60 Jahre BRD: Die Wirtschaft der 70er:Grenzen des Wachstums

In den siebziger Jahren scheint es in der deutschen Wirtschaft immer nur nach oben zu gehen - Löhne und Gewinne steigen unaufhörlich. Doch die erste Ölkrise weist die Grenzen des Wachstums auf.

In den siebziger Jahren stößt die Wohlstandgesellschaft Nachkriegsdeutschlands erstmals an ihre Grenzen. Die Ölkrise im Oktober 1973 macht den Bundesbürgern auf einen Schlag klar, wie abhängig die auf Wachstum getrimmte Wirtschaft von importierter Energie ist.

60 Jahre BRD: Die Wirtschaft der 70er: Blick auf die leere Autobahn am Kreuz Düsseldorf-Wupertal am 25. November 1973. Wegen der anhaltenden Ölkrise wird zum ersten Mal ein sonntägliches Fahrverbot verhängt.

Blick auf die leere Autobahn am Kreuz Düsseldorf-Wupertal am 25. November 1973. Wegen der anhaltenden Ölkrise wird zum ersten Mal ein sonntägliches Fahrverbot verhängt.

(Foto: Foto: dpa)

Innerhalb von drei Monaten vervierfacht sich der Preis für das Barrel Rohöl von 2,70 auf 11,60 Dollar. Ein harter Schlag für die Bundesrepublik, die ihren Energiebedarf zu 55 Prozent aus eingeführtem Erdöl deckt. Drei Viertel dieser Importe stammen aus aus arabischen Staaten.

Deutschland reagiert in zweifacher Hinsicht: Die Bundesregierung unter SPD-Kanzler Willy Brandt entschließt sich zu drastischen Formen des Energiesparens - bereits im November und Dezember 1973 verfügt Wirtschaftsminister Hans Friderichs ein Fahrverbot an vier Sonntagen.

Bau von Kernkraftwerken wird forciert

Auf der anderen Seite intensiviert die Regierung die Nutzung alternativer Energiequellen - der bereits in den sechziger Jahren begonnene Bau von Kernkraftwerken wird forciert. So geht im April 1975 im hessischen Biblis das größte Kernkraftwerk der Welt ans Netz.

In der Folge wächst allerdings auch der Protest gegen diese Form der Energiegewinnung. Die Anti-Atomkraft-Bewegung formiert sich zu einer schlagkräftigen Oppositionsbewegung: Tausende Demonstranten besetzen 1975 den Bauplatz des Kernkraftwerks im badischen Wyhl und errichten ein Hüttendorf. Neu ist, dass nun auch gut situierte Bürger auf die Straße gehen.

Die siebziger Jahre sind auch eine Zeit starker Gewerkschaftsmacht. Obwohl bereits 1970 die Löhne und Gehälter gegenüber dem Vorjahr stark gestiegen sind (Öffentlicher Dienst: plus acht Prozent, Stahlindustrie: plus 13,5 Prozent), setzen die Gewerkschaften weitere massive Lohnerhöhungen durch.

In die Geschichte geht der dreitägige Streik der Müllwerker und Straßenbahner im Jahre 1974 ein - am Ende erzwingt die Gewerkschaft ÖTV unter ihrem Chef Heinz Kluncker eine Lohnerhöhung im öffentlichen Dienst von elf Prozent.

Das neue Motto heißt 35-Stunden-Woche

Gegen die steigende Arbeitslosigkeit setzen die Gewerkschaften vor allem auf die Arbeitszeitverkürzung - das neue Motto heißt 35-Stunden-Woche. Im November 1978 treten 40.000 Stahlarbeiter für die 35-Stunden-Woche in den Streik.

Bei der Einigung im Januar 1979 wird die Arbeitszeit zwar nicht verkürzt, aber es gibt eine deutliche Lohnerhöhung und der Urlaub wird auf 30 Tage erhöht. Den Einstieg in die 35-Stunden-Woche erkämpft die IG Metall schließlich erst 1984.

Hohe Lohnabschlüsse bei kürzeren Arbeitszeiten - in den siebziger Jahren ist die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Industrie noch so hoch, dass sie solche Produktionsbedingungen mühelos wegsteckt.

Vor allem die Autoindustrie ist erfolgreich. Alle großen Hersteller starten in dem Jahrzehnt jene Modelle, die bis heute für den weltweiten Erfolg der deutschen Autoindustrie stehen: Volkswagen bringt den Golf auf den Markt, der den VW-Käfer als Massenmodell ablöst. Bei BMW debütiert der 3-er, während Mercedes erstmals offiziell sein S-Klasse-Modell anbietet. In Form und Design sind die Autos der siebziger Jahre noch sehr charakteristisch - der Fahrzeugbau lässt sich von der Aerodynamik noch nicht so sklavisch in Beschlag nehmen.

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