Vereinbarung von Minsk:Keine Garantie für den Frieden - aber ein guter Anfang

Ukraine peace negotiations in Minsk

Wenn man vorsichtig darauf setzt, dass das, was auf dem Papier steht, eine echte Chance bekommt, dann gibt es endlich Hoffnung für die Menschen in der Ukraine.

(Foto: dpa)

Die Einigung von Minsk ist kein abschließender Friedensvertrag. Sie kann aber den Boden dafür bereiten. Allerdings nur, wenn die Verhandlungspartner sich auch von neuer Gewalt nicht beirren lassen.

Kommentar von Stefan Braun, Berlin

Nein, das ist noch kein umfassender Friedensvertrag für die Ukraine. Deshalb wird nach diesem Gipfel am 12. Februar 2015 auch nicht gleich ein umfassender Frieden in der Ostukraine ausbrechen. Aber wenn man vorsichtig darauf setzt, dass das, was auf dem Papier steht, eine echte Chance bekommt, dann gibt es endlich Hoffnung für die Menschen in der Ukraine.

Von Sonntag, null Uhr an, soll eine Waffenruhe gelten. Zwei Tage später soll mit dem Rückzug schwerer Waffen begonnen werden. Innerhalb von zwei Wochen sollen also vor allem Mörser, Artillerie, Raketen aus einem Streifen von bis zu 50 Kilometern verschwinden - und damit all jene Waffen, die bis heute für die Bevölkerung besonders furchtbar, weil besonders gefährlich gewesen sind. Das ist mehr als man lange Zeit zu hoffen wagte. Es gibt, wenn es so kommt, echte Hoffnung, dass sich die Geschichte in dem geschundenen Land wieder zum Besseren wendet.

Allerdings darf und kann derzeit das Wörtchen "wenn'' noch nicht fehlen. Wenn es gelingt, wenn sich also alle dran halten, dann darf man auch hoffen, dass die Debatte um Waffenlieferungen fürs Erste beendet sein dürfte. Den Hardlinern und radikalen Kräften wird das wehtun. Den allermeisten Menschen aber wird es endlich Zuversicht schenken, dass Frieden möglich ist und eine drohende Eskalation erst einmal abgewendet wurde.

Angst vor neuen Attacken

Umso mehr muss man nun hoffen, dass in den knapp sechzig Stunden bis zur Waffenruhe nichts Schlimmeres mehr passiert. Erste Berichte über Grenzverletzungen gibt es leider schon. So angespannt, wie die Lage seit Tagen, ja Wochen gewesen ist, so groß ist die Gefahr, dass die Einigung durch Gewalt, Schmerzen, Ängste und Wut wieder gefährdet werden könnte. Dass die Sorge davor nicht unbegründet ist, zeigt alle Erfahrung der vergangenen Wochen. Wann immer in Berlin oder anderswo die Regierungschefs oder die Außenminister Russlands, der Ukraine, Frankreichs und Deutschlands telefonierten oder beieinander saßen, um den schrecklichen Kämpfen irgendwie Einhalt zu gebieten, wurden schon Stunden später die Kämpfe schärfer, die Angriffe aggressiver und manchmal auch gezielte Attacken gefahren, um leise Erfolge wieder zu torpedieren.

Nicht ohne Grund hat Deutschlands Außenminister in den vergangenen Tagen immer wieder davor gewarnt. Auch bei ihm dominierte zuletzt die Enttäuschung, dass dies den radikalen Kräften vor allem auf prorussischer, aber zum Teil auch auf ukrainischer Seite immer wieder gelungen war. Diesmal soll und muss das verhindert werden.

Dazu gehört allerdings nicht nur die Hoffnung, dass die Radikalen sich zurückhalten. Noch viel wichtiger könnte werden, dass im Fall bösartiger Angriffe und Attacken alle Unterzeichner von Minsk sich sofort davon distanzieren und den jetzt vereinbarten Pfad hin zu einem Frieden ganz bewusst und demonstrativ nicht mehr verlassen. Nur so können sie den möglichen Gewalttätern genau den "Erfolg'' verweigern, den diese sich jetzt von neuer Gewalt erhoffen: dass auch diese Vereinbarungen im Strudel von Gewalt und Gegengewalt ertrinken.

Die schwersten Stunden könnten noch kommen

Nimmt man die Ausgangslage der vergangenen Tage, dann gehört zu diesem 12. Februar 2015 auch ein Lob an die EU und das Gespann Hollande/Merkel. Obwohl von manchen amerikanischen Hardlinern belächelt, haben sie in diesen 17 Stunden von Minsk erreicht, was sie unbedingt wollten: dass Frieden näher rückt und sie eine Ausweitung des Krieges fürs Erste verhindern. Wenn es bleibt, wie es jetzt aussieht, dann ist das ein großer politischer Erfolg für Europa, für Paris und, ja, ganz besonders auch für Deutschland.

Dass sie dabei Russland deutlich mehr Zusammenarbeit und der Ostukraine umfassende Hilfen beim Aufbau von Banken- und Verwaltungsstrukturen zusagen, ist dabei nicht alles entscheidend, aber klug und unverzichtbar gewesen. Der Boden für einen Frieden ist bereitet. Die schwersten Stunden könnten jetzt freilich jene sein, die bis zum Beginn der Waffenruhe noch fehlen.

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