Wikileaks: Julian Assange vor Gericht:Ein Ort, der Ängste schürt

Wikileaks-Gründer Julian Assange wird in London vor Gericht angehört. Allerdings nicht vor irgendeinem: In dem Gefängnis von Belmarsh sitzen Terrorverdächtige ein - was in der Internetgemeinde neue Spekulationen auslöst.

Kathrin Haimerl

Nach nur zehn Minuten war der Termin auch schon vorbei: In London musste Wikileaks-Gründer Julian Assange zum ersten Mal seit seiner Freilassung auf Kaution vor vier Wochen wieder vor Gericht erscheinen. Dem 39-jährigen Internetaktivisten wird in Schweden Vergewaltigung und sexueller Missbrauch zur Last gelegt.

Wikileaks: Julian Assange vor Gericht: Julian Assange auf dem Weg in den Gerichtssaal von Belmarsh im Südosten Londons.

Julian Assange auf dem Weg in den Gerichtssaal von Belmarsh im Südosten Londons.

(Foto: AP)

Zwar ging es an diesem Dienstag nur um Verfahrensfragen: Assange, der im dunkelblauen Anzug in den Gerichtssaal kam, musste nur seinen Namen, Wohnort und Adresse angeben. Unter seinen Anhängern hatte der Termin trotzdem für Wirbel gesorgt. Grund dafür war der Ort: Das Auslieferungsverfahren im Fall des Australiers wurde an den Belmarsh Magistrates' Court im Südosten Londons verlagert. Das dortige Hochsicherheitsgefängnis beherbergt seit jeher recht illustre Verbrecher, auch Großbritanniens legendärer Posträuber Ronald Biggs saß hier schon ein.

Assanges Anhänger freilich stören sich weniger an der Figur von Biggs als vielmehr an der Tatsache, dass in dem Gefängnis Häftlinge der Kategorie A einsitzen, das sind solche, die die Behörden als "höchst gefährlich für die nationale Sicherheit" einstufen. Terrorverdächtige also. Und besonders schwere Jungs.

Die Nachricht, dass das Verfahren nach Belmarsh verlagert werden sollte, hatte sich über den Wikileaks Twitter-Account verbreitet. Darin hieß es, der Fall Assange gehe an ein "Terror-Gericht" mit Link auf einen Bericht der BBC aus dem Jahr 2004, der das dortige Hochsicherheitsgefängnis beschreibt.

Daraufhin verbreitete sich über einen Blog und in sozialen Netzwerken das Gerücht, wonach Assange als Terrorverdächtiger behandelt werden solle. Neue Nahrung also für die Spekulationen um den Wikileaks-Gründer, den namhafte US-Politiker, wie zum Beispiel der Senator Mitch McConnell, als High-Tech-Terrorist bezeichnet hatten.

Großbritanniens Guantánamo Bay

Hinzu kommt, dass es nach britischem Recht möglich ist, Terrorverdächtige ohne reguläres Gerichtsverfahren festzuhalten. Dies sieht der Terrorism Security Act aus dem Jahr 2001 vor. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte deshalb das Gefängnis Belmarsh bereits mit Guantánamo Bay verglichen. Assange steht künftig vor dem Richter Nicholas Evans, der auch schon den radikalislamischen Hassprediger Abu Hamza verhört hat.

Zwar prüfen US-Behörden schon länger, wie sie Assange juristisch zu Leibe rücken können. Derzeit aber liegen weder Terrorismus-Anschuldigungen, noch ein Auslieferungsgesuch der USA gegen Assange vor.

Nun sind Gefängnisse und Gerichte auch in Großbritannien getrennte Einrichtungen. Zunächst beschäftigt sich die Justiz mit dem Fall Assange, nicht die Exekutive. Schweden fordert wegen des Vorwurfs der Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs die Überstellung des Australiers. Um diese Frage soll es in Belmarsh dann am 7. und 8. Februar gehen. Assanges Anwälte haben inzwischen Stichpunkte zu ihrer Verteidigungsstrategie im Internet veröffentlicht.

Der zuständige Richter hatte die Verlagerung des Falles an das Gericht im Südosten Londons folgendermaßen begründet: Der Saal ist groß, somit könne man dem Andrang von Journalisten aus aller Welt gerecht werden. Bei vergangenen Verhandlungen war es immer wieder aufgrund des hohen Medienandrangs und Protesten auf den Straßen zu chaotischen Szenen gekommen. Die vorhergehenden Anhörungen fanden am Westminster Magistrates Court statt.

Britische Reporter indes vermuten andere Motive. Man wolle ihnen die Berichterstattung erschweren, weil die Sicherheitsvorkehrungen in dem Gerichtssaal sehr viel höher seien.

Allen Gerüchten im Netz zum Trotz sitzt Assange derzeit nicht in einem Hochsicherheitstrakt ein. Der Australier hat zwar seit seiner Freilassung Hausarrest, dies aber unter recht luxuriösen Bedingungen. Er wohnt bei einem Gönner auf einem Landsitz in Norfolk, wo er Journalisten empfängt - unter anderem einen Reporter der Süddeutschen Zeitung.

Nach dem Gerichtstermin in London kündigte Assange an, dass in Kürze neue Dokumente über die Medienpartner des Enthüllungsdienstes verbreitet würden. Wikileaks hatte im Dezember Pläne für die Veröffentlichung von Dokumenten bekanntgegeben, die unethische Praktiken einer US-Großbank belegen sollen.

Zuvor hatte der Wikileaks-Gründer Details zur finanziellen Lage des Portals bekanntgegeben: "Wir können nicht überleben, wenn es in dem Tempo weitergeht", sagte Assange dem französischen Radiosender Europe 1. Er gehe davon aus, dass das Portal wöchentlich 500.000 Euro verliert.

Weil alle Konten des Portals gesperrt wurden, gebe es Probleme bei der Überweisung von Spendengeldern. Der Australier hatte Schweizer Medien am Montag gesagt, das Portal habe seit Beginn der Veröffentlichung von diplomatischen Geheimdepeschen mehr als 480.000 Euro pro Woche verloren.

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