200. Geburtstag von Abraham Lincoln:Von der Blockhütte ins Weiße Haus

So fand Lincoln den Weg in die Kinderzimmer: Ein Bausatz seiner legendären Blockhütte hat sich in den USA bis heute über 100 Millionen Mal verkauft.

Nora Sobich

Die Blockhütte halten manche Amerikaner für so wichtig wie den Weißkopfseeadler oder die Stars and Stripes. Im amerikanischen Mythos von der Härte der Pionierzeit symbolisiert das schlichte, aus rohen Baumstämmen gezimmerte Holzhaus den Erfindungsreichtum und das Durchhaltevermögen von Amerikas ersten Siedlern.

200. Geburtstag von Abraham Lincoln: Blockhütte fürs Kinderzimmer: Für das Großbild auf die Lupe klicken!

Blockhütte fürs Kinderzimmer: Für das Großbild auf die Lupe klicken!

(Foto: Foto: oh)

Der Inbegriff aller Blockhütten ist in Hodgenville, Kentucky, als Nachbau zu besichtigen. Nicht größer als dreißig Quadratmeter war die "Log Cabin", in der Abraham Lincoln aufwuchs. Lincoln war zwar nicht der erste US-Präsident, dem seine bescheidene Kindheit in einer Blockhütte Glaubwürdigkeit verschafft hat, aber er war der Präsident, mit dem die "Log Cabin" zum Symbol einer typisch amerikanischen Geschichte wurde. Wie die Phrase "Vom Tellerwäscher zum Millionär" beschreibt der Aufstieg von der "Log Cabin to the White House", dass es jeder, egal welcher Herkunft, ganz nach oben schaffen kann.

Die originale "Lincoln Cabin" können sich Kinder ab drei Jahren in Amerika seit fast einem Jahrhundert auch zu Hause nachbauen. Das Baukastenset mit Holzbausteinchen in Form von Baumstämmen brachte der Architekt John Lloyd Wright 1918 auf den Markt, der zweitälteste Sohn von Frank Lloyd Wright.

Die "Lincoln Logs" haben sich bis heute über 100 Millionen Mal verkauft. "America's National Toy", wie das Spielzeug lange vermarktet wurde, konnten selbst Konkurrenten wie Lego nicht verdrängen. Zu jedem Exemplar gab es neben einer Anleitung für die "Lincoln Cabin" anfangs gleich noch eine für die literarische "Onkel Toms Hütte" von Harriet Beecher Stowe. Als Präsident, der die Union geeint und die Sklaven befreit hat, hatte Abraham Lincoln die Schriftstellerin natürlich auch gelesen und sie als "die kleine Lady, die diesen großen Krieg entfacht hat" geschätzt.

Wrights Spielzeug wurde ein Kinderklassiker. Er war nicht der Einzige, der früh erkannte, welche Zugkraft der Name Lincoln besaß. Die Firma Waterman betextete 1925 ihr Lincoln-Schreibgerät: "Mit wenigen Strichen seines Füllfederhalters hob Lincoln die Sklaverei auf." Und Fords Edelmarke "Lincoln" wurde Staatskarosse.

Von der Blockhütte ins Weiße Haus

Wrights "Lincoln Logs" sollten für Jungs und Mädchen den "unerschrockenen Geist" und die "Kühnheit" der Pioniere lebendig machen. In den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts waren die Wildnis, der Westen und die Frontier zwar schon Klischee, aber die Blockhütte erlebte ihr Revival.

Der "Rustic Style", den die Pioniere von den skandinavischen Einwanderern übernommen hatten, brachte mondäne Architektur hervor - wie beim "Old Faithful Inn" von Robert C. Reamer oder den alpinen Villen der "Great Camps" in den Adirondocks - und erwies sich zugleich erneut als massentaugliches Bauprinzip, das in seiner Einfachheit als demokratisch galt. Als in den dreißiger Jahren die Stahl-Glas-Ideologie des Bauhauses nach Amerika kam, spotteten amerikanische Architekten über diese "neuen Blockhütten".

In den Depressionsjahren fand die neue Outdoor- und Naturbegeisterung der Amerikaner in Gestalt der Blockhütte Ersatz für das abenteuerlose moderne Leben. Während im Zuge des "New Deal" von Franklin D. Roosevelt die zivile Beschäftigungsarmee "Civilian Conservation Corps" über drei Millionen Bäume pflanzte und überall im Land die Nationalparks mit Blockhütten ausrüstete, die größtenteils noch heute stehen, spielten die Kleinen die BlockhüttenRomantik der Großen auf dem Teppich nach. Wrights "Lincoln Logs", deren Bauprinzip so schlicht wie bei den echten Blockhütten funktioniert, wo die Stämme an den Ecken verzahnt übereinander gelegt werden, folgten Dutzende von Nachahmerprodukten.

Erstaunlicherweise geht das Konstruktionsprinzip der "Lincoln Logs" aber gar nicht auf die Lincoln-Blockhütte, sondern auf Frank Lloyd Wright zurück. Sein Sohn berichtete, dass ihm der Einfall 1916 in Tokio gekommen ist, wohin er den berühmten Vater begleitet hatte, als dieser dort das legendäre, inzwischen abgerissene "Imperial Hotel" errichtete. Die Bauweise, die der Architektenvater entwickelt hatte, um das Gebäude erdbebensicher zu machen, indem er die Betonblöcke versetzt übereinander legte, sei das Vorbild gewesen.

Heute findet man die populären Holzbausteine, mit denen inzwischen auch "New Frontier"-Spiele wie "Pony Express" oder "Big Valley Barn" gebaut werden können, in den USA in kleinen Spielzeugläden wie in den Großmärkten. Dabei spielt die Anlehnung an einen romantischen "American Spirit" kaum mehr eine Rolle; es ist die Einfachheit des Spielzeugs, die es zu einem selbstverständlichen Alltagsobjekt gemacht hat.

Selbst Abraham Lincoln ist in den Hintergrund getreten. Dass auf der derzeitigen 100-Steine-Sonderausgabe der "Lincoln Logs" in diesem Jahr nun "Bicentennial Edition" steht, sorgt bloß für Irritation: Ob denn das Spielzeug schon 200 Jahre alt wäre, fragen manche - bis ihnen das runde Jubiläum ihres großen Präsidenten einfällt.

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