Wahlkampf:Die SPD verwirrt ihre Wähler

SPD Sigmar Gabriel Peer Steinbrück

Sind sie sich in Sachen Steuerpolitik wirklich einig? Gabriel (l.) und Steinbrück 

(Foto: dpa)

Steuern rauf oder runter? Diese Frage trennt Rot-Grün in markanter Weise von Schwarz-Gelb. Wer diesen Unterschied verwischen will, gewinnt keine Wähler, sondern vertreibt sie.

Ein Kommentar von Susanne Höll, Berlin

Es kommt öfter vor, dass die Bürger die Botschaften der Politiker nicht kapieren. Daran sind in den meisten Fällen aber nicht die Bürger, sondern die Politiker schuld. Weil sie verschwiemelte Sätze von sich geben, manchmal auch Widersprüchliches, mit dem Ziel, ihre Projekte und Pläne in ein besseres Licht zu rücken. Und damit wären wir bei der SPD. Die hat sich in den vergangenen zwei Wochen bemüht, ihre öffentlich viel kritisierten Steuererhöhungspläne zu verzuckern.

Die ursprüngliche Botschaft stammt vom Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück persönlich. Wenn es ihm als Kanzler gelingen sollte, durch einen härteren Kampf gegen Steuerflucht und -kriminalität zusätzliche Milliarden in die Staatskasse zu spülen, könne man irgendwann auch wieder die Steuern senken. Dagegen ist überhaupt nichts einzuwenden.

Im Gegenteil. Diese Worte hätte man sich von den SPD-Granden längst gewünscht. Eineinhalb Jahre lang ließen sich die Sozialdemokraten von Schwarzen und Gelben das Etikett der finanzpolitischen Ewiggestrigen und Sozialromantiker ankleben, die Steuern allein des Prinzips wegen in die Höhe treiben wollen. Das SPD-Finanzkonzept, für das Gut- und Spitzenverdiener bezahlen sollen, ist vernünftig und gerechtfertigt. Jedenfalls dann, wenn eine Bundesregierung tatsächlich den Schuldenabbau vorantreibt, mehr Geld für Bildung ausgibt und Deutschlands marode Straßen und Brücken saniert.

Verwirrung um eine überfällige Botschaft

Die Botschaft, dass die SPD die Steuerbelastung der Bürger mindern kann und will, wenn es denn irgend geht, war also überfällig. Wer allerdings, wie der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel, ein ganzes Wochenende lang den Eindruck erweckt, die Partei rüttele aus Angst vor einer Wahlniederlage an ihrem längst beschlossenen Steuerprogramm, schafft keine Klarheit, sondern Verwirrung. Selbst Mitglieder des Bundesvorstandes waren zwischenzeitlich ziemlich verstört.

Fünf Wochen vor der Bundestagswahl muss die SPD, besser gesagt: deren Spitze, mit allerlei Unbill, aber auch einem hausgemachten Problem kämpfen: Man kann diese Partei nur noch schwer verstehen. Da feiern sie ein großes Familienfest in Berlin, von dem Abertausende Mitglieder sicherlich nicht siegesgewiss, aber durchaus beglückt nach Hause fahren. Und der Parteivorsitzende muss am nächsten Tag umständlich zumindest missverständliche Äußerungen erklären mit dem Fazit, dass an den Steuererhöhungen nicht gerüttelt wird.

Das Finanzkonzept der SPD mitsamt den Ankündigungen höherer Einkommensteuern ist für die Wähler einer der großen Leuchttürme in diesem Wahlkampf. Diese Frage trennt Rot-Grün in markanter Weise von Schwarz-Gelb. Wer diesen Unterschied verwischen will, gewinnt keine Wähler, sondern vertreibt sie. Denn es entsteht zunehmend der Eindruck, die Sozialdemokraten bekämen Angst vor der eigenen Courage. Ohne Mut aber kann man keine Wahl gewinnen und auch kein Land regieren.

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