US-Präsident zu Charlottesville:Ich, ich, ich

Die Pressekonferenz belegt: Der US-Präsident hat ein Ego-Problem und keinen moralischen Kompass. Weil es Donald Trump nur um Donald Trump geht, werden sich die schockierenden Szenen wiederholen.

Kommentar von Matthias Kolb

Wenn Donald Trump in seinem New Yorker Hochhaus vor Mikrofone tritt, dann wird es interessant. Diese Pressekonferenzen sind schockierend, atemberaubend und zugleich sehr erhellend. Am 11. Januar, kurz vor seiner Amtseinführung, offenbarte Trump, was er über Meinungsfreiheit und die Rolle von Journalisten in einer Demokratie denkt: Für ihn sind alle Berichte, die von Trump ein Mindestmaß an Transparenz einfordern oder seine Leistungen hinterfragen, "Fake News".

Sieben Monate später streitet sich der 45. US-Präsident erneut in aller Öffentlichkeit mit Journalisten. 23 Minuten stand er vor dem Aufzug des Trump Tower und zeigte zum x-ten Mal, dass es ihm vor allem um eine Person geht: um Donald John Trump.

Es fehlt dem ehemaligen Reality-TV-Star weiter nicht nur am Verständnis für Sachpolitik und die Arbeitsweise des Kongresses. Er verfügt zudem über keinen moralischen Kompass und reagiert auf Kritik stets gleich: mit einem wüsten Gegenangriff. Er fühlt sich von den Reportern attackiert, will sich rechtfertigen und redet sich um Kopf und Kragen.

Es war verstörend genug, dass der Republikaner nicht schon am Samstag klare Worte über den Aufmarsch von Neonazis in Charlottesville fand, in dessen Folge eine Frau getötet und viele Menschen verletzt wurden. Stattdessen sprach Trump von "Gewalt von beiden Seiten". Wie jeder US-Präsident sollte Trump ein Vorbild sein, hier hat er versagt. Es war verstörend, dass er erst mit zwei Tagen Verspätung die Aktivitäten des Ku-Klux-Klans und der Alt-Right-Bewegung verurteilte.

Trumps Lebensmotto lautet: Gestehe nie eine Niederlage ein

Dass Trump nun erneut über "Gewalt von beiden Seiten" redet, ist bedenklich - und zugleich kaum überraschend. Es ist bedenklich, weil es Rechtsextremen den Eindruck vermittelt, der US-Präsident stünde hinter ihrem rassistischen Gedankengut (klar ist, dass er dieses zumindest toleriert). Ebenso bedenklich ist Trumps absolutes Unvermögen, diszipliniert über ein Thema zu reden und sich an die von Beratern vorgegebene Wortwahl zu halten.

Er hätte sein Statement vom Montag ("Rassismus ist böse und diejenigen, die in seinem Namen Gewalt anwenden, sind Kriminelle und Verbrecher") wiederholen, zur nationalen Einheit aufrufen und die Reporter ins Leere laufen lassen können. Stattdessen wollte er die Medien überzeugen, dass sein erstes Statement völlig korrekt war und die Kritik eine "Hexenjagd". Dies ist ebenso falsch wie erbärmlich.

Trumps neuem Stabschef John Kelly wurde während der Pressekonferenz schnell klar, dass das eigentliche Thema Infrastruktur zur Nebensache werden würde. Ein Video zeigt, wie sehr der Ex-General an seinem undisziplinierten Chef verzweifelt.

Denn Trump handhabt Politik auf die gleiche Art, wie er in den 1980ern als Immobilien-Unternehmer und Marketing-Profi steinreich wurde. Er sieht alles durch die schwarz-weiße Brille, wo es stets Gewinner und Verlierer gibt. Bis heute hält er sich an die Ratschläge, die ihm in den 1970er Jahren der New Yorker Mafia-Anwalt Roy Cohn gab. Dessen Regeln lauteten: "1. Gehe keine Kompromisse ein, gib nie auf. 2. Geh sofort zum Gegenangriff über, verklage sofort die Gegenseite. 3. Egal wie tief du im Dreck steckst, erkläre dich stets zum Sieger und gestehe nie eine Niederlage ein."

Die Pressekonferenz zeigt dieses Denken in seltener Klarheit. Er ist für alles Positive verantwortlich ("Ich habe eine Million Jobs geschaffen"), doch an Misserfolgen sind andere schuld. Er braucht das Lob der Medien, die er permanent beschimpft - und leidet, wenn es ausbleibt. Der Präsident ist ebenso unfähig, Fehler einzugestehen wie bestimmte Themen ruhen zu lassen. Er verbraucht so wichtige Ressourcen wie Zeit und Energie, die zur Lösung drängender Probleme (Nordkorea, Steuerreform, Infrastruktur) nötig wären.

Dass Trump in diesem Hin und Her mit der Presse über sein Weingut in Charlottesville ("eines der größten in den USA") spricht und dies als Argument für seine Kenntnis der Lage in Virginia anführt, ist bezeichnend. Klar scheint vor allem eins zu sein: Es wird nicht das letzte Mal sein, dass der Egomane Donald Trump einen solchen Auftritt hinlegt, der für Verwirrung sorgt und das Ansehen der USA weltweit noch weiter beschädigt, als er das ohnehin schon getan hat.

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