Süddeutsche Zeitung

200 Jahre Schlacht von Waterloo:Blutrot sind hier nur die Uniformen

Es ist ein Spiel, das mit großem Ernst betrieben wird: 5000 Geschichtsfans stellen in Belgien die Schlacht von Waterloo nach. Auf historische Authentizität legen sie großen Wert. Doch das klappt nicht immer.

Eigentlich dauerte die Schlacht von Waterloo nur einen Tag: den 18. Juni 1815. Zum 200. Jubiläum wird sie allerdings auf drei Tage ausgedehnt. 5000 Darsteller werden die Kämpfe am Wochenende an den Originalschauplätzen im heutigen Belgien nachspielen. Hunderttausende Zuschauer werden erwartet.

Fast 200 000 französische, britische und preußische Soldaten standen sich bei Waterloo gegenüber. 1813 hatten die alliierten Truppen Napoleon bei Leipzig schon einmal besiegt und auf die Insel Elba verbannt. Nicht weit genug: Der Korse kehrte zurück, riss die Herrschaft in Frankreich für 100 weitere Tage an sich und forderte Europa noch einmal heraus. Erst die Niederlage bei Waterloo beendete die napoleonische Ära endgültig.

Die Veranstalter wollen mit den Feierlichkeiten zum Jahrestag der Schlacht - hier ein Bild von der Eröffnungsfeier - eine "Botschaft des Friedens und der Demokratie um die Welt senden". Eine mutige Zielsetzung: Am 18. Juni 1815 lieferten sich die Armeen bei Waterloo ein wahres Gemetzel. Mehr als 10 000 Soldaten lagen am Ende des Tages tot auf dem angeblichen Feld der Ehre.

Verharmlosen solche Reenactments nicht die historische Realität? "Die Grausamkeit, den Lärm, den Schmerz, das kann man nicht nachbilden", sagt der irische Historiker Brendan Simms im SZ-Interview. Gegen die Darbierungen hat er aber trotzdem nichts, Interesse an der Geschichte sieht er grundsätzlich positiv.

Verharmlosen solche Reenactments nicht die historische Realität? "Die Grausamkeit, den Lärm, den Schmerz, das kann man nicht nachbilden", sagt der irische Historiker Brendan Simms im SZ-Interview. Gegen die Darbierungen hat er aber trotzdem nichts, Interesse an der Geschichte sieht er grundsätzlich positiv.

Weltgeist mit Pferd: Seit zehn Jahren schon mimt der französische Rechtsanwalt Frank Samson Kaiser Napoleon. Er wird der Star des Reenactments sein, auch wenn Napoleon bei Waterloo bekanntlich endgültig besiegt und anschließend auf die Insel St. Helena verbannt wurde. Wirklich verwunden haben viele Franzosen diese Niederlage offenbar bis heute nicht. Belgien hätte gerne eine 2-Euro-Münze zum Gedenken an den 200. Jahrestag der Schlacht von Waterloo herausgegeben - Frankreich verhinderte den Plan. In den französischen Uniformen werden bei der Nachstellung der Schlacht vor allem Belgier, Niederländer, Deutsche und Russen stecken - Franzosen haben sich nicht in ausreichender Zahl gefunden. Und auch Frank Samson hängt den napoleonischen Zweispitz womöglich bald an den Nagel. Er will umsatteln und in Zukunft lieber einen Cowboy spielen als den französischen Kaiser.

Die Rolle des preußischen Feldmarschalls Gebhard Leberecht von Blücher übernimmt der 78-jährige Leipziger Rentner Klaus Beckert (hier ein Portrait). Auf dem Bild sieht man ihn bei der Rekonstruktion der Schlacht von Ligny, aus der Napoleon vier Tage vor Waterloo zum letzten Mal als Sieger hervorging. Was Beckert reizt am Nachstellen historischer Schlachten? "Es ist schon aufregender, wenn Soldaten einen als 'Blücher' anrufen, als den Müll rauszubringen."

Ein bisschen allergisch reagieren die Freunde des aktiven Geschichtsinteresses, wenn man von "Kostümen" oder "Verkleidungen" spricht. Auf historische Authentizität wird penibel geachtet, egal ob es um die Uniformen geht, ...

die Bewaffnung, ...

den Ton gegenüber Untergebenen, ...

die Unterbekleidung, ...

die weibliche Begleitung, ...

die Verpflegung ...

oder den Gesichtsschmuck.

Doch bei allem Bemühen um historische Genauigkeit: Auf manche Errungenschaften des 21. Jahrhunderts wollen die Darsteller dann doch nicht verzichten.

Und auch diese drei nehmen es mit der historischen Wahrheit nicht immer ganz genau: Napoleon, Blücher und der englische General Wellington üben die Konfrontation schon einmal auf dem Schachbrett. So ernsthaft sie ihre Rollen auch nehmen - es bleibt eben doch ein Spiel.

Zwei, die sich gut verstehen dürften: Napoleon, der Großbritannien einst mit einer Kontinentalsperre von Europa abschnitt, um das Land wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Und Nigel Farage, ehemaliger Chef der britischen Partei Ukip, der sich einen Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU wünscht, gewissermaßen eine moderne Form der Kontinentalsperre. Die französische Zeitung Le Monde hat den Kreis geschlossen, als sie sich am Donnerstag auf englisch an die Briten wandte und schrieb: "Brexit could be your Waterloo!"

Das größte und sichtbarste Denkmal für die Schlacht von Waterloo ist die sogenannte Butte de Lion: der Löwenhügel. 1820 ließ König Wilhelm I. von Oranien am Ort der Schlacht einen Berg aufschütten und zu Ehren seines bei Waterloo leicht verwundeten Sohnes einen bronzenen Löwen darauf errichten - gegossen, so zumindest die Legende, aus den Waffen, die die geschlagenen Franzosen auf dem Schlachtfeld zurückgelassen hatten.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.2528430
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/pamu
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.