ÖPNV:Dem 49-Euro-Ticket droht die nächste Verspätung

ÖPNV: Sein Machtwort hielt nur kurze Zeit: Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales, steht erneut wegen des verbilligten Tickets in der Kritik.

Sein Machtwort hielt nur kurze Zeit: Volker Wissing (FDP), Bundesminister für Verkehr und Digitales, steht erneut wegen des verbilligten Tickets in der Kritik.

(Foto: Carsten Koall/dpa)

Eigentlich sollte das verbilligte Ticket längst da sein. Jetzt steht auch der Starttermin 1. Mai auf der Kippe. Verkehrsminister und Länder geben sich gegenseitig die Schuld.

Von Markus Balser, Berlin

Noch bis vor wenigen Tagen gab sich Volker Wissing für sein Prestigeprojekt optimistisch. Der schon mehrmals verschobene Starttermin des eigentlich schon für Jahresanfang geplanten bundesweiten 49-Euro-Tickets sei nun endgültig fix, machte der zugeschaltete Bundesverkehrsminister vor zehn Tagen bei der Klausur der FDP-Landtagsfraktion in Bayern klar. Es stehe für ihn fest, dass das Ticket nicht später als zum 1. Mai komme, sagte Wissing.

Was wie ein Machtwort klang, hielt nur eine gute Woche. Denn schon dieses Wochenende machte Bremens Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne) eine ganz andere Prognose publik. Der Start zum 1. Mai sei akut in Gefahr, warnte sie. Wenn die Verhandlungen weiter so schleppend verliefen, sehe sie schwarz, sagte Schaefer und machte deutlich, wen sie für verantwortlich hält: Für einen termingerechten Start brauche man "einen Bundesminister, der nicht die Umsetzung blockiert".

"An uns Ländern liegt es nicht", sagt Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann

Nach einem Treffen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) und den Ministerpräsidenten im Dezember schien der monatelange Streit um das Ticket eigentlich beigelegt zu sein. Doch nun bricht er erneut mit voller Härte auf. "An uns Ländern liegt es nicht, dass sich das 49-Euro-Ticket verzögert", sagt Baden-Württembergs grüner Verkehrsminister Winfried Hermann der Süddeutschen Zeitung. Man sei schon "verwundert, dass der Bundesverkehrsminister mit den Vorbereitungen nicht vorankommt". Schließlich habe er selbst das Ticket schon zum Jahreswechsel einführen wollen.

Erneut eskaliert ist der Streit mit einem Arbeitstreffen zwischen Bund und Ländern am Freitag. Zum Ärger der Länder sollen Bundesvertreter nach SZ-Informationen trotz des hohen Zeitdrucks ohne Handlungsvollmacht zu dem Treffen gekommen sein. Entscheidungen seien nicht vorbereitet und neue Probleme aufgeworfen worden, hieß es nach dem Treffen. So habe das Bundesverkehrsministerium die dringende Bitte mehrerer Bundesländer nicht akzeptieren wollen, übergangsweise für ein Jahr etwa für ältere Menschen auch Papiervarianten des eigentlich digital geplanten Tickets zu ermöglichen. Unklar sei auch, ob die Mitnahmeregeln der Verkehrsverbände, etwa für Kinder, übergangsweise auch beim 49-Euro-Ticket gelten sollen.

Ein weiterer Streitpunkt sei die geplante Datenplattform, mit deren Hilfe die Einnahmen der Tickets auf Bund und Länder verteilt werden sollen - je nachdem, wo die Käufer mit den Tickets unterwegs waren. Der Bund wolle sich entgegen seiner Zusage zur Halbierung der Gesamtkosten daran nicht beteiligen. Auch Rabatte gegenüber Arbeitgebern will Wissings Ministerium nicht mitfinanzieren, was die Länder verärgert.

Dabei drängt die Zeit. Um nötige Gesetzesänderungen auf den Weg zu bringen, müsste Wissings Ministerium wohl noch in diesem Monat einen ersten Entwurf präsentieren. Nur so könnten die anderen Ministerien mitreden und Bundestag und Bundesrat noch rechtzeitig debattieren und entscheiden. Schließlich soll der Verkauf schon am 3. April beginnen.

Streit gibt es auch über die Kosten des Marketings für das Milliardenprojekt

Doch auch die Länder selbst sind zerstritten. So wollen sich Hamburg, Berlin und Brandenburg offenbar nicht an den Kosten des bundesweiten Marketings beteiligen, die bei dem Milliardenprojekt pro Land bei einigen Hunderttausend Euro liegen sollen. Zudem hatte Bayern den bislang gemeinsamen Länderplan durchkreuzt, Studenten mit einer Zuzahlung von etwa 20 Euro ein Upgrade von einem Semester- auf ein bundesweites Nahverkehrsticket anzubieten. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hatte als Sonderweg in Aussicht gestellt, die Zuzahlung aus Landesmitteln auszugleichen - Studierende müssten dann in Bayern nichts draufzahlen.

In der Ampelkoalition gibt es Kritik an dem neuerlichen Streit. "Wir müssen bei den verkehrspolitischen Vorhaben schneller in die Umsetzung kommen, wenn wir unsere klimapolitischen Zielsetzungen erreichen wollen", mahnte SPD-Fraktionsvize Detlef Müller. Verkehrsministerium, Länder und Verkehrsverbände dürften sich nicht länger an Detailfragen "verkämpfen". So sollte auch ein Ticket in Papierform vorübergehend möglich sein, fordert Müller.

In Wissings Ministerium sieht man sich weiter auf Kurs. Die Arbeiten an der Umsetzung des Tickets liefen mit Hochdruck, sagte eine Sprecherin. Die Verantwortung weist das Ministerium aber lieber anderen zu. Für die Umsetzung des Tickets seien nun ohnehin Länder und Verkehrsunternehmen zuständig.

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