu eins auf Deutschland übertragen."

Juso-Chef Sascha Vogt verweist auf das beschlossene SPD-Steuerkonzept, das müsse erstmal umgesetzt werden. Die Entwicklung in Frankreich solle aber genau beobachtet werden, sagte der Chef des SPD-Nachwuches zur SZ: "Denn wenn wir feststellen, dass die beschlossenen Mehreinnahmen nicht ausreichen, halte ich es für einen guten Weg, absolute Spitzenverdiener stärker in die Pflicht zu nehmen."

Es ist an diesem Tag schwierig, eine klare Positionierung von einem namhaften SPD-Vertreter zu bekommen. Man sei nicht gerade froh über Hollandes Supersteuer, wolle dem befreundeten Wahlkämpfer auch nicht in den Rücken fallen.

Leichter haben es da Linke und FDP. Mit einer gewissen Freunde kommentierten Vertreter der beiden grundverschiedenen Parteien die Causa.

FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle nimmt den Vorschlag aus Frankreich dankbar als Anlass, "Rückfall in altsozialistische Reflexe" zu diagnostizieren und zu geißeln. Mit solchen Sprüchen bringt Brüderle müde Parteitage zum Johlen und irgendwie passen sie auch in die Aufbruchsstimmung, in die sich die FDP nach dem Gauck-Erfolg bringen will. Und weil Brüderle gerne vor dunkelroten Gefahren für Deutschland warnt und es seiner maladen Partei möglicherweise gut tut, liefert er noch den schönen Satz: "Lasst den Karl Marx in seinem Museum in Trier."

"Hohe Besteuerung kein Angriff auf Leistungsträger"

Hollande ein Marxist? Das würden die Linken wohl nicht behaupten, aber Freude macht ihnen Hollandes Supersteuer trotzdem. "Eine hohe Besteuerung von Reichen ist kein Angriff auf Leistungsträger", sagte Vizeparteichefin Sahra Wagenknecht zur Welt, "sondern eine angemessene Beteiligung derjenigen, die von der Politik bislang in erheblichem Maße profitiert haben". Hollandes Vorschlag könne in Deutschland Schule machen.

Parteiboss Klaus Ernst stimmt in diesen Tenor ein: Er forderte SPD-Chef Sigmar Gabriel dazu auf, den Blick nach Paris zu richten. "Hollandes Programm liegt näher bei uns als bei der SPD", behauptete er im Tagesspiegel.

Damit dürfte Ernst richtig liegen, schließlich hatte Gabriel erst vor knapp drei Monaten eine Reichensteuer entschieden abgelehnt: Auf ihrem Parteitag im Dezember beschlossen Sozialdemokraten schließlich einen Spitzensteuersatz von 49 Prozent. Das ist nicht wenig, aber trotzdem Dimensionen entfernt von jenen 75 Prozent, die nun in Frankreich Thema sind.

Was die nun schweigenden SPD-Granden über Hollandes Supersteuer denken, wird aus einer anderen Entscheidung des Parteitags im Dezember deutlich. Damals stand ein - moderater - Reichensteuer-Zuschlag zur Debatte. Er wurde auf Geheiß der Parteiführung abgeblockt.

Mit Material von AFP/dapd/Reuters

© Süddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: