500-Milliarden-Paket gegen Finanzkrise:Regierung nimmt Manager in die Pflicht

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Der größte Rettungsfonds der Nachkriegsgeschichte steht: Mit bis zu einer halben Billion Euro will die Regierung die angeschlagene Finanzbranche stabilisieren. Die Bundesregierung knüpft die Hilfe aber an weitreichende Bedingungen.

Die Bundesregierung hat ein Rettungspaket für die angeschlagene Finanzbranche beschlossen. Das Paket umfasst insgesamt bis zu 500 Milliarden Euro - eine halbe Billion.

Bundeskanzlerin Angela Merkel stimmte das milliardenschwere Rettungspaket für die Finanzmärkte bereits mit Bundespräsident Horst Köhler ab. Wie die Kanzlerin am Montag nach Verabschiedung des Pakets im Bundeskabinett mitteilte, soll der Gesetzgebungsprozess bereits bis Freitag abgeschlossen sein.

Die Bundesregierung will den Banken Nothilfe allerdings nur dann gewähren, wenn sie weitreichenden Einfluss auf das Management erhält. So will der Bund den Banken nur dann frisches Eigenkapital gewähren, wenn sie Manager-Gehälter und Abfindungen begrenzen.

Es gehe nicht darum "Banken oder Managern etwas Gutes zu tun", sagte Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) in Berlin. So sollen die Banken nur gegen Gebühren in den Genuss von Bürgschaften kommen. Versorgt der Bund die Banken mit frischem Kapital, erhält er Anteile an den Banken - und weitreichenden Einfluss. "Es geht um klare Auflagen, es geht um eine Gegenleistung", sagte Steinbrück. Denkbar sei eine Begrenzung der Managergehälter auf 500.000 Euro im Jahr sowie der Verzicht auf Bonus-Zahlungen und Abfindungen. Auch müssten die Banken dem Mittelstand weiter Kredite gewähren.

Das Gesamtvolumen des Rettungspaketes entspricht nahezu den gesamten deutschen Steuereinnahmen eines Jahres. Es ist Teil der am Wochenende von den sieben größten Industrienationen (G-7) und den Euro-Zonen-Ländern verabredeten Aktionen gegen die schlimmste Krise auf dem Bankenmarkt seit den 30er-Jahren.

Der Rettungsschirm ruht auf zwei Säulen. Zum einen soll der Fonds Banken gegen eine Gebühr Garantien für ihre Kreditausleihe geben und problematische Wertpapiere übernehmen. Damit soll der eingefrorene Geldmarkt wieder aufgetaut werden: Seit der Serie von Bankenpleiten leihen sich die Institute kaum noch Geld, weil sie fürchten, dass ihr Gegenüber in die Insolvenz gehen könnte.

Für die Ausfallgarantien stehen 400 Milliarden Euro bereit. Zur Vorsorge für Ausfälle stellt die Regierung dem Fonds fünf Prozent der Garantiesumme - 20 Milliarden Euro - zur Verfügung. Hinzu kommen 70 Milliarden Euro, mit denen sich der Fonds am Eigenkapital von Instituten beteiligen kann. Die Summe kann um zehn Milliarden Euro aufgestockt werden. Die Gesamtschuld des Staates steigt somit zunächst um 100 Milliarden Euro.

Insgesamt hat das Paket damit ein Gesamtvolumen von 500 Milliarden Euro - das sind 20 Prozent der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung eines Jahres.

Von dem Rettungspaket können alle drei Bankengruppen profitieren: private Institute, Landesbanken und Genossenschaftsbanken. Welche Häuser infrage kommen, entscheidet das Finanzministerium. Voraussetzung ist ein wichtiges Interesse des Bundes, das sich anders nicht durchsetzen lässt.

Fast Dimension des US-Hilfspakets

Die Spitzen der großen Koalition hatten sich bereits in der Nacht zum Montag auf die Grundzüge verständigt. Umgerechnet in Dollar wäre das Paket 643 Milliarden Dollar schwer - und erreicht damit fast die Dimension des US-Pakets von 700 Milliarden Dollar.

Angesichts der Finanzkrise schließt die Bundeskanzlerin nicht aus, dass das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts 2011 nicht zu schaffen ist. Das Rettungspaket könne zur Folge haben, "dass sich das Ziel des ausgeglichenen Haushalts zeitlich verschiebt." Das Ziel als solches bleibe aber erhalten.

Die Länder sollen nach dem Willen der Bundesregierung einen erheblichen Beitrag leisten. Der Anteil der Bundesländer für mögliche Verluste soll bei rund einem Drittel liegen, sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla in Berlin. Es sei angedacht, "dass die Länder dann für die Summen, für die am Ende eingestanden werden soll, in einem Volumen von 35 Prozent mit einstehen".

Der Fonds kann von Unternehmen des Finanzsektors Risikopositionen - insbesondere Derivate - übernehmen, die vor dem Stichtag 13. Oktober von den Firmen erworben worden seien. Die Banken müssen "Gewähr für eine solide und umsichtige Geschäftspolitik bieten". Bundesfinanzminister Steinbrück kann ihnen dabei Auflagen bei der Vergütung von Vorständen, Aufsichtsräten und den übrigen Angestellten machen.

CDU-Ministerpräsidenten zeigen sich zuversichtlich

Im Vorfeld der Kabinettsentscheidung erklärten Politiker aller Bundestagsparteien ihre Standpunkte. Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) fordert eine Begrenzung finanzieller Risiken des geplanten Rettungspakets für die deutschen Banken. "Banken, die sich im Markt schlecht verhalten haben, müssen dafür gerade stehen", sagte Müller in Berlin. Deshalb müssten die Bedingungen für eine Rückzahlung geklärt werden. Er wertete das geplante Paket der Bundesregierung wie andere CDU-Spitzenpolitiker positiv.

Baden-Württembergs Regierungschef Günther Oettinger (CDU) will trotz der Belastungen an einer staatlichen Schuldenbremse festhalten. "Eine Schuldengrenze ist unverändert oder gerade jetzt für die Zukunft notwendig." Oettinger sagte, er halte das Paket zum jetzigen Zeitpunkt für sachgerecht, betonte aber: "Von Sparen kann keine Rede sein." Er ließ offen, ob der Bund am Ziel eines Haushalts 2011 ohne neue Schulden festhalten kann.

Der nordrhein-westfälische Regierungschef Jürgen Rüttgers sprach von einem Durchbruch. Der CDU-Vize schloss Auswirkungen der Krise auf Unternehmen nicht aus. Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff zeigte sich zuversichtlich: "Ich denke, dass, wenn Vertrauen wiederhergestellt wird, ein Übergreifen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft vermieden werden kann."

Das Rettungspaket soll noch in dieser Woche in Bundestag und Bundesrat im Eilverfahren beschlossen werden. Offen ist derzeit jedoch noch, wie sich die Opposition verhalten wird.

Was Opposition und Banken von den Plänen halten, lesen Sie auf Seite zwei.

Die Grünen knüpfen ihre Zustimmung zum Banken-Rettungsplan an konkrete Bedingungen. Fraktionschef Fritz Kuhn sagte der Frankfurter Rundschau , der Staat müsse im Gegenzug für seine Garantieleistungen "realen Einfluss" auf die Banken gewinnen.

Ansonsten sei es für ihn schwer zu legitimieren, dass Gewinne im Bankensektor privatisiert würden und nun die Verluste von der Allgemeinheit getragen werden sollten. "Wir brauchen eine intelligente Verstaatlichung", sagte Kuhn.

Die grüne Wirtschaftsexpertin Kerstin Andreae mahnte, nicht in Hektik zu verfallen. Der Plan der Bundesregierung müsse jetzt mit "mit Ruhe und Sachverstand diskutiert werden".

In der Tendenz seien die Pläne aber richtig. "Wir müssen wieder Vertrauen schaffen", sagte Andreae sueddeutsche.de. Sie forderte allerdings darauf zu achten, dass der Bund sich bei Teilverstaatlichungen "Einfluss auf das operative Geschäft" der betroffenen Geldinstitute sichere.

Gesine Lötzsch, Haushaltsexpertin der Linkspartei, stellte eine Zustimmung ihrer Fraktion zu dem Milliardenpaket nur in Aussicht, wenn zugleich die "Verrücktheit des Finanzsystems" aufgebrochen werde. Aus ihrer Sicht müssten Spekulationen, Hedgefonds und Private-Equity-Fonds verboten werden.

"Wenn Bürgschaften ausgewiesen werden, dann brauchen wir zugleich eine Veränderung der Regeln", sagte Lötzsch sueddeutsche.de. Allerdings werde ihre Fraktion die Vorschläge der Bundesregierung erst genau prüfen: "Wir haben ja erlebt, wie Mitglieder der Bundesregierung uns Sachen erzählt haben am Vormittag, die am Nachmittag schon nicht mehr zu halten waren."

Solms: Regierung auf dem richtigen Weg

Die FDP signalisierte hingegen Unterstützung für eine schnelle Verabschiedung des Hilfspakets. "Wir werden uns konstruktiv an den Gesprächen beteiligen", kündigte Fraktionsvize Carl-Ludwig Thiele im Deutschlandfunk an.

Er ließ jedoch offen, ob die Freien Demokraten dem Vorhaben zustimmen werden. Die Pläne seien im Einzelnen noch nicht bekannt. Der FDP-Finanzexperte Hermann Otto Solms sagte der Saarbrücker Zeitung, die Bundesregierung sei auf dem richtigen Weg.

Der Bundesverband deutscher Banken begrüßte das Rettungspaket der Bundesregierung für die Finanzbranche. Dieser Beitrag sei zielführend, sagte Hauptgeschäftsführer Manfred Weber im ARD-Morgenmagazin. "Nun wollen wir sehen, dass der Geldmarktwieder in Schwung kommt, dass die Kreditgewährung wieder läuft und von daher ein wirtschaftlicher Einbruch verhindert wird. Ich halte dieses Paket für gut."

Der Verband lehnt auch nicht ab, dass Banken bei Eigenkapitalhilfen vom Staat zur Gegenleistung verpflichtet sind. "Wenn es Eigenkapitalhilfen für die eine oder andere Bank gibt, wird derjenige, der Eigenkapital gibt, auch mitreden wollen. Das ist normal. Und das ist in diesem Fall auf Zeit der Staat", sagte Weber.

Köhler wünscht sich "Nüchternheit, Alltagsvernunft und Bescheidenheit"

Bundespräsident Horst Köhler forderte von Banken und Wirtschaft mehr Demut. "Ich wünschte mir schon, gerade in diesen Tagen, es kehrte in so manche Unternehmenszentrale und in so manchen Bankenturm etwas von der Nüchternheit, der Alltagsvernunft und der Bescheidenheit ein, die tief in unserer Geschichte und in der Erfahrung wurzeln, dass für niemanden die Bäume in den Himmel wachsen", sagte Köhler laut vorab verbreitetem Redetext bei einer Veranstaltung des Deutschen Bauernverbands in Berlin.

Die Frage sei, ob Banken künftig zum Jahresabschluss dankbar der Wochen gedenken würden, "als sie durch staatliches Handeln gerettet wurden". Die Rettung bezeichnete er als richtig.

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