60 Jahre BRD:Jahrzehnt der Skandale

Geistig-moralische Wende, geballter Volkszorn und Polit-Skandale: Die achtziger Jahre sind ein bewegtes Jahrzehnt zwischen der Kanzlerschaft Kohls und der Geburt der Grünen.

Gökalp Babayigit

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Strauß, Kohl, AP

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Um das politische Jahrzehnt der achtziger Jahre zu verstehen, muss auf das Ende der vorangehenden Dekade geblickt werden. Der Aufstieg Kohls ist direkt verbunden mit dem Scheitern von Franz Josef Strauß.

1978 kehrt Strauß, der seit Bestehens des Bundestags Parlamentarier ist, nach Bayern zurück und lässt sich zum Ministerpräsidenten wählen. Nicht wenige mutmaßen aber, dass auch dieser Schritt ein taktischer ist: Strauß wolle von München aus einen größeren Karriereschritt in Bonn vorbereiten. Der Bundestagsabgeordnete Klaus Gärtner (FDP) spottet, die Münchner Staatskanzlei werde wohl "als so etwas wie eine Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte politische Brennelemente benutzt". Doch der Schritt zur Kanzlerkandidatur kommt nicht selbstverständlich. Entgegen seines Rufs als politisches Kraftpaket ist der bayerische Ministerpräsident bemerkenswert zögerlich vor dieser wichtigen Entscheidung. Begünstigt wird die Entscheidung pro Strauß allerdings auch von der relativen Schwäche des CDU-Vorsitzenden. Ende der siebziger leidet die Autorität Kohls - die FDP lässt sich nicht zum Wechsel überzeugen, wie 1978 bei der Landtagswahl in Hessen ersichtlich wird; Kanzler Schmidt sieht im Pfälzer keinen Gegner, sondern eher ein Opfer und nutzt jede Gelegenheit, Kohl zu verspotten. Wenn sich Schmidt im Bundestag der Opposition zuwendet, blickt er meist Strauß an und spricht den Bayern mit "Herr Oppositionsführer" an. Doch Kohls Entscheidung, Strauß bei der Kandidatur den Vortritt zu lassen, erweist sich schon bald als meisterhafter Schachzug. Zum einen gewinnt Strauß die Abstimmung gegen Ernst Albrecht, einem weiteren möglichen Konkurrenten Kohls, der nach der Niederlage aus dem Weg geräumt ist. Zum anderen ist sich Kohl einfach sicher: Gegen Schmidt hat Strauß keine Chance.

Foto: Strauß und Kohl bei einer Wahlkampfveranstaltung 1980 in Mannheim, AP

Strauß, 1980, Stoppt Strauß, Kampagne, Bundestagswahl, AP

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Strauß, bekannt für seine kraftstrotzende Rhetorik, macht auch vor dem beliebten Schmidt nicht Halt - auch wenn der Bayer in Wahrheit eine hohe Meinung vom Hanseaten hat. Er bezeichnet Schmidt als Generaldirektor der Bundesrepublik, als "leitenden Angestellten der marxistischen Führungsgruppe der SPD", als "Oberkanzler, Weltkanzler, Abkanzler, Lehrer aller Völker, der weise Hirte aller Schafe, aller Nationen, praeceptor mundi, doctor europae, magister germaniae". Doch einstecken muss Strauß fast noch mehr. So polarisierend der Bayer auf bundespolitischer Ebene ist, so polarisierend wird auch der Wahlkampf. In ganz Deutschland gehen die Menschen gegen Strauß auf die Straße, es bilden sich Anti-Strauß-Aktionsbündnisse. Hunderttausende vor allem junge Menschen stecken sich Anti-Strauß-Pins an ihre Kleidung mit Mottos wie "Freiheit statt Strauß", "Stoppt StrauSS" (mit SS-Runen) oder "Gott schütze uns und unser Haus vor AKWs und Franz Josef Strauß".

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Kohl Strauß 60 Jahre BRD AP 1980

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Der Deutsche Herbst, in dem Kanzler Schmidt eine hervorragende Figur gemacht hat, liegt noch nicht lange zurück. Für die FDP steht fest: Mit Strauß als Kanzlerkandidaten ist ein Wechsel zur Union nicht zu vollziehen. Also bleiben die Liberalen an der Seite der SPD - und stimmen in die Polemik gegen den bayerischen Ministerpräsidenten ein. "Mit Franz Josef Strauß", ätzt Hans-Dietrich Genscher, "kann uns nichts passieren. Er ist unser bester Mann." Selbst Edmund Stoiber, damals CSU-Generalsekretär und als "blondes Fallbeil" titulierter Gefolgsmann von Strauß, spricht von einer "emotionalen Hemmschwelle Franz Josef Strauß". Ihn zu wählen, fällt selbst Unionswählern schwer. Das Ergebnis ist programmiert: "2,1 Millionen Unionswähler auf der Flucht vor FJS" schreibt der Spiegel. Die Union fährt mit 44,5 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 ein, während die FDP die davonlaufenden Unionswähler aufzugreifen scheint. 2,7 Prozentpunkte legen die Liberalen zu und verhelfen Schmidt, dessen SPD nur marginal hinzugewinnt, zu einer weiteren Amtszeit. Strauß ist vernichtend geschlagen - und Kohls Stellung in der Union ist plötzlich wieder unangefochten. Erstmals angetreten bei der Bundestagswahl ist auch eine neue Partei, die als Kind der achtziger Jahre heute aus der Politik nicht mehr wegzudenken ist: die Grünen.

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Grüne, Gründung, achtziger Jahre, AP

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Ende der siebziger Jahre entwickelt sich gegenüber der politischen Klasse ein diffuses Gefühl der Unzufriedenheit. Das beweist nicht nur die gewachsene Zahl an Bürgerinitiativen. Das beweist auch das Entstehen der sogenannten "neuen sozialen Bewegungen", die aus verschiedenen Gruppierungen innerhalb der Bevölkerung erblühen. Mit der außerparlamentarischen Opposition aus den sechziger Jahren sind sie dennoch nicht zu vergleichen. Es soll kein Systemwechsel erzwungen werden, vielmehr schreiben sich die Initiativen konkrete Ziele auf die Fahnen. Zu den größeren gehört die ökologische Bewegung, die gegen die immer stärker werdende Umweltverschmutzung vorgehen will. Aus ihr entsteht die Bundespartei "Die Grünen". Viele, die sich mit der Anti-Atomkraftbewegung identifizieren, finden in der Partei ihre politische Heimat. Auch Kanzler Schmidts Unterstützung für die Nato-Nachrüstung bringt den streng pazifistisch ausgerichteten Grünen Zulauf. Am 13. Januar 1980 gründen August Haussleitner, Norbert Mann, Herbert Gruhl, Gisela Schuettler, Dietrich Wilhelm Plagemann, Karl Kerschgens und Alfred Vordermeister (von links) auf dem zweitägigen Gründungsparteitag in Karlsruhe die Grünen.

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Grüne, Kelly, Bundestag, Brandt, dpa

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Erreichen die Grünen bei ihrer ersten Bundestagswahl 1980 lediglich 1,5 Prozent, so zeigt ihr Ergebnis 1983, welch rasanten Zuwachs sie innerhalb von drei Jahren erlebt haben: Bei der Wahl erreicht die Öko-Partei 5,6 Prozent - das Drei-Parteien-System im Parlament wird zum Vier-Parteien-System. SPD-Chef Willy Brandt gratuliert der Grünen-Parlamentarierin Petra Kelly, sichtlich zufrieden ist auch Kellys Parteikollegin Marieluise Beck, damalige Sprecherin der Partei. Die von Petra Kelly selbst titulierte "Antiparteien-Partei" ist nun fester Bestandteil der Bonner Republik.

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Joschka Fischer, dpa

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Die Erfolgsgeschichte der Grünen aber geht weiter: Zwei Jahre später erreicht der hessische Landesverband der Grünen Historisches. Holger Börner, Spitzenkandidat der SPD, ist eine Art frühes Vorbild von Andrea Ypsilanti. Wie die glücklose Politikerin schließt Börner Anfang der achtziger Jahre jede Zusammenarbeit mit den Grünen aus. Seine Wortwahl ist sogar noch etwas schärfer: Früher sei man Leuten wie den Grünen mit der Dachlatte begegnet, poltert Börner. Wenig später geht er dennoch die erste rot-grüne Koalition auf Landesebene ein. Mithilfe der Grünen wird Börner Ministerpräsident - und ein gewisser Joschka Fischer zum ersten grünen Landesminister. Zur Vereidigung kommt der ehemalige Sponti in weißen Turnschuhen - und sorgt für eines der symbolträchtigsten Bilder der achtziger Jahre.

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Antiatom, dpa

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Die Proteste brechen sich Bahn: Die Anti-Atomkraftgegner besetzen 1980 ein Erkundungsbergwerk bei Gorleben, das ein mögliches Endlager für hochradioaktive Abfälle finden sollte. Am 3. Mai gründen die Aktivisten symbolisch auf dem Gelände der Bohrstelle 1004 die "Republik Freies Wendland" - benannt nach dem slawischen Stamm der Wenden, der im Mittelalter Land besetzte und besonders renitent war. Zehn Mark muss man berappen, um am Schlagbaum vorbeizukommen und einen "Wendepass" mit Einreisestempel zu erhalten, der so lange gültig ist, "so lange sein Inhaber noch lachen kann". Das Hüttendorf besteht etwa einen Monat - bevor die Polizei mit Hundestaffeln, Wasserwerfern und gepanzerten Fahrzeugen dagegen vorgeht.

Foto: Die Räumung des Anti-Atom-Dorfes im Juni 1980, dpa

Gorleben, achtziger Jahre, dpa

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Unterstützung erfahren die Atomkraftgegner derweil auch von Prominenten. Der Sänger Wolf Biermann hat im Wendland einen Auftritt und singt "Gorleben soll leben", selbst der damalige Juso-Vorsitzende Gerhard Schröder erklärt sich bei einem Besuch des Dorfes solidarisch. Doch es nutzt nichts. Obwohl Gewaltfreiheit vereinbart ist und sich die Dorfbewohner friedlich wegtragen lassen wollen, kommt es zu Übergriffen von Seiten der Staatsmacht.

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Wackersdorf, dpa

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Eine neue Dimension der Gewalt erlebt die Bundesrepublik allerdings weiter südlich. Im oberpfälzischen Wackersdorf soll eine Wiederaufbereitungsanlage für abgebrannte Brennstäbe aus Kernreaktoren entstehen. Es kommt zu Protesten - doch diesmal ist keine Gewaltfreiheit ausgemacht. 1986 nehmen mehr als 100.000 Menschen an Demonstrationen teil, immer wieder kommt es am Bauzaun zu brutalen Zusammenstößen. Erstmals verwendet die Polizei auch Tränengas, es sterben zwei Menschen. Die Bevölkerung erklärt sich solidarisch mit den Atomkraftgegnern und stellt die Behörden vor noch mehr Probleme. Die Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf wird Synonym für den hartnäckigsten Widerstand, den die Republik gesehen hat, das Projekt ist das umkämpfteste und teuerste seiner Art - und scheitert letztendlich nach Jahren des Protests und des öffentlichen Drucks.

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Böll, Nato-Doppelbeschluss, dpa

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Neben den Atomkraftgegnern sind es die Pazifisten, die in den achtziger Jahren besonders aktiv werden. Der Grund: die Nato. Das Militärbündnis beschließt die Stationierung von atomar bestückten US-amerikanischen Mittelstreckenraketen des Typs Pershing II und von Marschflugkörpern AGM-86 Cruise Missile als Reaktion auf die sowjetischen SS20-Raketen, die ebenfalls in Position gebracht worden sind. Die Angst geht um, dass die USA die Gefahr eines Atomkriegs mit der Sowjetunion vom eigenen Territorium fernhalten wollten und Europa als Schlachtfeld auserkoren hätten. Die Friedensbewegung, die seit Jahrzehnten praktisch keine Rolle mehr spielt, erwacht. Mehrere Hunderttausende demonstrieren 1981 in Berlin, ein Jahr später versammeln sich anlässlich des Besuchs von US-Präsident Ronald Reagan in Bonn etwa eine halbe Million Menschen - bis heute eine der größten Demonstrationen in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Liste in der Öffentlichkeit stehender Persönlichkeiten, die sich an den Friedensdemonstrationen beteiligen, ist lang: Heinrich Böll (im Bild) gehört ebenfalls dazu wie Willy Brandt, Günter Grass, Joseph Beuys und viele andere.

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Nato-Doppelbeschluss, Proteste, achtziger Jahre, dpa

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Selbst die Institutionen gehen mit auf die Straße. Die evangeliche Kirche und die Bundeswehr (im Bild bei der Demonstration im Bonner Hofgarten) protestieren gegen den Beschluss des Nordatlantik-Pakts. Für die SPD/FDP-Regierung wird der anhaltende Protest gegen die Nato zum Problem, waren es doch Kanzler Schmidt und Außenminister Genscher, die sich für die Nato-Strategie ausgesprochen hatten. Doch die Demonstrationen gegen die Nato sind nur eine von vielen Schwierigkeiten für die Koalition.

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Helmut Schmidt, Genscher, Wende 1982, dpa

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Neben den unpopulären Entscheidungen wie das Ja zum Nato-Beschluss kriselt es auch wegen wirtschaftspolitischer Differenzen schon seit längerem innerhalb der Koalition, so dass sich Kanzler Schmidt im Februar 1982 gezwungen sieht, mit einer Vertrauensfrage die Reihen hinter sich zu schließen. Die Regierungsfraktionen sprechen ihm das Vertrauen aus, dennoch ist die Koalition zum Scheitern verurteilt. Bereits im August 1981 hatte der FDP-Bundesvorsitzende Hans-Dietrich Genscher den später so genannten Wendebrief an die Mitglieder seiner Partei geschrieben, in dem er sich besorgt zeigte ob der wirtschaftlichen Lage. Das Land stehe am Scheideweg, eine Wende sei notwendig. Nicht nur von der SPD wird das fünfseitige Schreiben als Aufforderung zum Koalitionsbruch gesehen. Auch die damalige FDP-Staatsministerin Hildegard Hamm-Brücher bezeichnet es als Versuchsballon. Im September 1982 dann - nach einem Schreiben über Konzepte für den Haushalt von FDP-Wirtschaftsminister Lambsdorff an Schmidt, das der Kanzler als Bruch verstehen muss - erklärt Schmidt, dass er das politische Vertrauen in die FDP verloren habe. Die FDP-Minister kommen einer Entlassung zuvor und treten zurück.

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Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Wende 1982, dpa

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Gemeinsam mit der CDU stellen die Liberalen am 1. Oktober 1982 ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Kanzler Schmidt - und stürzen ihn. CDU-Chef Helmut Kohl ist nun Bundeskanzler. Den Vorschlag Schmidts, zuerst Vorwahlen anzusetzen, lehnen sowohl die Union als auch die FDP ab.

Foto: Helmut Schmidt gratuliert Helmut Kohl nach dem erfolgreichen Misstrauensvotum, dpa

Helmut Kohl, Bundestag, dpa

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Die Rolle der Verräterin kann die FDP nicht gänzlich abstreifen. Schmidt verhehlt nie, dass er die Liberalen als Hauptschuldige am Bruch der Koalition sieht. Die FDP-Wähler scheinen ihm zu glauben. Bei den folgenden Landtags- und Senatswahlen in Bayern, Hessen und Hamburg bleibt die FDP unter der Fünf-Prozent-Hürde. CDU-Chef Kohl will sich im Kanzleramt schnell auch vom Volk bestätigen lassen. Am 17. Dezember 1982 stellt er die Vertrauensfrage und verliert sie durch Stimmenenthaltung der Regierungsfraktionen absichtlich, um Neuwahlen zu ermöglichen. Im März 1983 erringt die Union dann 48,8 Prozent. Gemeinsam mit der FDP, die auf sieben Prozent kommt, verfügen die neuen Koalitionspartner über eine komfortable Mehrheit im Bundestag.

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Kohl, Genscher, achtziger Jahre, 1982, AP

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Geheime Kontakte zwischen Genscher und Kohl bereits vor der Wende sind ein offenes Geheimnis. Doch Genschers offizielle Begründung, wegen haushaltspolitischer Differenzen nicht mehr mit der SPD zusammenarbeiten zu können und deshalb mit der Union zu koalieren, hält nicht nur Hildegard Hamm-Brücher für unsinnig. Der aufziehende Flick-Parteispendenskandal, bei dem die SPD-Fraktion nicht bereit war, einer Amnestie zuzustimmen, sei der wahre Grund gewesen.

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Lambsdorff, achtziger Jahre, AP

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Der Flick-Affäre gehört zu den größten Skandalen in den an Skandalen nicht armen achtziger Jahren. Zur "Pflege der Bonner Landschaft" spendet der Flick-Konzern verdeckt hohe Geldbeträge an die politischen Parteien. Der Hintergrund: 1975 hatte Friedrich Karl Flick für 1,9 Milliarden Mark Daimler-Benz-Aktien gekauft und für die Wiederanlage Steuerbefreiungsanträge gestellt, von denen die meisten bewilligt worden waren. Der Steuerfahnder Klaus Förster deckt sechs Jahre später bei der Einsicht der Listen des früheren Flick-Buchhalters Rudolf Diehl auf, dass viel Geld geflossen ist: von Flick in die Kassen der Parteien. Die Union hat etwa 15 Millionen Mark kassiert, die FDP rund 6,5 Millionen, die SPD zirka 4,3 Millionen Mark. Zwei Jahre lang beschäftigt sich ein Untersuchungsausschuss im Bundestag mit dem Skandal - zahlreiche Politikerkarrieren gehen zu Ende. Bei manchen erweisen sich die Vorwürfe im Nachhinein als haltlos - wie beim Bundestagspräsidenten Rainer Barzel (CDU). Bei anderen werden Strafen verhängt. Otto Graf Lambsdorff, der ehemalige Bundeswirtschaftsminister von der FDP (im Bild), sowie sein Vorgänger und Parteikollege Hans Friderichs, reichen ihre Rücktritte ein. Beide werden wegen Steuerhinterziehung zu hohen Geldstrafen verurteilt. Sie waren es, die Flick damals im Bundeswirtschaftsministerium die Steuerbefreiungsanträge genehmigten.

Foto: Otto Graf Lambsdorff (rechts) erhält seine Entlassungsurkunde von Bundespräsident Karl Carstens, AP

Barschel, AP, achtziger Jahre

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Der größte Polit-Skandal der achtziger Jahre erschüttert die Republik 1987. Die Affäre um den schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten Uwe Barschel elektrisiert die Medien und die Menschen. Barschel, der junge Hoffnungsträger, hatte schon 1982 im Alter von nur 38 Jahren Gerhard Stoltenberg als Regierungschef des nördlichsten Bundeslandes abgelöst. Er gilt als ehrgeiziger Hoffnungsträger seiner CDU, dem allerdings vor der Wahl 1987 mit dem SPD-Spitzenkandidaten Björn Engholm ein ernsthafter Kandidat erwächst. Barschel wird nervös und stellt den bereits wegen Verleumdung vorbestraften Journalisten Reiner Pfeiffer als "Medienreferenten" ein. Das Ziel: den Kontrahenten Engholm mit Hilfe einer beispiellosen Schmutzkampagne aus dem Rennen zu werfen. Pfeiffer scheint jedes Mittel Recht zu sein, um den charismatischen SPD-Politiker irgendwie in Bedrängnis zu bringen. Er reicht eine anonyme Steuerhinterziehungsklage gegen Engholm ein, er setzt Detektive auf ihn an, um mögliche Fehltritte zu registrieren, er bringt das Gerücht in Umlauf, Engholm habe sich mit Aids angesteckt. Der Spiegel lässt kurz vor der Wahl, im September 1987, die Bombe platzen und bringt diese Fakten an die Öffentlichkeit. Barschel steht mit dem Rücken zur Wand und versucht, in einer Pressekonferenz, die als "Ehrenwort-Konferenz" bekannt werden sollte, alle Schuld von sich zu weisen. "Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass die gegen mich erhobenen Vorwürfe haltlos sind", sagt eine kreidebleicher Barschel vor der versammelten Journaille. Doch vergeblich: die FDP nimmt die Koalitionsverhandlungen mit der CDU nicht auf, weitere belastende Aussagen Pfeiffers und anderer Beteiligter belasten Barschel weiter. Am 2. Oktober 1987 tritt er als Ministerpräsident zurück und ist politisch am Ende. Besondere Brisanz erreicht dieser Skandal allerdings durch sein immer noch nicht vollends geklärtes Ende. Eine gute Woche nach dem Rücktritt später verschafft sich der Stern-Reporter Sebastian Knauer Zutritt ins Hotelzimmer Barschels. Der ehemalige Ministerpräsident war im Genfer Hotel Beau Rivage abgestiegen, weil er sich in der Schweiz von einem mysteriösen Informanten wichtige Informationen versprochen habe. Als Knauer das Zimmer nach Barschel absucht, findet er ihn tot in der Badewanne. Das Bild, das Knauer von der Leiche Barschels schießt, gehört auch zu den berühmtesten des Jahrzehnts - und entfacht eine Debatte über Ethik im Journalismus. Allerdings nicht zum ersten Mal in den achtziger Jahren.

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Gladbeck, AP

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Live-Interview während des Verbrechens: Während des Geiselnahme von Gladbeck im Jahr 1988 werden die Medien selbst aufgrund ihrer unverantwortlichen Rolle Gegenstand der Diskussion. Die zwei vorbestraften Kriminellen Dieter Degowski und Hans-Jürgen Rösner nehmen nach einem Überfall auf eine Filiale der Deutschen Bank mehrfach Geiseln und sind auf der Flucht - und der Fernsehzuschauer ist live dabei. Zum ersten Mal zeigen die Medien Live-Bilder eines Verbrechens und bieten den Geiselnehmern sogar ein Forum, ja verhandeln sogar mit ihnen. Aufnahmen aus der Zeit wirken surreal. Reporter führen Live-Interviews mit den Verbrechern, während diese eine Pistole an den Kopf einer Geisel halten. Selbst die Geisel wird gefragt: "Wie geht es Ihnen mit der Pistole am Hals?". Das Medienspektakel endet blutig - auch weil die Polizei während der gesamten Geiselnahme eine klägliche Figur abgibt. Es sterben insgesamt drei Menschen. Die beiden Geiselnehmer sind immer noch in Haft.

Foto: Geiselnehmer Dieter Degowski mit Silke Bischoff, die während des Polizeieinsatzes getötet wird, AP

Kohl, Mitterand, 1984, dpa

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Doch das Geschehen in den achtziger Jahren schuf auch Bilder, an die man sich gern erinnert. Kanzler Kohl trifft sich 1984 mit Frankreichs Präsident Francois Mitterand am Ort der Schlacht von Verdun, um dort der Toten der Weltkriege zu gedenken. Mehrere Minuten halten sich die beiden Politiker, die auch privat ein freundschaftliches Verhältnis pflegen, die Hände. Das Bild steht symbolhaft für die Aussöhnung der einstigen Erbfeinde.

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Kohl, Gorbatschow, AP

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Mit dem Russen Michail Gorbatschow verbindet Helmut Kohl ebenfalls eine Freundschaft (auf dem Bild zu sehen ist ein Treffen 1988 in Moskau). Ein knappes Jahr später sollten diese beiden Freunde gemeinsam Weltgeschichte schreiben.

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