67. Jahrestag der Bombardierung:Dresden mahnt und wehrt sich

Anspannung in Dresden: Tausende Bürger protestieren am 67. Jahrestag der Bombardierung mit einer Menschenkette gegen einen Neonazi-Aufmarsch am Abend. Das Polizeiaufgebot ist immens. Erstmals erlauben die Beamten den Gegendemonstranten, in Rufnähe der Rechtsextremen zu kommen.

Christiane Kohl, Dresden

Mit Andachten, Mahngängen und einer Menschenkette gedachten etwa 13.000 Menschen am Montag in Dresden der Bombennacht, in der am 13. Februar 1945 die Elbestadt in Schutt und Asche gelegt worden war. Zugleich wandten sich Tausende von Demonstranten gegen einen Aufmarsch von Neonazis in der Stadt: Mit Sit Ins, Tanzeinlagen und Gesängen blockierten Leute mit bunten Fahnen und Spruchbändern Straßenkreuzungen, die auf der Marschroute der Neonazis lagen.

Gedenken an die Zerstörung Dresdens

Dresdner Bürger bei einer Menschenkette um die Altstadt: Seit Jahren wehrt sich die Stadt dagegen, dass Neonazis den Jahrestag der Bombardierung für ihre Zwecke vereinnahmen.

(Foto: dpa)

Diese konnten sich daher kaum vom Fleck bewegen. Die Polizei hatte ihnen einen "Versammlungsraum" auf einer schneebedeckten Rasenfläche hinter dem Hauptbahnhof zugewiesen, immer wieder sagte sie den Rechtsextremisten via Megaphon, dass sie erst losgehen dürften, wenn sich alle auf der ihnen zugewiesenen Fläche versammelt hätten.

Von Polizeisperren wie im Schafstall eingepfercht mussten die laut Polizei etwa 1600 Neonazis daher zunächst in der Kälte verharren: Ein trostloser Haufen im Niemandsland zwischen zwei für den Verkehr gesperrten Schnellstraßenzubringern. Erst kurz vor 20 Uhr am Abend konnten sie sich dann in Marschsetzen, allerdings führte die Polizei sie auf einer Route, fernab jener Orte, wo sich die Gegendemonstranten eingefunden hatten.

Schon seit dem Mittag waren viele Nazigegner in der Stadt unterwegs gewesen. Während an beinahe jeder Straßenkreuzung in der Dresdner Innenstadt Polizeiwagen standen, bewegten sich an allen möglichen Orten kleine Demonstranten-Trüppchen durch die Innenstadt. Bis zum Abend blieb alles friedlich. "Ein toller Erfolg", kommentierte der Rechtsextremismus-Experte der SPD-Fraktion im sächsischen Landtag, Henning Homann: "Die Nazis können im dritten Jahr in Folge ihren Marsch nicht wie geplant durchführen."

Fast noch mehr Gegendemonstranten als in den Vorjahren

Stattdessen sah man allerorten Gegendemonstranten in der Stadt. Da marschierten Schülergruppen mit Transparenten am Residenzschloss vorbei, "Nazis, raus, raus, raus", brüllten sie immer wieder. Später standen dieselben Schüler in der Menschenkette, die sich um Punkt 18 Uhr zum Geläut der Kirchenglocken schloss. Fast noch mehr Menschen als in den Vorjahren waren diesmal gekommen, teilweise standen die Leute in Zweier- und Dreierreihen und bildeten so einen Schutzwall um die Altstadt gegen die Neonazis.

Schon am Mittag hatten sich Nazigegner zu einem Mahngang "Täterspuren" getroffen. Am Großen Garten, einem Parkgelände am Rande eines Dresdner Villenviertels sammelten sich einige Tausend Menschen, zwischen einer Lidl-Filiale und einer Seniorenresidenz, um die Spur jener Orte aufzunehmen, die auf die NS-Geschichte Dresdens weisen.

Erste Station war die Villa des einstigen NS-Gauleiters von Dresden, Martin Mutschmann: Eine hellgrüne Fassade, mit Stuckverzierungen - wie durch ein Wunder war das Gebäude stehen geblieben, als die Villen rundum während der Bombennächte zerstört worden waren. Mutschmann war ein berüchtigter NS-Führer gewesen, nach dem Krieg wurde er von den Sowjets zum Tode verurteilt.

Während die etwa 2500 Mahngänger, unter ihnen prominente Grüne und Vertreter der Linkspartei, noch die Spuren der NS-Täter verfolgten, fanden sich auf dem Heidefriedhof im Osten der Stadt einige hundert Menschen zu einem stillen Gedenken zusammen. Unter ihnen Dresdens Bürgermeister Dirk Hilbert (FDP), der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (FDP), einige Minister und Landtagspräsident Matthias Rößler.

Langsam bewegte sich der Zug über den Friedhof zu der hohen Sandsteinmauer, die an die Opfer der Bombennacht jenes 13. Februar 1945 erinnert, als Dresden in Schutt und Asche gelegt wurde. "Wie viele starben? Wer kennt die Zahl?", ist in großen Lettern auf den Sandstein geschrieben - nach neuesten Schätzungen sind bis zu 25.000 Menschen bei der Bombardierung Dresdens umgekommen.

Bis zum Abend blieb es weitgehend friedlich in Dresden, obwohl etwa 3000 Demonstranten stundenlang Straßen blockierten. Nur vereinzelt kam es zu kleineren Rangeleien. Bei der Polizei hatte man sich darauf konzentriert, möglichst deeskalierend zu wirken. Zwar ließ die Polizeiführung Hubschrauber über der Stadt kreisen und zeigte massive Präsenz mit an die 6000 Beamten im Einsatz, doch zugleich waren überall Beamte mit gelben Westen unterwegs, auf denen der Aufdruck "Konfliktmanagement" zu lesen war. Aber auch die Demonstranten wirkten zumeist sehr friedlich, so trugen sie etwa Spruchbänder mit sich wie dieses: "Blöde Nazis - ich will nach Hause".

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