Westbalkanstaaten:EU-Beitritt? Ja, Bitte!

French President Francois Hollande attends a signing agreement during a Western Balkans summit at the Elysee Palace in Paris

Gut gelaunt im Élysée-Palast: Die Teilnehmer der Balkankonferenz

(Foto: REUTERS)

Die Briten mögen austreten, doch die Staaten Südosteuropas drängen nach wie vor in die EU. Auch ärmere Länder haben Wünsche und Ideale, die über die Schaffung neuer Arbeitsplätze hinausgehen.

Kommentar von Nadia Pantel

Kein schönes Gefühl: etwas haben zu wollen, das anderen nicht mehr gut genug ist. Einen Laib Brot vom Vortag zum Beispiel - oder die Europäische Union. So fühlt sich das momentan an auf dem Balkan: Nachdem die Briten Brüssel den Rücken kehren wollen, gehen dort dennoch die Hände in die Höhe. EU-Beitritt? Ja, bitte! Die Regierungschefs von Serbien, Albanien, Mazedonien, Kosovo, Bosnien und Herzegowina und Montenegro haben gerade wieder bekräftigt, dass sie gerne Teil der Union wären.

Das kann man eine schlechte oder eine gute Nachricht finden. Man kann es als Zeichen der Schwäche der EU deuten und sagen, dass sie nur noch diejenigen anzieht, die alleine kaum noch stehen können; die wirtschaftlich schwachen und politisch labilen Länder Südosteuropas. Oder man kann es als Zeichen der Stärke deuten, dass sich die Mehrheit der Bürger auf dem Balkan eher vom westlichen Wohlstands-Versprechen angezogen fühlt, als von den Avancen Russlands.

Europas ökonomische Attraktivität ist für die Länder außerhalb der Gemeinschaft ungebrochen - ein übrigens nicht unwichtiges Argument im Brexit-Lager, das seinen Isolationswunsch genau damit begründet: Die Jobs und die Kultur des Westens würden von Sozialeinwanderern aus dem Osten bedrängt. Hier das gute, alte Europa mit Geld und höheren Werten, dort das schäbige Plattenbau-Europa voller Bedürftiger. Ist der Osten erst mal da, muss man raus aus dem System.

Um dieser Rhetorik zu folgen muss man kein Nationalist sein. Sie funktioniert auch gut im linken Lager, das die Bedrohung des europäischen Gedankens in Polen und Ungarn verortet. Es stimmt, dass in Warschau und Budapest ein illiberaler Umbau der Gesellschaft stattfindet.

Aber der Blick auf AfD, Front National oder FPÖ zeigt, dass dieser illiberale Geist ein europäisches, kein osteuropäisches Phänomen ist. Auch in Warschau, Zagreb und Sarajevo kämpfen Menschen gegen nationalistische Abschottung.

Wunsch, Teil einer Gemeinschaft zu sein

Auch ärmere Länder haben Wünsche und Ideale, die über die Schaffung von Arbeitsplätzen hinausgehen. Wenn ein Serbe oder Bosniake in die EU möchte, dann nicht nur, damit am Ende des Monats mehr Geld auf dem Konto ist. Sondern auch, weil die Erinnerung an den Zusammenbruch einer Union noch frisch ist.

Als die Briten für den EU-Austritt stimmten, war es fast auf den Tag genau 25 Jahre her, dass Kroaten und Slowenen sich von Jugoslawien lossagten. Die Regierung in Belgrad ließ die Bürger diese Entscheidung für die Unabhängigkeit blutig bezahlen.

Heute geht es in der Frage der Einigkeit Europas nicht um Krieg oder Frieden. Doch für viele Menschen auf dem Balkan geht es um den Wunsch, wieder gemeinsam Teil einer Gemeinschaft zu werden. Dieser Wunsch wird oft genug von den nationalistischen Regierungen von Skopje bis Belgrad behindert. Brüssel muss gerade in Osteuropa der Partner derjenigen bleiben, die ihre Zukunft in der Zusammenarbeit, nicht in der Abgrenzung sehen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: