Unruhe in der CDU:Angriff auf das Elterngeld

Fünf Milliarden Euro kostet das Elterngeld den Staat jedes Jahr, doch der Geburtenrückgang wird durch die Leistung offenbar nicht gestoppt. Ein CDU-Wirtschaftspolitiker will sie jetzt überprüfen lassen - und stößt damit vor allem die eigene Partei vor den Kopf.

Robert Roßmann, Berlin

Wegen der sinkenden Geburtenzahlen ist in der CDU eine Debatte über die Nützlichkeit des Elterngeldes entbrannt. Der Wirtschaftspolitiker Thomas Bareiß sagte, die Leistung habe ihren Zweck nicht erreicht und müsse deshalb überprüft werden. Es sei ein Irrglaube, Mehrausgaben führten zwangsläufig zu mehr Kindern.

Weniger Nachwuchs für Deutschland

Allem Elterngeld zum Trotz - die Geburtenrate in Deutschland sinkt. Ist die Leistung daher überflüssig?

(Foto: dpa)

Bareiß ist in der Unionsfraktion des Bundestages stellvertretender Vorsitzender der mächtigen Landesgruppe Baden-Württemberg, außerdem ist er eines der führenden Mitglieder des konservativen Berliner Kreises.

Die Entscheidung für Kinder liege in den meisten Fällen nicht am Geld, sagte Bareiß der Rheinischen Post. Außerdem gebe es beim Elterngeld erhebliche Mitnahme-Effekte. Dies gelte vor allem für die sogenannten Vätermonate. Der Berliner Kreis hat erst vor wenigen Tagen angekündigt, im August ein Gründungsmanifest vorzulegen. Darin will sich die konservative Gruppe vom Modernisierungskurs Angela Merkels absetzen.

Das Elterngeld wurde im Jahr 2007 eingeführt. Es wird maximal 14 Monate lang an Väter und Mütter gezahlt. Die Leistung, die sich am Einkommen des betreuenden Elternteils vor der Geburt orientiert, beträgt höchstens 1800 und mindestens 300 Euro. Mit einem Aufwand von fast fünf Milliarden Euro ist das Elterngeld eine der teuersten Einzelleistungen im Bundeshaushalt.

CDU weist Kritik am Elterngeld zurück

Bei seiner Einführung hieß es, damit solle auch der Geburtenrückgang - vor allem bei Akademiker-Frauen - bekämpft werden. Am Montag war jedoch bekannt geworden, dass die Zahl der Geburten auf den niedrigsten Stand in der Geschichte der Bundesrepublik gesunken ist.

Für die Führung der CDU kommt die Debatte über das Elterngeld äußerst ungelegen. Wegen des Streits um das Betreuungsgeld ist die Partei in der Familienpolitik derzeit bereits stark in der Defensive. Um den Streit nicht anzufachen, hielt sich die Parteispitze am Dienstag mit Erklärungen zurück. Aus der Bundes-CDU verlautete lediglich, man weise die Kritik von Thomas Bareiß zurück. Die CDU wolle auch weiterhin "Familien bestmöglich unterstützen", das Elterngeld sei "dabei ein wichtiges Instrument".

Die Frauenunion (FU) und das Bundesfamilienministerium wurden jedoch deutlicher. Die FU-Vorsitzende Maria Böhmer sagte, die jetzt eröffnete Debatte "verunsichere werdende Eltern". Das Elterngeld ermögliche Frauen und Männern auch, Erziehung und Beruf besser zu vereinbaren.

Es stärke die "Partnerschaft von Mann und Frau". Außerdem sei es ein Anreiz für Väter, zusätzliche Verantwortung für die Kindererziehung zu übernehmen. Böhmer verwies darauf, dass mittlerweile jeder vierte Vater Elterngeld in Anspruch nimmt.

Im CDU-geführten Familienministerium hieß es, das Elterngeld sei keine "Gebärprämie". Mit ihm solle vielmehr ein "Schonraum" für Familien geschaffen werden. Ohne die Leistung müsste der Großteil der Mütter aus finanziellen Gründen bereits acht Wochen nach der Geburt wieder arbeiten gehen. Dass dies fast alle Eltern nicht wollten, zeige die Akzeptanz des Elterngeldes: 97 Prozent der Berechtigten würden es nutzen.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles sagte Süddeutsche.de, die Debatte zeige, dass "große Teile der Union nach wie vor mit einer modernen und klugen Familienpolitik fremdeln". Familienpolitik funktioniere "nicht auf Knopfdruck". Sie brauche "Zeit und Beständigkeit, um ihre Wirkung zu entfalten" und könne "nicht kurzfristig an der Geburtenrate" gemessen werden.

"Leute wie der CDU-Mann Thomas Bareiß" hätten "immer noch nicht begriffen, dass das Elterngeld keine Geburtsprämie ist". Es solle vielmehr "den veränderten Lebensentwürfen von Frauen und Männern gerecht werden und in der frühen Elternzeit helfen, dass sich Väter und Mütter ohne wirtschaftliche Sorgen selbst um ihr Kind kümmern können".

Wer - wie Bareiß - das Elterngeld in Frage stelle, sorge "für massive Verunsicherung bei Eltern und solchen, die es werden wollen". Offenbar reiche "das unsinnige Festhalten am so genannten Betreuungsgeld noch nicht, nun wird auch noch das Elterngeld in Frage gestellt". Statt "Kontinuität und Sicherheit" produziere die Koalition "Chaos in der Familienpolitik".

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