30 Jahre Die Grünen:Petra Kellys wilder Haufen

Nichts wollten sie mitmachen und alles anders, später gaben sie ihr Plazet zum Kosovokrieg: Vor dreißig Jahren wurde die Partei der Grünen gegründet.

Franziska Augstein

Als die "Sonstige politische Vereinigung Die Grünen" sich am 13. Januar 1980 in der Karlsruher Stadthalle als die Partei "Die Grünen" konstituierte, glaubten viele nicht, dass aus dem Haufen undisziplinierter, unerfahrener, uneiniger, unrasierter Unholde und Unholdinnen je eine ernstzunehmende politische Kraft werden würde. Ernsthaft im herkömmlichen Sinn wollten die Grünen auch gar nicht sein.

Grüne, Kelly, Schily, ap

Otto Schily, damals noch ein Grüner, posierte neben Petra Kelly - er wusste warum.

(Foto: Foto: AP)

Tatsächlich war es erstaunlich, dass die vielfältigen Gruppen ihren eigenen Gründungsparteitag nicht sprengten: Umweltschützer und Feministinnen, Nato-Kritiker, Kommunisten und Atomkraftgegner, anarchistische Hausbesetzer, christliche Pazifisten und auch ein paar Blut-und-Boden-Schwätzer mussten sich zusammenraufen.

Einig war man sich immerhin darin, eine "Antiparteien-Partei" gründen zu wollen. Und Petra Kelly, Vorstand des "Bundesverbandes Bürgerinitiativen Umweltschutz", war die engelsgleiche und erzengelharte Jeanne d'Arc der Bewegung. Nachdem man sich also darauf einigen konnte, über alles Trennende hinweg dem politischen Establishment Paroli zu bieten, gab es ein zweites Hindernis: Diverse K-Gruppen hatten beschlossen, die Grünen zu ihrer Partei zu machen.

Fürsorglicher Dutschke

Das alarmierte die Ökopaxe, die also forderten, dass die Mitglieder der Grünen keiner anderen Partei angehören dürften - vergeblich. Die Nicht-Entscheidung, diese Frage den Landesverbänden zu überlassen, kam einem Sieg der Linken gleich. Trotzdem hatte manch ein zwanzigjähriger Kommunist das Gefühl, seine Lebensleistung werde verraten. Flugblätter verteilen, revolutionäre Schriften lesen, viel diskutieren: Sollte das alles umsonst gewesen sein?

Bei den Vorbereitungen zum Gründungsparteitag hatte Rudi Dutschke sich unter anderem darin hervorgetan, den Genossen Mut zu machen: Nein, seine Arbeit sei nicht umsonst gewesen, beschied er einem Mitglied der KPD AO, dem das Wasser in den Augen stand, der Genosse werde sie fortsetzen, aber anders.

Fürsorglich legte Dutschke dem jungen Aktivisten seine Hand auf die Schulter, worauf der wieder Mut fasste. Bald darauf starb Dutschke; sein Platz in der Karlsruher Stadthalle wurde ihm zum Andenken freigehalten.

Die Aufnahme der K-Gruppen-Leute erwies sich zumindest in einer Hinsicht als segensreich: Nicht nur waren sie - im Gegensatz zu vielen anderen Grünen - in der Lage, regelmäßig früh aufzustehen, sie verfügten zudem über Schreibmaschinen, Vervielfältigungsapparate und anderes Parteizubehör, an dem es den Grünen zunächst gebrach.

Immerhin besaß die Partei eine Startkasse: Bei der Europawahl im Sommer 1979 hatte die neue "Sonstige Politische Vereinigung Die Grünen" auf Anhieb 3,2 Prozent der Stimmen errungen, was ihr mehr als vier Millionen Mark eintrug.

"Realos" gegen "Fundis" - der Weg der Grünen zur Regierungspartei auf Seite 2.

Unrealistisch denken - trotzdem recht behalten

Joschka Fischer, Daniel Cohn-Bendit und Otto Schily traten der Partei erst später bei. Ehrgeizige Grünen-Politiker konnten sich mit dem Rotationsprinzip nie anfreunden. Und dass sie ihre Macht mit Frauen teilen sollten, schmeckte Leuten wie Fischer und Schily erst recht nicht. Das Rotationsprinzip wurde immer weniger konsequent praktiziert. Nur gegen die Frauen können die grünen Machos bis heute nichts machen.

Mit den Wölfen heulen

Noch in den siebziger Jahren hatte der hessische Ministerpräsident Holger Börner gesagt, Umweltschutz sei unwichtig. Die Grünen nahm der SPD-Politiker alter Schule nicht ernst und fand, die ungehobelten Kerle müsse man mit der Dachlatte Mores lehren.

Die Ironie der Geschichte wollte es, dass 1985 ausgerechnet unter Holger Börner erstmals ein Grüner zum Landesminister bestellt wurde: Joschka Fischer übernahm das hessische Umweltministerium.

Damit hatten die "Realos" über "Fundis" wie Petra Kelly und Jutta Ditfurth obsiegt, die der Meinung waren, dass eine alternative Partei nicht als kleiner Koalitionspartner in eine Regierung eintreten dürfe: Dann werde man mit den Wölfen heulen müssen.

Dass man unrealistisch denken und doch recht behalten kann, zeigte sich 1999, als die rot-grüne Bundesregierung - ohne Rücksicht auf das Völkerrecht - beschloss, Serbien militärisch anzugreifen. Außenminister Joschka Fischer verstieg sich zu der deplatzierten und höchst peinlichen Behauptung, Slobodan Milosevics Regierung veranstalte einen zweiten Holocaust.

Spätestens seit jenen Tagen sind die Grünen eine Partei wie andere auch. Heute fragt sich, mit wem sie künftig koalieren werden. Guido Westerwelle dürfte der Kanzlerin ziemlich auf die Nerven gehen. Es ist denkbar, dass sie sich bald lieber mit der Partei der linken Besserverdienenden als mit der FDP verständigt.

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