Wahl des EU-Parlaments 2014:Klares Bekenntnis zu Europa

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Das Europäische Parlament in Straßburg: ein modernes Weltwunder

(Foto: AFP)

Es ist paradox. Je wichtiger das Europaparlament wird, umso weniger wird es von Europäern wichtig genommen. Insofern ist es fast ein Glück, dass die europakritische AfD bei der Wahl 2014 antritt. Sie zwingt - hoffentlich - die anderen Parteien dazu, sich klar zu Europa zu bekennen, anstatt im Ungefähren herumzuschwurbeln.

Ein Kommentar von Heribert Prantl

In der Antike gab es sieben Weltwunder. Heute gibt es ein einziges: Es heißt Europäisches Parlament; es ist die weltweit einzige direkt gewählte supranationale Institution. Die demokratische Versammlung der Europäer gehört zum Besten, was Europa in seiner langen Geschichte passiert ist. Das Europaparlament ist aber zugleich das einzige demokratische Parlament weltweit, das unablässig an Zustimmung verliert. Es ist ein makabres Wunder.

Seit der ersten Europawahl vor 35 Jahren nimmt die Wahlbeteiligung ständig ab, in Deutschland im gleichen Maß wie im gesamteuropäischen Durchschnitt. Im Jahr 1979 haben in der Bundesrepublik noch 66 Prozent der Wahlberechtigten gewählt, nur noch 43 Prozent waren es 2009. Die Europawahl wurde zur Wahl ohne Wähler. Das soll, das muss, das wird bei der Wahl von 2014 anders werden. Sie ist die erste Europa-Wahl nach der Euro-Krise, sie ist eine Schicksals-Wahl. Gewählt wird in einer Zeit größter Irritation der Bürger darüber, was sie europäisch wollen sollen.

Diesmal könnte das Misstrauen mit Trara ins Parlament einziehen

Die meisten wollen Europa, aber sie wollen es anders. Wie eine andere, eine bürgernähere EU aussehen könnte, das müsste das Thema des Wahlkampfs sein, der nun mit diversen Parteitagen begonnen hat. Europa braucht nicht nur Verträge, es braucht das Vertrauen seiner Bürger. Desinteresse und Misstrauen haben sich bisher eher in Wahlverweigerung geäußert. Diesmal kann es sein, dass das Misstrauen mit großer Stärke und europafeindlichem Trara ins Parlament einzieht. Deshalb ist die Mobilisierung von Vertrauen in eine zu läuternde EU so wichtig.

Es gibt ein europäisches Paradoxon: Je wichtiger das EU-Parlament geworden ist, und es ist wirklich wichtiger geworden (wenn auch noch immer nicht wichtig genug), umso weniger wird es von Europäern wichtig genommen. In dem Maß, in dem das Parlament an Einfluss gewann, hat es seine Basis verloren. Angesichts der Schläfrigkeit deutscher Europawahlkämpfe war man bei der Wahl von 2009 schon fast geneigt, sich eine deutsche Anti-Europa-Partei zu wünschen - auf dass in der Auseinandersetzung mit ihr die europäische Bewegung wieder an Kraft gewinne.

Die AfD zwingt die anderen Parteien zu Bekenntnissen

Diese Anti-Europa-Partei gibt es jetzt, die AfD. Die Partei "Alternative für Deutschland" hat soeben auf ihrem Parteitag ihr Motto verkündet: "Mut zu Deutschland". Ein europäisches Motto ist das nicht; es ist ein Re-Nationalisierungsmotto. Es ist ein Motto, das die anderen Parteien zu Bekenntnissen zwingt, die mehr sind als Geschwurbel.

Das AfD-Motto ist eines, das Europa in die Vergangenheit zurückschiebt, in die Viel- und Kleinstaaterei, ins Nebeneinander und Gegeneinander. Es ist ein Motto, das Europa nicht stärken, sondern schrumpfen, ein Motto, das die EU nicht an Haupt und Gliedern reformieren, sondern kastrieren will. Die AfD zwingt damit die anderen Parteien, hoffentlich, zur Klarheit. Die CSU hat das verstanden. Mit ihrer Kampagne gegen die Osteuropäer hat sie sich an die Seite der Europaskeptiker gestellt. Das ist eine Entfranzjosefisierung der Partei: Strauß' Motto war das von Bayern als Heimat, Deutschland als Vaterland und Europa als Zukunft.

Zwei Grundpositionen stehen sich im deutschen Europa-Wahlkampf gegenüber: Hier die vielen Parteien, die, trotz aller Kritik, um Vertrauen für Europa werben, leider noch ziemlich uninspiriert; und dort jene Parteien, die, wegen aller Kritik, mit Misstrauen gegen Europa werben. Es wird nicht genügen, wenn die Pro-Europäer von den Bürgern einfach Dankbarkeit dafür verlangen, dass es die EU gibt. Die Pro-Europäer werden sehr konkret werden müssen.

Die SPD hat ein blumiges Zukunftsbekenntnis formuliert

Die Bürger wollen eine Union, die Schutzgemeinschaft für die Menschen ist; sie wollen sehen, dass die EU nicht nur für Banken und unsinnige Bürokratismen da ist; sie wollen spüren, dass und wie Europa Heimat wird. Und sie wollen wissen, wie das funktionieren soll. Der Wahlkampf von CDU und SPD wird darin bestehen müssen, dass Kanzlerin und Vizekanzler den Bürgern das auf fassliche Weise erklären.

Die SPD hat auf ihrem Europa-Parteitag ein blumiges Zukunftsbekenntnis formuliert. Die Botschaft hört man wohl; noch aber fehlt der Glaube. Die Leichtgläubigkeit haben die Menschen angesichts der Milliarden-Rettungspakete für den Euro verloren.Blumigkeit macht sie nicht wieder gläubig.

Was konkret zu tun ist, bleibt bei der SPD großenteils offen. Beispiel Datenschutz: Die NSA-Affäre dürfe, heißt es, nicht ohne Folgen bleiben, Europa müsse eine gemeinsame Antwort geben. Was soll man von solchen Sprüchen halten, wenn klare Antworten schon in der Bundesrepublik weder von der großen Koalition noch von der SPD gegeben werden?

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