40 Jahre nach Beschluss des Radikalenerlasses:Rubelscheine im Lehrerzimmer

Kommunisten sind gefährlich - so stand es vor 40 Jahren im Radikalenerlass. Der Verfassungsschutz belegte damals Tausende Beamte mit einem Berufsverbot. Klaus Lipps war selbst betroffen, konnte seine Stelle nur durch Prozesse behalten. Heute kämpft er für die, die weniger Glück hatten.

Tanjev Schultz

Klaus Lipps' Vater war ein alter Nazi, sein Sohn hat sich früh von ihm abgewendet. Im gleichen Haus wohnten nette Leute, aufgeschlossen und warmherzig. Kommunisten. Der junge Lipps ging bei ihnen ein und aus und lernte: Kommunisten sind das Gegenteil von Nazis, Kommunisten sind gute Menschen.

Später ist er selbst in die DKP eingetreten, 40 Jahre ist das her. Mut und Trotz waren damals mit im Spiel. Lipps wollte Lehrer werden, er war bereits Referendar im badischen Bühl. Doch am 28. Januar 1972 beschlossen Bundeskanzler Willy Brandt und die Ministerpräsidenten der Länder den "Radikalenerlass". Und der besagte: Kommunisten sind gefährlich.

Also versperrte man ihnen den Zugang zum öffentlichen Dienst oder entließ sie unehrenhaft. Postboten, Verwaltungsbeamte, Lehrer. Der Verfassungsschutz durchleuchtete mehr als eine Million Bewerber, die Behörden belegten Tausende mit einem Berufsverbot oder mit Disziplinarverfahren und provozierten damit heftige Proteste.

Die Erinnerungen daran kommen jetzt alle wieder hoch. Die Bespitzelung von Abgeordneten der Linkspartei, zugleich das Versagen im Kampf gegen den rechten Terror - Klaus Lipps hat das Gefühl, dass der Radikalenerlass, obwohl er nicht mehr angewendet wird, noch immer wirkt.

Lipps gehört zu den Initiatoren der Resolution "40 Jahre Berufsverbot". Darin heißt es, die Politik müsse sich endlich mit der "schwerwiegenden Beschädigung der demokratischen Kultur" durch den Erlass auseinandersetzen. Mehr als 160 Betroffene der Berufsverbote haben bereits unterschrieben. Sie verlangen ihre Rehabilitierung, die Herausgabe der Verfassungsschutz-Akten und eine materielle Entschädigung.

Zwölf Jahre Kampf mit den Schulbehörden

Klaus Lipps stand mehr als zwölf Jahre im ständigen Kampf mit den Schulbehörden. Drei Mal sollte er entlassen werden, jedes Mal hat er sich gewehrt und in langen, mühsamen Prozessen schließlich recht bekommen. Im Gegensatz zu vielen anderen habe er sehr viel Glück gehabt. Bis auf ein halbes Jahr durfte er während der ganzen Zeit weiter an der Schule unterrichten.

Doch was für ein Glück war das eigentlich? "Ich durfte keinen Fehler machen. " Klaus Lipps hat seinen Schülern Mathematik beigebracht, Französisch und Sport. Ein falsches Wort, irgendein Akt der vermeintlichen oder tatsächlichen Indoktrination - und die Gerichte hätten den linken Lehrer nicht mehr schützen können. Jeden Tag schlich Klaus Lipps nervös zum Briefkasten. Jeden Tag konnte darin neues Unheil stecken.

Einmal hat ihm jemand Rubelscheine auf seinen Platz im Lehrerzimmer gelegt. Das sollte wohl heißen: Geh' doch nach drüben! Ein anderes Mal hat jemand an die Schulwand geschmiert: "Kommunisten sind Mörder - Klaus Lipps raus!" Zu der Zeit war er bereits von Bühl nach Baden-Baden versetzt worden - das Berufsverbotsverfahren lief weiter.

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