Süddeutsche Zeitung

50 Jahre Kuba-Krise:Rettender Deal

Es sah schlecht aus in den letzten Tagen der Kuba-Krise, jeder Zwischenfall hätte einen Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion auslösen können. Präsident John F. Kennedy war zu Zugeständnissen an Moskau bereit, doch bis zuletzt standen die Zeichen auf Krieg. Am Ende war die Lösung relativ simpel.

Hubert Wetzel

Die letzen Tage der Kuba-Krise hatten etwas Schizophrenes an sich. Obwohl eine Verhandlungslösung zum Greifen nah war, stieg die Kriegsgefahr. Am 27. Oktober 1962, dem "Schwarzen Samstag", gab es gleich drei Zwischenfälle, von denen jeder einen Krieg zwischen den USA und der Sowjetunion hätte auslösen können; zwei waren besonders heikel: Zum einen wurde über Kuba ein amerikanisches U-2-Spionageflugzeug abgeschossen. Präsident John F. Kennedy und seine Berater hatte sich eigentlich darauf festgelegt, in diesem Fall mit einem Luftangriff zu antworten. Nun beschlossen sie, den Vorfall zu ignorieren.

Zum anderen zwang vor Kuba ein amerikanisches Kriegsschiff ein sowjetisches U-Boot durch Beschuss zum Auftauchen. Das Boot hatte Torpedos mit Atomsprengköpfen an Bord. Der Kapitän dachte, der Krieg habe begonnen, und wollte das US-Schiff zerstören. Nur der Widerstand eines einzelnen Offiziers, Wassili Archipow, verhinderte den Einsatz der Atomwaffen. Dass ein weiteres U-2-Flugzeug an jenem Tag nur knapp sowjetischen Abfangjägern entkam, entspannte die Lage nicht.

Auch die Diplomatie lief am 27. Oktober schlecht. Am Vorabend hatte der sowjetische Partei- und Regierungschef Nikita Chruschtschow dem Weißen Haus in einem Brief ein Angebot gemacht: Wenn die USA eine Garantie abgeben, dass sie Kuba nicht angreifen, werde Moskau die dort aufgestellten Atomraketen wieder abziehen. Zu diesem Handel war Kennedy bereit.

Am Morgen des 27. Oktober traf jedoch ein weiterer Brief von Chruschtschow ein. Darin wurde eine weitere Bedingung genannt: Neben der Nichtangriffsgarantie für Kuba sollten die USA auch ihre atomaren Mittelstreckenraketen vom Typ Jupiter aus der Türkei abziehen. Auch dazu war Kennedy im Prinzip bereit. Allerdings wollte er nicht, dass der Abbau der Jupiter-Raketen offiziell Teil des Geschäfts mit Moskau wurde. Er fürchtete um den Ruf Amerikas als Schutzmacht.

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Die Lösung war am Ende relativ simpel: Kennedy antwortete Chruschtschow - allerdings nur auf dessen ersten Brief. Die USA stimmten dem Handel zu, so Kennedy. Zugleich beauftragte er seinen Bruder, Justizminister Robert Kennedy, dem sowjetischen Botschafter in Washington, Anatoli Dobrynin, vertraulich mitzuteilen, dass auch die Jupiter-Raketen abgezogen würden. Begleitet war dieses Angebot freilich von einem Ultimatum: Moskau müsse spätestens am nächsten Tag zustimmen, andernfalls werde es Krieg geben.

Am 28. Oktober um 9 Uhr Washingtoner Zeit meldete Radio Moskau: Die Arbeit an den Raketenstellungen auf Kuba werde eingestellt, die aufgebauten Raketen würden abgezogen. Die Krise war vorbei.

Epilog: Am 5. November 1962 begannen die Sowjets, die Atomraketen in Kuba abzubauen. Am 20. November beendeten die USA die Blockade der Insel. Von den Männern, die damals das Schicksal der Menschheit in ihren Händen hielten, sind fast alle tot. John F. Kennedy wurde am 22. November 1963 ermordet, Robert am 6. Juni 1968. Nikita Chruschtschow starb am 11. September 1971. Nur Fidel Castro lebt noch. Und die Welt.

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SZ vom 27.10.2012/fran
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