US-Vorwahl:Schwarze Frauen über Hillary Clinton: "Sie ist eine von uns"

File photo of Democratic U.S. presidential candidate Hillary Clinton greeting supporters after a forum at Denmark-Olar Elementary School in South Carolina

Hillary Clinton in South Carolina: Die Demokratin genießt große Beliebtheit vor allem bei älteren Afroamerikanerinnen.

(Foto: REUTERS)

In South Carolina wird die Ex-Außenministerin siegen, weil ältere Afroamerikaner sie verehren. Dass diese Bernie Sanders skeptisch sehen, hat Folgen weit über den Super Tuesday hinaus.

Von Matthias Kolb, Columbia

Im festlich geschmückten Saal der Brookland Baptist Church dominieren zwei Farben: Grün und Pink. "Zum Glück habe ich im Koffer noch etwas Grünes gefunden", ruft Hillary Clinton in den großen Jubel hinein und fährt fort: "Ladies, ihr seht fantastisch aus!" Veronica Miller strahlt und klatscht. Als stolzes Mitglied der "Alpha Kappa Alpha"-Studentinnenverbindung trägt auch sie ein grün-pinkes Outfit und ist begeistert vom Ehrengast des Jahrestreffens.

Clinton kennt die Bedeutung der Afroamerikaner in South Carolina: Mehr als die Hälfte der Demokraten, die am Samstag bei der Vorwahl ihre Stimme abgeben, sind schwarz. Ähnlich groß ist ihr Anteil in Georgia, Alabama, Arkansas und Virginia, wo kommende Woche am Super Tuesday abgestimmt wird. Umfragen zufolge führt Clinton mit 58 zu 32 Prozent. Um den Vorsprung zu halten, absolviert die 68-Jährige in dieser Woche bis zu fünf Termine täglich.

Sie möchte ihren Rivalen Bernie Sanders abschütteln und zeigen, dass ein selbsternannter "demokratischer Sozialist" landesweit nicht wählbar ist. Mehrmals tritt Clinton mit den Müttern von Eric Garner und Dontre Hamilton auf, deren schwarze Söhne von Polizisten erwürgt beziehungsweise erschossen wurden. In der Central Baptist Church berichten sie, wie sie an der Schulter der Ex-Außenministerin geweint hätten. Ständig schallt ein "Amen" oder "That's right" durch die Kirche und die 55-jährige Gwendolyne Dryer spricht für viele, wenn sie über Hillary Clinton sagt: "Sie ist eine von uns."

Und die Sympathie ist beiderseitig: Clinton wirkt locker, als sie erzählt, wie sie 1972 als junge Juristin durch South Carolina fuhr, um über die Lage von minderjährigen schwarzen Häftlingen zu recherchieren. Sie beklagt den "systemischen Rassismus" der US-Gesellschaft und fordert mehr Geschäftskredite für Afroamerikanerinnen. "Wir müssen schwarzen Frauen helfen, Unternehmen zu gründen. Nirgends sterben mehr Träume als auf Parkplätzen vor Banken", ruft die 68-Jährige.

Die Medien müssten klarmachen, dass schwarzes Leben mehr sei als Verbrechen und Armut: "Sie übersehen die enorme Leistung schwarzer Frauen, diese große black sisterhood." Weiße Amerikaner müssten besser zuhören, mahnt die erste Außenministerin von US-Präsident Barack Obama, den sie bei allen Events lobt. Die Aussicht nach dem ersten schwarzen Präsidenten ("Wir lieben Obama") nun eine Frau ins Weiße Haus zu wählen, begeistert die 72-jährige Veronica Miller: "Sie ist so inspirierend. Ich bin zu 100 Prozent überzeugt, dass ich für sie stimme."

Sanders hat ein Problem: Viele kennen ihn nicht

Dass in schwarzen Kirchen viel Politik geredet wird und manch ein Pastor mehr oder weniger direkt zur Wahl bestimmter Kandidaten aufruft, weiß auch Bernie Sanders. Im gleichen Saal, in dem Veronica Miller von Hillary Clinton und deren Mann Bill ("als er Präsident war, ging es für uns nach oben") schwärmt, hatte er am vergangenen Sonntag um Aufmerksamkeit gekämpft. 2500 Menschen passen in die Brookland Baptist Church und einige Hundert essen anschließend gemeinsam zu Mittag. Als der 74-jährige Senator aus Vermont angekündigt wird, klatschen die meisten und widmen sich dann ihrer Mahlzeit.

In einer kurzen Rede verspricht Sanders, dass er dafür sorgen werde, weniger in Gefängnisse ("Es sind vor allem Afroamerikaner und Latinos, die wir wegsperren") und mehr in Bildung zu investieren. Den größten Applaus bekommt Sanders, als er Obama dafür lobt, die US-Wirtschaft nach den desaströsen Bush-Jahren stabilisiert zu haben. Anschließend schüttelt er fleißig Hände und posiert für Selfies, doch begeistert sind nur die Studentinnen, die als Kellnerinnen aushelfen.

"Unsere Mütter und Großmütter sind gar nicht bereit, Bernie eine Chance zu geben", sagt Shiann Bradley. Die 24-Jährige hat vor einem Jahr ihren Abschluss an der Claflin University in Orangeburg gemacht, der ältesten Schwarzen-Hochschule in South Carolina. Ihr gefällt, dass Sanders sich am eindeutigsten zu den Gefahren des Klimawandels äußert und die hohen Uni-Gebühren senken will.

Ihre Freundin Britney White wird an diesem Samstag für Sanders stimmen, weil sie dessen Forderung nach einem Mindestlohn von 15 Dollar unterstützt und ihn als authentisch empfindet: "Er setzt sich seit Jahrzehnten dafür ein, dass Frauen den gleichen Lohn erhalten und hat sich in den Sechziger Jahren in der Bürgerrechtsbewegung engagiert." Und sie ist begeistert, dass Sanders an diesem Freitagnachmittag mit dem Rapper Killer Mike von "Run the Jewels" auftritt: "Hillary würde niemals mit Killer Mike auftreten. Bernie kann das!"

Doch die Unterstützung von prominenten Schwarzen wie Killer Mike, Regisseur Spike Lee oder Schauspieler Danny Glover wird Sanders wohl nicht helfen, genügend schwarze Stimmen für Siege in Südstaaten zu sammeln. Auch wenn seine Berater vehement bestreiten, dass er South Carolina aufgegeben habe: Er absolvierte in dieser Woche Auftritte in Ohio, Minnesota, Missouri und Oklahoma. Es geht für ihn vor allem darum, am Super Tuesday nicht nur seinen Heimatstaat Vermont zu gewinnen, um als ernsthafter Rivale Clintons wahrgenommen zu werden.

Was Kritiker an Bilanz der Clinton-Jahre auszusetzen haben

Dabei gibt es überzeugende Argumente, wieso schwarze Wähler Clinton nicht bedingungslos unterstützen müssen. Michelle Alexander, deren Buch "The New Jim Crow" über Amerikas strukturellen Rassismus an vielen Unis wie eine Bibel studiert wird, schreibt in einem viel beachteten Artikel, dass die USA unter Bill Clinton begannen, Hunderttausende Afroamerikaner wegzusperren (etwa weil der Besitz von Crack viel härter bestraft wird als der von Kokain). Auch Ta-Nehisi Coates, der wichtigste junge schwarze Intellektuelle (mehr über dessen Buch "Zwischen mir und der Welt") gibt Sanders den Vorzug vor Hillary Clinton.

Die Reform des Sozialsystems, die Bill Clinton Mitte der Neunziger Jahre durchsetzte, habe zudem vielen Schwarzen geschadet. Für viel Kritik unter progressiven linken Amerikanern und Aktivisten der "Black Lives Matter"-Bewegung sorgt zudem eine Aussage von Hillary, die 1996 schwarze straffällige Jugendliche als "super predators" (Super-Raubtiere) bezeichnet hat. Eine junge Aktivistin spendete 500 Dollar für Clintons Wahlkampf, um diese bei einer Privat-Veranstaltung aufzufordern, sich bei allen Schwarzen zu entschuldigen (Video bei der Huffington Post).

Trotz der Wut über diese umstrittenen Aussagen (die allerdings 20 Jahre alt sind und für die sie sich entschuldigt hat) und der Stimmen von vielen schwarzen Studenten wie Bradley White und Shiann Bradley, die sich als "Kinder der Obama-Jahre" bezeichnen, geht es für Bernie Sanders vor allem darum, den Abstand zu Clinton so gering wie möglich zu halten.

Niemand wählte 2012 häufiger als schwarze Frauen

Die Ex-Außenministerin wird von fast allen demokratischen Abgeordneten South Carolinas unterstützt - unter anderem von Jim Clyburn, der Nummer drei seiner Partei im US-Repräsentantenhaus. Diese Hilfe ist wichtig für ihren Sieg in South Carolina, doch wenn Hillary Clinton gegen Donald Trump oder einen anderen Republikaner bei der Präsidentschaftswahl am 8. November gewinnen will, dann braucht sie die Hilfe der schwarzen Frauen im ganzen Land.

Bei der Wiederwahl Obamas 2012 gab es keine andere gesellschaftliche Gruppe mit einer höheren Wahlbeteiligung - und der Präsident selbst wird sich fraglos engagieren, damit ein Demokrat ins Weiße Haus einzieht. Auch Ruby James, eine weitere ältere Dame aus der Studentinnenverbindung geht, wird alles tun, um Clinton zu unterstützen. "Hillary hat sich immer für uns interessiert und über Jahrzehnte Kontakt gehalten. Sie verdient jede einzelne unserer Stimmen."

Linktipps:

Die einflussreiche schwarze Jura-Professorin Michelle Alexander argumentiert in The Nation, dass Hillary Clinton es nicht verdient habe, von Afroamerikanern gewählt zu werden.

Die New York Times beschreibt in dieser Reportage, wieso viele schwarze Frauen sich verpflichtet fühlen, dieses Mal für Hillary Clinton zu stimmen.

Wieso die Mütter von Eric Garner, Trayvon Martin und Sandra Bland Hillary Clinton im Wahlkampf unterstützen, beschreibt dieser US-Blog.

In diesem Artikel im Atlantic kritisiert Ta-Nehisi Coates Bernie Sanders dafür, dass er Reparationszahlungen an die Afroamerikaner für die Folgen der Sklaverei ablehnt. In diesem Video erklärt der Autor, wieso er Bernie Sanders trotzdem für den besten Präsidentschaftskandidaten hält.

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