25 Jahre Tschernobyl:Gedenken ohne Bedenken

Ein Vierteljahrhundert nach dem Super-GAU haben Kremlchef Medwedjew und der ukrainische Präsident Janukowitsch am Atomreaktor von Tschernobyl der Opfer der Katastrophe gedacht. Beide Staatschefs setzen jedoch unbeirrt weiter auf Atomkraft.

Mit ergreifenden Gedenkfeiern, aber auch mit einem klaren Bekenntnis zur Atomkraft haben die Ukraine und Russland Tausender Opfer des Super-GAUs in Tschernobyl vor 25 Jahren gedacht.

Dmitry Medvedev, Viktor Yanukovich and Kirill attend a memorial ceremony at the nuclear power plant in Chernobyl

Dmitrij Medwedjew und Viktor Janukowitsch gedenken der Opfer von Tschernobyl. Auf Atomkraft setzen sie jedoch weiterhin.

(Foto: REUTERS)

Kremlchef Dmitrij Medwedjew kündigte in der Sperrzone um das havarierte Kraftwerk eine russische Initiative für mehr Reaktorsicherheit weltweit an. Mit seinem ukrainischen Kollegen Viktor Janukowitsch dankte er besonders den damaligen Aufräumarbeitern am Unglücksreaktor für ihren gefährlichen und für viele tödlichen Einsatz.

In Tschernobyl war am 26. April 1986 ein Reaktor bei einer Notfallübung explodiert. Vor allem dem mutigen Einsatz der "Liquidatoren" danach sei zu verdanken, dass sich das radioaktive Unheil nicht noch weiter über die Welt ausgebreitet habe, betonten die Präsidenten in Sichtweite des von einem mächtigen Sarkophag verhüllten Reaktors. Tausende Arbeiter erkrankten an den Folgen der Strahlung, viele sind inzwischen verstorben.

Am symbolträchtigen Ort der Reaktorkatastrophe forderte Medwedjew stärkere Vorschriften für die Sicherheit von Atomkraftwerken. Die Energieerzeugung mit Hilfe von Atomkraft selbst stellte er allerdings nicht in Frage. Die früheren Sowjetrepubliken Ukraine und Russland, die mit am stärksten von der Katastrophe betroffen waren, setzen weiter auf einen Ausbau der Atomkraft. Auch das ebenfalls stark betroffene und heute autoritär geführte Weißrussland will bis 2017/18 seinen ersten Atomreaktor bauen.

Die Welt müsse über eine neue internationale Konvention zur Nuklearsicherheit nachdenken, damit sich Unglücke wie in Tschernobyl und in Fukushima nicht wiederholten, sagte Medwedjew. Entsprechende Vorschläge habe er den Staats- und Regierungschefs übermittelt.

"Fukushima ist nicht Tschernobyl"

Eine Lehre aus der bis dahin schwersten zivilen Atomkatastrophe sei, dass die Wahrheit über derartige Unglücke nicht verschwiegen werden dürfe. "Wir müssen genauestens über das Geschehen informieren." Medwedjews Reise nach Tschernobyl ist der erste Besuch eines russischen Präsidenten am ukrainischen Unglücksreaktor. Medwedjew und Janukowitsch nahmen gemeinsam an einem Gottesdienst teil und begaben sich dann zum Eingang des Kraftwerks.

In Japan sagte Regierungssprecher Yukio Edano, sein Land habe in Fukushima-1 auch von den Tschernobyl-Erfahrungen profitiert. Beide Unfälle seien aber nicht vergleichbar. In Japan betrage die freigesetzte Radioaktivität ein Zehntel dessen, was in Tschernobyl in die Umwelt gelangt sei, sagte Edano. Auch sei das verstrahlte Gebiet kleiner. Umweltorganisationen stufen dagegen beide Unfälle etwa gleich schlimm ein.

Weltweites Erinnern

Ein Vierteljahrhundert nach der Katastrophe in der Ukraine hatten um 1.23 Uhr Ortszeit 25 Schläge mit der Tschernobyl-Glocke in Kiew den Jahrestag eingeläutet. Mit der Glocke beginnt traditionell das jährliche Erinnern an die Tausende Opfer des Super-GAUs in der ehemaligen Sowjetrepublik. "Bis zu diesem Zeitpunkt kannte die Menschheit keine solche Katastrophe wie Tschernobyl", sagte der Patriarch der russisch-orthodoxen Kirche, Kirill I., bei einer Trauermesse.

Weltweit gedachten Menschen der verheerenden Katastrophe vor 25 Jahren. Umweltorganisationen und Anti-Atomkraft-Aktivisten mahnten weltweit einen Ausstieg aus der Atomkraft an.

Experten schätzen den Schaden durch Tschernobyl auf 124 Milliarden Euro. Der provisorisch abgedichtete Reaktorblock von Tschernobyl droht seit Jahren einzustürzen. Ein neuer Sarkophag soll den brüchigen Schutzmantel ersetzen. Unter dem Provisorium aus Stahl und Beton vermuten Experten noch 190 Tonnen hoch radioaktives Material.

Der ukrainische Regierungschef Mikola Asarow forderte internationale Finanzhilfen zur Bewältigung der Folgen von Tschernobyl. Trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten habe die Ukraine diese Kosten 20 Jahre lang allein getragen, erklärte Asarow. Die Katastrophe habe "soziale und wirtschaftliche Probleme" hinterlassen, die auch in vielen Jahren noch nicht überwunden seien. Die Kosten für den Bau eines neuen Sarkophags um den zerstörten Reaktor sind bisher noch nicht gedeckt. Auch nach einer internationalen Geberkonferenz in der Vorwoche fehlen noch mehr als 200 Millionen Euro für die Finanzierung des Jahrhundert-Projekts.

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