Zum Tod des CSU-Politikers Friedrich Zimmermann:Der Mann, der die heißen Eisen liebte

Sie nannten ihn "Old Schwurhand": Der ehemalige Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann hat es sein politisches Leben lang genossen, als harter Hund zu gelten, als Law-and-Order-Mann. Eigentlich war er aber ein Konservativer - mit liberalen Spurenelementen.

Heribert Prantl

Franz Heubl, ein früherer bayerischer Landtagspräsident von der CSU, wurde einmal gebeten, das Wesen seiner altbayerischen Landsleute zu beschreiben. Er tat das mit einem trefflichen Dreiklang: Sie sind, sagte er, "vital, brutal und sentimental". Heubl hatte da wohl vor allem seinen Parteifreundfeind Franz Josef Strauß im Kopf. "Urviecher" nennt man solche Leute durchaus respektvoll im Bayerischen, und das ist ein Wort, das mit dem hochdeutschen "Urgestein" nur sehr unvollkommen übersetzt ist. Friedrich "Fritz" Zimmermann war ein bayerisches "Urviech" wie Franz Josef Strauß, zu dessen politischer Kerntruppe in der CSU er seit jeher gehörte.

Friedrich Zimmermann gestorben

Im Gespräch mit CSU-Chef Franz Josef Strauß: Friedrich Zimmermann (rechts) 1978, damals an der Spitze der CSU-Landesgruppe in Bonn. 

(Foto: dpa)

Zimmermann hat es sein politisches Leben lang genossen, als harter Hund zu gelten, als Law-and-Order-Mann, obwohl er eigentlich, und im Alter brach das dann wieder durch, ein Konservativer mit liberalen Spurenelementen war. Er verstand es freilich als Innenminister (nicht nur) mit einer scharfen Ausländerpolitik diese zu verwischen. Vor etlichen Jahren, lang nach dem Ausscheiden aus der Politik, als er nur noch Anwalt in München und Jäger auf dem Hochsitz war, empfahl er seiner Partei eine Koalition mit den Grünen - das sei immer noch besser als eine große Koalition mit der SPD.

"Maschinist der Macht"

Wegen Strauß, seinem Vorbild und Freund, trat Zimmermann 1948 in die CSU ein; und mit Strauß machte er Karriere, als sein getreuer Hausknecht, wurde er in Bonn 1982 Innenminister. Die FAZ hat ihn mal als "Maschinisten der Macht" bezeichnet; das ist ohne Zweifel richtig. Ohne den Maschinisten hätte es womöglich keine übermächtige CSU in Bayern gegeben, wäre die CSU lange Zeit von der Bayernpartei gepiesackt worden. Diese Bayernpartei war jedenfalls mit der SPD in der legendären Vierer-Koalition, die Mitte der Fünfziger Jahre die CSU aus der Regierung verdrängt hatte.

Die Bayernpartei nahm der CSU Stimmen weg und musste deshalb vernichtet werden. Das war eine Aufgabe für den Maschinisten: Zimmermann, Leutnant der Reserve bei Kriegsende, studierter Jurist und Volkswirt, gelernter bayerischer Staatsanwalt, war damals erst Hauptgeschäftsführer und dann Generalsekretär der CSU, sammelte belastendes Material gegen wichtige Männer der Bayernpartei - und verstrickte sie in die "Spielbankenaffäre", die mit Strafurteilen endete.

Wegen Falscheids verurteilt

Er selbst behielt aus dieser Zeit sein Leben lang den Namen "Old Schwurhand"; er wurde nämlich zunächst wegen Falscheids verurteilt, dann aber 1961 in zweiter Instanz freigesprochen, weil er bei seiner Straftat wegen "Unterzuckerung seines Blutes" geistig vermindert zurechnungsfähig gewesen sein soll. Diese Geschichte wurde das politische Leben Zimmermanns lang immer wieder aufgewärmt, hinderte aber sein Fortkommen nicht. Im Gegenteil: Sie hat, wie seines Sangesgabe, den kraftvollen Ruf des Politikers gefördert. Wenn er nicht Bundesinnenminister (von 1982 bis 1989) und Bundesverkehrsminister (von 1989 bis 1991) geworden wäre, wäre er am liebsten ein Pavarotti geworden: So eine Stimme hätte er gern gehabt. Aber für sein Lieblingslied "I hob zwoa Ross im Stall" hat auch seine Original-Stimme ausgereicht.

Zimmermann hat sich, so hat das Nina Grunenberg einmal in der Zeit geschrieben, die Hände gewärmt "an sämtlichen heißen Eisen", die ihm die FDP, der damalige Koalitionspartner in Bonn, hinhielt. Da ist eine kleine Korrektur ist notwendig: Er hat die heißen Eisen, als Landesgruppenchef der CSU zum Beispiel, oft geradezu lustvoll zu sich hergezogen. Das Ausländergesetz, das er als Innenminister 1987/88 schreiben ließ, war eine Beleidigung für die Ausländer in Deutschland; es war, lange vor Sarrazin, ein Sarrazin-Pamphlet. Es bereitete die Agitation gegen den Fremden vor, die dann in den folgenden Jahren zur Änderung des Asylgrundrechts führte. Unter der Ägide des nächsten Bundesinnenministers Wolfgang Schäuble wurde dann ein neuer, moderaterer Gesetzentwurf geschrieben.

Lehrstunde des Bundesverfassungsgerichts

Einmal, das war 1983, hat das Bundesverfassungsgericht Zimmermann eine Lehrstunde erteilt: Das höchste Gericht ließ 30 Millionen Formulare für die Volkszählung, die er vorbereitet hatte, in den Reißwolf werfen - der Minister hatte mit vielem, aber nicht mit dem Datenschutz und dem damals von Karlsruhe neu geschaffenen "Recht auf informationelle Selbstbestimmung" gerechnet. Die Richter wandten sich - das ist bis heute aktuell - gegen eine Gesellschaftsordnung, "in der die Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß". Im Gespräch konnte Zimmermann, jedenfalls im höheren Alter, nachdenklich über solche Dinge reden. Als aktiver Politiker und Liberalen-Fresser tat er, als verstünde er gar nicht, was die in Karlsruhe da meinen.

Das war der eine Zimmermann. Der andere war der Umweltpionier, der die Einführung des Katalysators für Kraftfahrzeuge mit einem Eifer vorantrieb, als hätte er damals schon eine Koalition mit den Grünen im Auge gehabt. Seinen späteren Nachfolger im Innenminister-Amt, der bekanntlich von den Grünen zur SPD kam, hat er mal gesagt: "Passen's auf, dass Sie mich nicht rechts überholen."

Den Ruhestand hat er genossen, wie das sonst kaum einer zu Wege bringt. Am Sonntag ist Friedrich Zimmermann im Alter von 87 Jahren im österreichischen Filzmoos gestorben.

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