30 Jahre Mauerfall:Feiern trotz angespannter Atmosphäre

Ein Jahr lang will Deutschland an die friedliche Revolution 1989 und das Ende der DDR erinnern. Veranstaltungen an der ehemaligen innerdeutschen Grenze, in Leipzig und Berlin sind geplant.

Von Benjamin Emonts, Berlin

Es sollen Feste der Begegnung werden, Treffen, bei denen Ost- und Westdeutsche "schonungslos debattieren" und über ihre Erfahrungen sprechen können, im Guten wie im Schlechten. So stellt sich der frühere brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck die mehr als ein Jahr dauernden Feierlichkeiten zu 30 Jahren friedlicher Revolution, Mauerfall und Deutscher Einigung vor. Am 9. November zum Beispiel, dem 30. Jahrestag des Mauerfalls, soll an 30 Orten entlang der früheren innerdeutschen Grenze gemeinsam gesprochen, gegessen und gefeiert werden. "Wir wollen näher zusammenrücken", sagte Platzeck.

Der gebürtige Potsdamer führt die 22-köpfige Kommission "30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit" aus Politikern, Wissenschaftlern und Kulturschaffenden an. Sie wurde im April von der Bundesregierung beauftragt, bis Mitte August ein umfangreiches Konzept für die Feiern zu erarbeiten, für die Finanzminister Olaf Scholz (SPD) bereits 61 Millionen Euro bewilligt hat. Am Montag stellte die Kommission die "Meilensteine" der friedlichen Revolution vor, also jene Daten und Ereignisse, die groß gefeiert werden sollen.

Platzeck sagte dabei, das Jubiläum falle in "ein schwieriges Gesamtklima". Die Stimmung zwischen Ost und West sei angespannt. Die Meinungen im Osten radikalisierten sich, wie die Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen gezeigt hätten. "Das Wessi-Bashing hat in den vergangenen zwei, drei Jahren zugenommen", sagte Platzeck. Bei den Westdeutschen wiederum stellt er ein "wachsendes Desinteresse" am Osten fest.

Die Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft fühlt sich nicht ausreichend vertreten

Besonderen Wert legt die Kommission auf den Dialog zwischen den Bürgern. Laut Markus Kerber, Staatssekretär im Innenministerium, soll herausgefunden werden, wie der Transformationsprozess das Land verändert hat und wie es den Menschen damit geht. Es sollen allerorts Zeitzeugen auf junge Menschen treffen, Bürger aus westdeutschen Städten auf solche aus ostdeutschen. Am Montag gingen die Feiern bereits los. Am 9. September 1989 wurde das "Neue Forum" gegründet, jene Bürgerrechtsbewegung in der DDR, die die Wende maßgeblich mit herbeigeführt hat. Bereits nachmittags fand dazu eine Diskussionsrunde statt. Am 30. September, dem Tag der Ausreise der Botschaftsflüchtlinge von Prag in die Bundesrepublik, soll ein Sonderzug von Dresden nach Prag fahren. Am 9. Oktober wird in Leipzig ein Volksfest gefeiert, weil vor 30 Jahren dort die erste große Montagsdemonstration mit 70 000 Menschen stattfand. Es folgen die bundesweiten Feiern anlässlich des Mauerfalls am 9. November, der ersten freien und demokratischen Volkskammerwahl in der DDR am 18. März 1990, des Inkrafttretens der Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion am 1. Juli, der Unterzeichnung des "2+4 Vertrages" am 12. September und des Tags der Deutschen Einheit am 3. Oktober.

An der Einsetzung der Kommission war in den vergangenen Monaten auch Kritik laut geworden. Dieter Dombrowski, der Vorsitzende der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft, bemängelte, sie sei zu spät einberufen worden. Zudem seien die Opfer der SED in ihr nicht vertreten. Matthias Platzeck entgegnete am Montag auf Nachfrage, dass die späte Regierungsbildung für die späte Einberufung der Kommission verantwortlich sei. Vertreter der Opferverbände würden bei den Feiern zu Wort kommen. Außerdem seien ehemalige Mitglieder der Bürgerrechtsbewegung Teil der Kommission. "Wir haben die Signale aufgenommen", sagte Platzeck.

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