50 Jahre EU:Papst: EU vergisst christliche Wurzeln

Die Feierlichkeiten zum 50. EU-Geburtstag in Berlin haben begonnen. Alle 27 EU-Staaten stimmten der "Berliner Erklärung" zu. Doch es hagelte auch Kritik - die schärfste kam vom Papst.

Die Europäische Union stellt zu ihrem 50. Geburtstag die Weichen für mehr Bürgernähe und politische Schlagkraft. Am Vorabend des Jubiläums stimmten beim EU-Gipfel in Berlin alle 27 EU-Staaten der ,,Berliner Erklärung'' endgültig zu. Sie soll den Weg für eine grundlegende Reform der schwerfälligen und oft wenig demokratischen Abstimmungen bis 2009 ebnen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) - derzeit die EU-Ratspräsidentin - wird den Text an diesem Sonntag mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso und dem Präsidenten des Europaparlaments, Hans-Gert Pöttering, in einer feierlichen Zeremonie unterzeichnen. Am 25. März 1957 waren in Rom die Gründungsverträge der Europäischen Union unterzeichnet worden.

Mit einem bewegenden Festakt zu den Klängen von Beethovens 5. Symphonie stimmte Merkel die Staats- und Regierungschefs in der Berliner Philharmonie auf das Jubiläum ein. Am Abend kamen die Gäste bei Bundespräsident Horst Köhler zu einem Essen zusammen.

Auch für die Bürger begann die Geburtstagsparty. Die Museen der Stadt boten die ,,Nacht der Schönheit''. Bei einer ,,Clubnacht'' spielten Bands aus ganz Europa. Tausende von Polizisten waren im Einsatz. Nach Angaben der Behörden blieb es bis zum Abend weitgehend ruhig.

Merkel mahnte Europa zu Einigkeit. Allen Gegensätzen zum Trotz müsse die EU fit für die Zukunft gemacht werden. Sie bekräftigte, dass ungeachtet der Skepsis in Polen, Tschechien, Großbritannien und den Niederlanden gegenüber einer EU-Verfassung ein neuer Vertrag nötig sei. ,,Wir nehmen die Stimmung aus den einzelnen Ländern ernst.''

Der festliche Gipfel startete mit einem Konzert in der Philharmonie unter der Leitung des britischen Star-Dirigenten Sir Simon Rattle. Gegeben wurde nicht nur Beethovens ,,Schicksalssymphonie'', sondern auch die ,,Folk Songs'' von Luciano Berio.

Köhler plädierte nachdrücklich für einen neuen EU-Vertrag, ,,weil die Regeln unseres Miteinanders endlich mit Geduld und gutem Willen umgeschneidert werden müssen''. ,,Oder soll die so erfreulich gewachsene Europäische Union immer weiter halb bewegungsunfähig in einem rechtlichen Gewand stecken, das für einen Heranwachsenden gemacht und bisher nur ein paar Mal in den Nähten erweitert wurde?''

Der Bundespräsident warb bei seinen Gästen im Schloss Bellevue für ein begeisterungsfähiges und bürgernahes Europa: ,,Die Europäische Union soll doch unumkehrbar werden in den Köpfen und den Herzen.'' Nach Ansicht der Europäischen Sozialdemokraten muss die EU vor allem mehr Gewicht auf die Sozialpolitik legen, um die Bürger auf ihrem Weg mitzunehmen.

SPD-Chef Kurt Beck sagte, ein ,,neues soziales Europa'' beginne mit wirtschaftlichen Reformen und neuen Arbeitsplätzen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sieht in der Erklärung eine gute Grundlage für den Verfassungsprozess.

Harte Kritik kam aus Rom: Papst Benedikt XVI. warf der EU vor, ihre christlichen Wurzeln zu vergessen. Er warf der Union eine "einmalige Form der Apostasie" vor, eine Abwendung vom Glauben. Europa scheine "mehr und mehr die Existenz universeller und absoluter Werte in Frage zu stellen", sagte er.

In die ,,Berliner Erklärung'' wird laut der endgültigen Fassung neben dem Kampf gegen den Terrorismus auch die Zusammenarbeit gegen die illegale Zuwanderung aufgenommen. Die konservativen Partei- und Regierungschefs der EU unterstützten Merkels Aufforderung, nach dem Scheitern des Verfassungsentwurfs bei Referenden 2005 in Frankreich und den Niederlanden die Handlungsfähigkeit der EU zu verbessern. Gleichzeitig forderten sie eine restriktive Erweiterungspolitik.

Österreichs Bundeskanzler Alfred Gusenbauer begrüßte, dass die Erklärung das Jahr 2009 als ,,absolute Deadline'' für den Abschluss eines neuen Vertragstextes nennt. Der konservative niederländische Premier Jan Peter Balkenende zeigte sich ebenfalls zufrieden. ,,Wir brauchen einen Änderungsvertrag'', sagte er. ,,Das Wort Verfassung brauchen wir nicht.''

Russlands Präsident Wladimir Putin plädierte für Verhandlungen über ein neues Partnerschaftsabkommen mit der EU. ,,Dem Geist und der Kultur nach ist unser Land ein unabdingbarer Bestandteil der europäischen Zivilisation, zu deren Entwicklung und Pflege das russische Volk einen unschätzbaren Beitrag geleistet hat'', schrieb er in der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

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