60 Jahre UN-Blauhelme:Friedensengel und Verbrecher

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Seit 1948 schicken die Vereinten Nationen ihre Truppen mit blauer Kopfbedeckung los, um Frieden in der Welt zu sichern. Pünktlich zum Jubiläum überschatten schwere Vorwürfe die Feiern.

Wolfgang Jaschensky

George Clooney gratuliert, wie er es am besten kann: Öffentlichkeitswirksam und nett aufbereitet in einem Filmchen, das auf YouTube zu sehen ist.

Um Frieden zu erreichen, so seine Botschaft, bedürfe es mehr als Spenden und weißen Tauben, Frieden sei ein Vollzeit-Job. Untermalt werden die Worte des wohl berühmtesten UN-Friedens-Botschafters mit launiger Klimbim-Musik.

Ein netter PR-Einfall zum Jubiläum, doch die gutgemeinten Worte des Hollywoodstars gehen im Strudel der Vorwürfe unter, die derzeit das Image der Blauhelme bedrohen.

Die britische Hilfsorganisation Save the Children hatte Anfang dieser Woche eine Studie vorgestellt, die belegt, dass UN-Friedenssoldaten in einigen Ländern Kinder sexuell missbraucht haben. Für die Studie sind nach Angaben der Organisation Hunderte Kinder und Jugendliche in Sudan, Haiti und der Elfenbeinküste befragt worden.

Überraschend kommen diese Vorwürfe nicht, manche Experten halten sie sogar für eine grobe Untertreibung. Nach Ansicht von Monika Hauser, Gründerin des Vereins Medica Mondiale, zeigt die Studie lediglich die Spitze des Eisbergs.

Fakt ist, dass Prostitution, Frauenhandel und sexueller Missbrauch regelmäßige Begleiter von Militäreinsätzen sind - und dieses Problem auch Blauhelmmissionen immer wieder überschattet.

Lange wurde das Problem totgeschwiegen - immerhin das hat sich inzwischen geändert. Je intensiver die Vereinten Nationen die Missetaten ihrer Friedenstruppen überprüfen, desto mehr Fälle werden bekannt. Belegt sind Fälle auf mehreren Kontinenten, von Bosnien über Kambodscha und Ost-Timor bis Westafrika und im Kongo.

Angesichts der Gewalt, die den UN-Einsätzen vorausgegangen sind, treffen die Soldaten meist auf Opfer, die ihnen hilflos ausgeliefert sind.

Die Charakteristika der Betroffenen: häufig extrem arm, manchmal minderjährig, oft haben sie ihre Familie im vorangegangenen Konflikt verloren. Diese Hilflosigkeit verleitet einige der vermeintlichen Friedensengel offenbar zu unfassbaren Gewalttaten.

Hinzu kommt, dass sich diese oft leicht vertuschen lassen - manchmal mit barer Münze: So stellte ein vom früheren UN-Generalsekretär Kofi Annan entsandter Sonderermittler fest, dass Vergewaltigungsopfern ein Dollar gezahlt wird, um das Gewaltverbrechen als Prostitution zu verharmlosen.

Annan setzte im Jahr 2003 immerhin ein Regelwerk ("Zehn Regeln für Blauhelme") durch, das als moralischer Leitfaden für Blauhelmsoldaten fungieren soll. Punkt vier verbietet Soldaten "unmoralische Akte sexuellen, physischen oder psychischen Missbrauchs oder Ausnutzung". Außerdem werden bei einigen Einsätzen inzwischen Disziplinarbeamte abgestellt, die zum Beispiel Missbrauchsfälle in der Elfenbeinküste aufgedeckt haben.

Das ändert aber nichts daran, dass den Vereinten Nationen das entscheidende Druckmittel fehlt: Sie können die überführten Soldaten nicht bestrafen. Vermeintliche Täter können nur in ihre Heimatländer zurückgeschickt werden, die Ahndung der Verbrechen obliegt aber den einzelnen Staaten. Ob dann überhaupt Strafen verhängt werden, wird selten bekannt.

Die UN-Friedenstruppen haben in den 60 Jahren ihres Bestehens vieles erreicht und viel geopfert. 2400 Soldaten sind seit der ersten Mission 1948 in Israel bei insgesamt 63 Einsätzen für eine sicherere, friedlichere Welt ums Leben gekommen.

Derzeit sind mehr als 110.000 Frauen und Männer aus fast 120 Ländern im Namen der Vereinten Nationen unterwegs. Doch wenn die Sex- und Missbrauchs-Skandale unter der Flagge der Vereinten Nationen kein Ende finden, helfen bald wohl selbst die Lobeshymnen von Sympathieträgern wie George Clooney nicht mehr, den guten Ruf der Friedenstruppe zu retten.

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