Wahl des Bundespräsidenten:Neuwahl in Österreich - Es wird hart und schmutzig

Austrian top candidates for presidential elections at television

Kandidaten für das Bundespräsidentenamt: Alexander van der Bellen (Grüne, links) und Norbert Hofer (FPÖ, ziemlich rechts)

(Foto: dpa)

Brexit, präsidiales Gehabe und üble Gerüchte: Der neue österreichische Wahlkampf ums Präsidentenamt dürfte noch drastischer ausfallen - erste Anzeichen gibt es schon.

Analyse von Oliver Das Gupta

Alles auf Anfang: Nach der Annullierung der Stichwahl für das Amt des Bundespräsidenten müssen die Österreicher erneut darüber abstimmen, ob der Grüne Alexander Van der Bellen oder der Rechtspopulist Norbert Hofer neues Staatsoberhaupt werden soll. Dass Österreich ein heißer Polit-Sommer bevorsteht, zeichnet sich schon jetzt ab.

Dosis erhöhen, Reize vergrößern

Maximal mobilisieren - mehr denn je werden die Wahlkampagnen dieses Ziel verfolgen. Leicht ist das nicht. Die dritte Bundespräsidentenwahl innerhalb weniger Monate dürfte viele Wähler ermüden. Um Abnutzungstendenzen entgegenzuwirken, werden die Kandidaten und ihre Helfer versuchen die Reize zu vergrößern und noch pointierter aufzutreten.

Heikle direkte Verbal-Angriffe dürften die Kandidaten allerdings ihren Büchsenspannern überlassen. Schroffe Attacken, wie beim peinlichen TV-Duell ohne Moderator, werden Hofer wie Van der Bellen sich wohl nicht mehr leisten.

Präsidiales Auftreten

Beide Kandidaten achten schon jetzt darauf, möglichst staatsmännisch zu wirken. Van der Bellen ist für manche bereits der gefühlte Präsident. Der Wirtschaftsprofessor erklärt etwas vollmundig, er würde den Wahlsieg auch ein zweites Mal schaffen.

Hofer hingegen wird als Dritter Parlamentspräsident tatsächlich ab dem 8. Juli, einen Teil der Amtspflichten des Staatsoberhauptes übernehmen. Es sei staatspolitisch ein Riesenfehler, wenn er darauf verzichten würde, sagt Hofer. Er will also gleichzeitig ein zur Neutralität verpflichteter Interims-Präsident und wahlkämpfender Präsidentschaftskandidat sein.

Es wird schmutzig - dafür sorgt die FPÖ

Die bei dem Richterspruch zur Schau gestellte Zurückhaltung der FPÖ-Größen sollte nicht täuschen. Im Wahlkampf wird die radikal rechte Partei mit einem bewährten Mittel versuchen, Stimmen zu fischen: negative campaigning. Die Hauptstoßrichtung geht diesmal wohl eher nicht direkt gegen Flüchtlinge und Muslime, aber simpel wie bekannt dürfte sie trotzdem sein: Es wird gegen die EU gehen, die von der FPÖ als antidemokratischen Elitenprojekt bezeichnet wird.

Die FPÖ wird versuchen, Hofer zum Bollwerk gegen "die da" in Brüssel hinzustellen - und als Garant gegen einen Beitritt der Türkei. Die persönliche Diffamierung von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und EU-Parlamentspräsident Martin Schulz ist bereits im Gange.

Für eine weitere Steigerung könnte die dem Hofer-Lager nahestehende Identitäre Bewegung sorgen, die mit ihren Aufmärschen Stimmung macht. Auch wurden von der völkischen Bewegung schon Veranstaltungen politisch Andersdenkender gestürmt. Ein besonders übles Gerücht setzten Hofer-Anhänger schon ins Internet: Ein gefälschtes ärztliches Schreiben, wonach Van der Bellens schwer krank sei.

Das Gefühl des Betruges

Die FPÖ setzte schon nach der knappen Wahlniederlage darauf, Hofers Abschneiden als gestohlenen Sieg hinzustellen. Bei dieser Lesart wird sie bleiben, in der Hoffnung, die eigene Anhängerschaft auch bei der kommenden Wahl möglichst zahlreich an die Urne zu bringen.

Zwar ließ auch Hofer selbst Fälschungsgeraune anklingen ("Woher wissen Sie, wie die Stichwahl ausgegangen ist"), gab sich diesbezüglich aber eher zurückhaltend. Für das schüren von Manipulationsgerüchten ist vor allem FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache zuständig.

An diesem Punkt setzt Van der Bellen an. Er weist darauf hin, dass dass die Verfassungsrichter keinen konkreten Hinweis auf tatsächlich erfolgte Wahlfälschungen festgestellt haben. Bei den Wählern des überparteilich unterstützten Grünen Van der Bellen gibt es indes das Gefühl, um den Sieg betrogen worden zu sein. Viele Bürger, die bei der annullierten Wahl für den Grünen gestimmt haben, dürften sich düpiert vorkommen - und könnten dadurch für die Neuwahl mobilisiert werden.

Vabanque-Thema Brexit

Sowohl der europafreundliche Van der Bellen, als auch der EU-Gegner Hofer werden versuchen, den möglichen Brexit für sich zu nutzen. Dabei bleibt vorerst offen, wem der bevorstehende Austritt des Vereinigten Königsreichs aus der EU letztendlich nutzen wird.

Viel hängt auch von der Entwicklung in Großbritannien und Brüssel in den kommenden Wochen ab. Agiert die EU uneins und verhandelt sie unsouverän mit London, wird das Van der Bellen schwächen. Sollte es in Großbritannien politisch konfus zugehen und sich die wirtschaftliche Lage verschlechtern, dürfte Hofer einen Öxit, also einen EU-Austritt Österreichs, nur schwerlich als erstrebenswert anpreisen können. Nichtsdestrotz forderte er vor wenigen Tagen eine Abstimmung darüber.

Verspätete Wahlberichterstattung

Die Beanstandungen des Höchstgerichtes haben Folgen für die Berichterstattung am dann kommenden Wahlabend. Das Wiener Innenministerium hatte Teilergebnisse vor Schließung der Wahllokale an Forschungsinstitute und Medien weitergegeben. Ein Usus, der niemanden zu stören schien. Die Richter werteten es jedoch als klaren Verstoß gegen die Regeln.

Wer wählen darf und wann gewählt wird

4,6 Millionen Österreicherinnen und Österreicher können wählen - und zwar genau diejenigen, die auch bei der annullierten Stichwahl berechtigt waren. Einige Österreicher schließt das aus: Nicht wählen können Bürger, die erst nach dem 22. Mai das Wahlalter erreicht oder seitdem die Staatsbürgerschaft erlangt haben. Gewählt wird erst nach den Sommerferien. Als neuer Wahltermin ist derzeit der 25. September im Gespräch. Die offizielle Bestätigung könnte in der kommenden Woche erfolgen - dann will das Innenministerium den konkreten Tag bekanntgeben.

Nachtrag 5. Juli 2016: Die Wiederholung der Stichwahl findet am 2. Oktober statt. Den Termin gab Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) in Wien nach einer Kabinettssitzung bekannt.

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